Die Tourismusstrategie von Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) steht seit geraumer Zeit in der Kritik.

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Ihren Namen trägt sie nicht umsonst. Die "Residenz" im niederösterreichischen Schönbühel-Aggsbach ist ein wuchtiges Vier-Sterne-Hotel inmitten eines beschaulichen Orts in der Wachau. Die Terrasse bietet ein Donau-Panorama, man hat sich der Romantik verschrieben. Ihr Besitzer ist Mario Pulker, Gemeinderat für die ÖVP, Obmann des Tourismusverbands Wachau und stellvertretender Bundesspartenobmann für Tourismus in der Wirtschaftskammer. Pulkers Wort hat also Gewicht.

Die Standesvertretung gehört zu den Initiatoren der viel diskutieren Corona-Teststrategie "Sichere Gastfreundschaft". Gemeinsam mit dem Tourismusministerium, vier Partnerlaboren und dem US-Beraterriesen McKinsey startete man zunächst den Testpiloten "Safe A" und setzte es sich dann zum Ziel, das Projekt zu vergrößern. Ab Juli sollten wöchentlich 65.000 Tourismusmitarbeiter getestet werden. Davon ist man aber weit entfernt. Aktuell sind es österreichweit erst 300 Betriebe, die vom Ministerium als "sichere Gastgeber" bestätigt wurden. Das liegt auch am Projekt selbst.

Die Wachau war eine der Pilotregionen für das Programm. Vor einigen Wochen noch bezeichnete Pulker das Testprogramm als sinnvoll. Die Teilnahme ist für Betriebe freiwillig. Pulker soll seine Mitarbeiter inzwischen nicht mehr testen lassen, heißt es. Dem STANDARD wurde mitgeteilt, dass auch die Buchungsabteilung des Hotels von letzten Tests von vor zwei bis drei Wochen spreche. Für Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn erhärtet sich der Verdacht eines "Test-Flops".

Der Betrieb weiß nichts

Pulker dementiert das. Seine Buchungsabteilung könne das gar nicht wissen. Genauso wenig wie er selbst, seit das Programm in privater Hand und keine Sache der Region mehr ist. Ob ein Mitarbeiter sich testen lasse, liege in dessen Ermessen. "Ich kann niemanden dazu zwingen, wir sind nicht in China", sagt Pulker. "Ich kann nur sagen, dass ich mich freuen würde, wenn der Mitarbeiter die Testung macht. Aber selbst wenn er hinfährt und dann nicht testen geht, weiß man es nicht, weil du als Betrieb aufgrund des Datenschutzes keine Nachricht bekommst, ob er positiv oder negativ ist." Bescheid wisse er nur über die eigenen Familienmitglieder im Betrieb, der Sohn ließ sich testen.

Kürzlich bekam die Residenz zwei neue Mitarbeiter. Beide mussten laut Pulker einen negativen Corona-Test vorlegen. Ob sie sich nächste Woche testen lassen, ist offen. Pulker selbst hat das noch nicht getan. Der Spartenobmann der Salzburger Wirtschaftskammer, Albert Ebner, macht bei dem Programm gar nicht mit. Einerseits, weil es in Hintersee keinen einzigen Fall seit Beginn der Corona-Krise gab. Andererseits, weil sich einige Mitarbeiter nicht testen lassen wollen. "Wenn, dann müssen alle geschlossen mitmachen." Man könnte die Mitarbeiter nicht zu den Tests zwingen.

Die Sache mit der Testbestätigung

Das dürfte nicht das einzige Problem sein. Wie der STANDARD erfuhr, sollen ein paar Betriebe in der Wachau eine Testbestätigung von Safe A für die Monate Juli und August erhalten haben. Allerdings würden sie ihre Mitarbeiter nicht mehr wöchentlich testen, obwohl das so auf der Bestätigung für die besagten Monate steht. Ein Betrieb sagt auf STANDARD-Anfrage, dass derzeit nicht getestet wird, weil die Mitarbeiter durch Hin- und Rückfahrt zum Test zu lange ausfallen würden. Die Wirtschaftskammer erklärt, dass sie die Einhaltung der Tests regelmäßig kontrolliere.

In Tirol berichten Labore, dass sie wöchentlich teilnehmende Betriebe für Testungen aufsuchen. In den Teilnahmekriterien des Programms steht nur, dass die " regelmäßige Inanspruchnahme der freiwilligen Covid-19-Testungen durch Beschäftigte mit direktem Gästekontakt" obligatorisch sei. Ob "regelmäßig" nun wöchentlich oder 14-tägig heißt, war auf Nachfrage nicht zu erfahren.

Labors.at, ein Teil der Arbeitsgemeinschaft Safe A, erklärt, dass Betriebe, die an den Pilottestungen teilnahmen, eine Bestätigung bekamen. Diese seien in dieser Zeit über die Labore gelaufen. Inzwischen könnten Betriebe das Kennzeichen "Sichere Gastfreundschaft" bei der Kammer beantragen. Das haben bisher 400 getan, 300 davon erhielten es bereits. 45 Prozent der Betriebe kommen aus Tirol, 20 Prozent aus Salzburg, je weitere zehn aus der Steiermark und Kärnten. Das Problem des Programms ist gemäß Wirtschaftskammer, "dass es kaum jemand kennt".

"Auf das Siegel schaut niemand"

Auch der Salzburger Tourismusspartenobmann Ebner ist überfragt, wann ein Betrieb ein Zertifikat bekommt. Der Geschäftsführer des Tourismusverbandes Wagrain-Kleinarl im Salzburger Pongau, Stefan Passrugger, weiß ebenfalls nicht, wie er an eine solche Kennzeichnung kommt. Für die Wintersaison wünscht er sich aber eine. Seitens des Salzburger Land Tourismus verweist man auf die Wirtschaftskammer. Pulker, dort stellvertretender Bundesspartenobmann, hält von Zertifikaten nichts. "Machen Sie eine Umfrage", sagt er. "Wer kann Ihnen sagen, was dieses Siegel bedeutet? Entweder du hast als Betrieb die Sicherheitsvorkehrungen oder nicht. Auf das Siegel schaut niemand." Die Werbeausgaben wären immens, um es bekannt zu machen. Dafür sei eine andere Abteilung zuständig gewesen.

Das Problem sei für Pulker eher, dass er bei einem positiven Fall den Betrieb zusperren könne, wenn alle in Quarantäne müssten. "Das ist ruinös, da muss Anschober (Gesundheitsminister, Grüne, Anm.) was tun." Es müsste wie in Altenheimen auch für den Tourismus möglich sein, die Kontaktpersonen alle zwei, drei Tage zu testen und mit Maske im Betrieb zu behalten.

Der Tiroler Mario Gerber (ÖVP), Wirtschaftskammer-Spartenobmann für Hotellerie, sieht das ähnlich. Daher habe man seitens des Landes ein zwölfseitiges Konzept mit Verbesserungsvorschlägen an das Gesundheitsministerium geschickt: "Experten aus der Medizin haben das Papier mitunterzeichnet, aber wir warten immer noch auf Antwort".

Der Tourismusverband-Geschäftsführer Passrugger ist wiederum verärgert, dass nicht alle Tourismusbereiche am kostenlosen Screening teilnehmen können. Derzeit können sich nur Mitarbeiter von gewerblichen Beherbergungsbetrieben so testen lassen. Privatzimmervermieter (Urlaub am Bauernhof), Seilbahnunternehmen oder die Mitarbeiter des Tourismusverbands seien ausgeschlossen. Das habe zu dem Rückgang der Testungen geführt, denn in der Pilotphase waren auch nichtgewerbliche Betriebe erlaubt, sagt Passrugger. (Jan Michael Marchart, Steffen Arora, Sebastian Fellner, Stefanie Ruep, 6.8.2020)