Whistleblower haben den Behörden Hinweise zur Commerzialbank geflüstert; die Notenbankprüfer hielten einige für unplausibel, unwahrscheinlich, denkunmöglich.

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Wien – Die Ermittlungen in der Causa Commerzialbank Mattersburg laufen auf Hochtouren. Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beziehungsweise Landeskriminalamt Burgenland haben Exbankchef Martin Pucher und Exkollegin K. zweimal einvernommen, sie haben ja die Verantwortung für die Malversationen übernommen. Parallel dazu laufen die Ausgrabungsarbeiten zwecks Aufklärung der Vergangenheit.

Stand der Dinge: 500 gefälschte Konten, erfundene Bilanzposten von 688 Millionen Euro bei einer Bilanzsumme von 800 Millionen Euro. Überschuldung: 528 Millionen Euro. Sie selbst hätten sich nicht bereichert, beteuern die zwei Exbanker, für die die Unschuldsvermutung gilt. Allerdings ist viel Geld aus der Bank geflossen, etwa für Sponsoring des SV Mattersburg, dessen Präsident Pucher auch war. Laut seinen Angaben vor den Ermittlern sind, wie die "Krone" zitiert, acht bis zwölf Prozent des Geldes in den Fußballverein geflossen.

Immer mehr Luftgeschäft

Pucher selbst soll in den vergangenen zehn Jahren 250 Millionen Euro mittels gefälschter Barschecks abgehoben haben, ein Großteil davon dürfte wieder in der Bank gelandet sein. Getarnt als Zins- oder Tilgungszahlungen für gefälschte Kredite, um zu belegen, dass diese nicht wertzuberichtigen seien. Jahr für Jahr wurde das Rad größer, nach der Vor-Ort-Prüfung 2015 soll sich das Volumen der Luftgeschäfte weiter massiv erhöht haben.

Bei dieser Prüfung, die von der FMA bei der Nationalbank (OeNB) in Auftrag gegeben wurde, waren die Bankenaufseher eigentlich schon sehr knapp an der Sache dran, wie Recherchen des STANDARD ergeben – gefunden haben die Vor-Ort-Prüfer die Malversationen aber nicht. Untersucht wurde Systemisches wie die Risikosteuerung des Instituts, als bei FMA und Staatsanwaltschaft (StA) Eisenstadt die Anzeige eines Whistleblowers eintraf.

Diskrete Kredite

In der Bank gebe es "vorstandsbetreute", versteckte Kreditkonten, Pucher hebe große Beträge in bar ab, der Schaden liege bei rund 50 Millionen Euro. Namentlich genannte Mitarbeiter hätten Kopien der Unterlagen daheim, andere wüssten Bescheid, die diskreten Kreditkonten seien mit "58" gekennzeichnet, so einige der Hinweise. Die StA Eisenstadt ersuchte die FMA um Amtshilfe, woraufhin die Behörde die sowieso bereits aktiven OeNB-Prüfer mit entsprechenden Recherchen beauftragte.

58er-Konten wurden nicht gefunden, aber zig schwere Mängel und Gesetzesverstöße im Risiko- und Kreditmanagement des Instituts. Freilich fand man eine kreditfinanzierte Eigenkapitalzufuhr, die die FMA wegen Untreueverdachts anzeigte. Die StA Eisenstadt leitete keine Ermittlungen ein, die Bilanz musste aber schon geändert werden. Abschlussprüfer TPA hatte bei der Konstruktion beraten und die Bilanz (auch die erste, in der das Eigenkapital revidiert werden musste) testiert.

Verdacht nicht erhärtet

Aus dem Prüfbericht der OeNB geht hervor, was alles nicht klappte. Der Verdacht habe sich nicht erhärtet, wobei lediglich Prüfungshandlungen getätigt werden konnten, die im Einklang mit dem Prüfungsauftrag stehen. Die Befragung einzelner Mitarbeiter liege nicht im Aufgabenbereich der Prüfer, auch könne man Personen nicht direkt mit Vorwürfen konfrontieren. Daher könne der Wahrheitsgehalt des Hinweisgebers nur unvollständig beurteilt werden.

Und der von ihm in den Raum gestellte Schaden von 50 Millionen Euro? Zur Schadenshöhe könne man keine gesicherten Angaben machen, die 50 Millionen seien "nicht plausibel". Selbst bei einem schlecht gemanagten und nicht funktionierenden Risikomanagement erscheine es unwahrscheinlich, dass eine Malversation dieser Größenordnung nicht bereits aufgefallen wäre.

So etwas muss auffallen

Angesichts der Kleinheit des Instituts sei es schier denkunmöglich, dass ein derartiges Volumen nicht auffallen würde. Und: Wären wirklich Kredite in dem Ausmaß gefälscht, müsste man auch Zinserträge fälschen, hielten die OeNB-Prüfer im Bericht sinngemäß fest.

Dass auch das geht und dass genau das geschah, wissen sie heute.

Die Prüfer hätten schon gemerkt, dass die Commerzialbank eine schleißige Bank mit grottenschlechtem Kreditrisikosystem sei, hätten sie auf dem Radar behalten, so ein Notenbanker. Offiziell sagt die OeNB, man habe wegen der Zweifel am Geschäftsmodell die aufsichtlichen Handlungen intensiviert. Das habe "schlussendlich zum Aufdecken der Malversationen durch die OeNB-Prüfer geführt".

Nächste Anzeige 2020

Wie das kam: Die Prüfer hielten Pucher zwei unplausible Kreditfälle vor, woraufhin der umfiel und wenig später sinngemäß eingestand, die halbe Bilanzsumme sei gefälscht. Jene erfundenen Kredite, die in einer detaillierten neuen Anzeige von Februar 2020 angeführt und Teil der Ermittlungen sind, hatten die Prüfer nicht gefunden. (Renate Graber, 7.8.2020)