Ein Flachdach passt nicht immer ins Bild. Deshalb gibt es vielerorts – oft veraltete – Regelwerke, die festlegen, wie gebaut werden darf.

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"Das Ortsbild ist das Abbild unserer Gesellschaft", hat der Architekt Richard Zeitlhuber einst in einem Aufsatz geschrieben. Und es stimmt. Wer durch die Straßen geht, sieht neben guter und weniger guter Architektur Straßen- und Werbeschilder, Sträucher, perfekt gemähte Rasen, Straßenlaternen und Terrassenmöblierung. All das ist Ausdruck von Bedürfnissen, Vorlieben, Geschmäckern, von Regeln und davon, sich nicht daran zu halten.

Doch wer legt fest, was geht und was nicht? Warum wird ein Flachdach verboten? Oder der Bau eines Tiny Houses? Oder eine besonders grell gestrichene Fassade? "Tendenziell versuchen die Gemeinden als zuständige Behörden, bauwilligen Menschen so weit wie möglich entgegenzukommen", sagt Markus Bogensberger, Baukulturkoordinator beim Amt der steiermärkischen Landesregierung.

Exklusive Position

Etwas anders sehe die Sache bei Zweitwohnsitzen und bei Ferienhäusern aus – welche Tiny Houses meistens sind. "Diese Häuser leben davon, dass sie an schönen Orten eine exklusive Position mit toller Aussicht haben", sagt der Experte und erklärt, dass sie dennoch eine schlechte Vorbildwirkung haben. Denn nicht einer, sondern viele dieser Bauten können unschön für das Landschafts- und Ortsbild werden. "Und das durchaus berechtigte Problem ist: Wenn ich eines erlaube, dürfen es auch alle anderen", so Bogensberger. Hinzu komme die Problematik der Zersiedelung, die in Österreich bereits extrem sei.

Und was Bogensberger auch beobachtet, ist eine zunehmende Individualisierung, nach der viele Menschen streben würden. "Das führt schon zu gewissen Problemen. Denn sich einzugliedern, nicht aufzufallen – das ist nicht immer eine gebräuchliche Haltung unter Bauherren", sagt er.

Veraltete Gesetze

Die Raumordnung sowie die Baugesetze sind in Österreich eine Sache der Länder. Daher hat jedes Bundesland mehr oder weniger abweichende Gesetze und Vorgaben. Die meisten Gesetze zu der Thematik stammen in ihrem Ursprung aus den 1970er-Jahren und "müssten einmal ganz fundamental an die gegenwärtigen Realitäten und Dynamiken angepasst werden", sagt Bogensberger und spricht sich für eine bundesweite Vorgangsweise aus.

Geht es etwa darum, ein Tiny House zu errichten, könnten das Raumordnungsgesetz, das Baugesetz, das Naturschutz- oder das Landschaftsschutzgesetz wirksam werden. Historische Ortskerne werden zusätzlich mit Ortsbildgesetzen geschützt.

Bei Tiny Houses wünschen die Bauherren sich oft, dass sie nicht im Siedlungsbereich, sondern auf der grünen Wiese errichtet werden – wo eigentlich keine dafür passende Widmung vorhanden ist. Im Freiland oder Grünland sind oft nur landwirtschaftliche Nutzungen erlaubt. Hier weiß Bogensberger aus Erfahrung, dass die Bauherren und ihre Planer oft "alle möglichen Spagate veranstalten, um das Ferienhaus als Bauernhaus, Auszugshaus oder landwirtschaftliches Nebengebäude zu deklarieren".

Alter Streitpunkt

Neben den Tiny Houses, die vor allem in jüngster Zeit oft für Konflikte sorgen, sind Flachdächer schon weit länger ein Streitpunkt. "Im Prinzip haben Architektinnen und Architekten in den vergangenen 70 Jahren versucht, dem ‚konservativen‘ Steildach den Kampf anzusagen und Flachdächer zu etablieren", sagt Bogensberger und kennt auch den Hintergrund: In der Nazizeit war das Flachdach verpönt, und "heimattreues" Bauen mit steilem Dach war oft per Zwang vorgeschrieben. "Die Flachdächer stellten nach dem Krieg ein sichtbares Ausbrechen aus dieser fatalen Ideologie dar."

Nun sehe man aber langsam, dass bestimmte Bauformen sich tatsächlich "schwerer in ein harmonisches Landschaftsbild eingliedern", sagt Bogensberger. Das Flachdach gehört dazu – und der Experte vergleicht es mit Lärm: Ähnlich wie laute Musik kann es im Landschafts- oder Stadtbild auch visuelle Reize geben, die eine gewisse Grundharmonie stören – "das geht über das Private hinaus", sagt Bogensberger –, etwa auffällige Werbungen, schrille Farben und besonders in hügeligen Gegenden große Baukörper und Flachdächer. (Bernadette Redl, 9.8.2020)