Voilá, Lisa Eckhart! Sie studierte in Paris und Berlin, heute lebt sie in Leipzig.

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Es mangelt weiß Gott nicht an Autoren, die sich an der eigenen Familie vergehen. Das Leben schreibt nämlich die besten Geschichten, sagen die heillosen Naturalisten, wann immer es ihnen an Einfällen fehlt. Besonders die Kaste der Großeltern ist ein beliebtes Sujet vieler schriftelnder Enkel.

Und ganz gleichgültig, welche Epoche – jede Erzählung von Großeltern hebt stets mit einer schweren Zeit an. Eine Zeit der Entbehrung, des Hungers, der Not, welche zum lichten Horizont blickt, dem Horizont des Enkelglücks. Und von da an wird geschmachtet, dass die Seiten transpirieren: Der Opa hat mir den Weltlauf erklärt, die Oma hat mir was Gutes gekocht.

Selbst Thomas Bernhard, der Großmarketenderin des Schimpfes, welche sich naturgemäß jedes nette Wort verbittet, zerfließt beim Suhlen in Großvaters Spuren das Ressentiment zum Sentiment.

Hommage oder Rufmord

Dem gemeinen Leser mag das freilich imponieren, da er, für Kunst so taub wie blind, stets Wahres dem Erdachtem vorzieht. Das Leben meiner Großmutter, welches ich hier niederschreibe, hat sich fürwahr so zugetragen, wie ich es behaupten werde. Das soll mein Werk jedoch nicht schmälern. Dies ist eine Aufarbeitung – nur nicht die meine.

Es bleibt dem Leser überlassen, ob er diese Biografie als Hommage oder als Rufmord erachtet. Ich vermag darüber nicht zu urteilen. Wenn ich von meiner Großmutter erzähle, so zeichne ich in jedem Falle keinen von Krieg und Besatzung geprägten, von Ehen enttäuschten, vom Alter gerächten, tätschelnden, verhätschelnden Archetyp des weisen Ahnen. Großmutter hat mir die Welt nicht erklärt. Ich erkläre sie dem Leser. Anhand des Lebens meiner Großmutter.

Großmutter starb kurz nach meiner Geburt. Ich war bereits vier Tage alt, verweigerte aber seit der Entbindung jede selbstständige Körperfunktion. Offenbar sah ich nicht ein, nach der ausreichend unwürdigen Existenz eines uteralen Mitessers sogleich mit der nächsten Unzumutbarkeit des menschlichen Daseins konfrontiert zu werden – jener, fortan tagtäglich zu koten, die herrlichsten Speisen zu Stuhl zu entstellen und in Scham zurückgezogen aus meinem Leib zu exorzieren.

Ich wollte nicht wahrhaben, dass meine neugewonnene Würde als Körpereigentümer mit solch einer Abscheulichkeit verbunden sein sollte. Wie kann es dem Menschen gelingen, einst zu reinem Geist zu werden, sich den Göttern gleich zu machen und die Gestirne zu Boden zu ringen, wenn er doch metertief durch Dung stakst?

Desaströse Verstopfung

Langer Rede kurzer Sinn, ich litt an desaströser Verstopfung. Ich hatte großen Appetit, doch ebensolchen Futterneid, der mich sogar dahin trieb, die mir kredenzte Muttermilch selbst verdaut nicht herzugeben. Was in meiner Krippe lag, waren strampelnde Fäkalien, von einer dünnen Schicht Säugling ummantelt. Besorgt, ich könnte implodieren, suchte meine Mutter Rat. Und zwar bei ihrer eigenen Mutter. Sie eilt zu ihrem Elternhaus und übergibt der Muttermutter ihr kotfarciertes Töchterchen.

Meine Großmutter väterlicherseits verspürt exakt in diesem Moment nur wenige Kilometer entfernt einen dumpfen Stich im Herzen. Die Muttermutter schnitzt derweil aus einem Seifenstück ein kleines, kindgerechtes Zäpfchen, welches mir ungeniert und formlos in die streikende Öffnung gesteckt wird. Die Vatermutter stützt sich keuchend mit einer Hand am Esstisch ab. Die andre presst sie an die Brust.

Sie ruft verzweifelt nach dem Gatten. Nach diesem rief sie heute aber leider schon zweimal zuvor. Erst, als die Eieruhr geklemmt hat, und später, als der Müllsack voll war. Darum rührt er sich jetzt nicht mehr. Irgendwann muss auch mal Schluss sein. Soll das denn ewig so dahingehen? Sie stelle sich vor, er wäre tot! Sie Witwe und allein zu Haus. Sie muss endlich lernen, auf eigenen Beinen zu stehen. Doch die eigenen Beine haben eben versagt.

Seife im Auspuff

"Das funktioniert nicht! Hol es raus!", hechelt meine Mutter panisch. Als wäre es nicht schlimm genug, dass ihr Kind voll Exkrement ist, doch nun steckt ihm auch noch die Seife im Auspuff. Die Muttermutter mahnt bestimmt, sie möge endlich Ruhe geben. Die Vatermutter ist schon ruhig. Ihr fröstelt von dem kalten Schweiß, welcher ihre Bluse tränkt. "Ich glaube, da kommt was!", stammelt die Mutter und stiert gebannt auf meinen Anus.

Und in der Tat, das Seifenzäpfchen lugt bereits verschämt hervor, als hätte es sich umgesehen und wisse nun nicht recht, wie sagen, dass gerade ihm als Seife, als großer Freund der Sauberkeit und Adept der Asepsis, dieser Wohnort nicht behage. In Zeitlupe entwindet es sich dem konstipierten Enddarm und ein jeder schien gespannt, ob es die Zeit darin genutzt hat, auch die Fäkalien zu mobilisieren und sie zum Ausgang zu geleiten.

Wie Orpheus aus der Unterwelt steigt das blütenweiße Fettstück immer weiter ans Licht. Im Schlepptau hinter sich, so hofft man, die anverdaute Angetraute. Bald kann der kleine runde Muskel das Stückchen Seife nicht mehr halten. Er lässt es einfach achtlos fallen. Das Tor in den Körper steht weiterhin offen. Der Mund der Mutter ebenso. Der Erwartungsdruck von außen ist größer als der Druck von innen.

Wo Barthel den Most holt

Das Tor wird wieder zugezogen. Da staunt selbst die Muttermutter. Das soll es jetzt gewesen sein? Die Vatermutter ächzt benommen. Sie ruft abermals um Hilfe. Jetzt wird es dem Gatten aber zu bunt. Jetzt zeigt er ihr, wo der Barthel den Most holt. Und wenn sie dann schon einmal dort ist, soll sie auch gleich Bier mitbringen. Er findet sie auf dem Boden liegend, die Augen zu, der Atem flach. Er stupst sie besorgt mit der Fußspitze an.

Sie reißt erneut die Augen auf. Und exakt in dem Moment durchbricht nur hundert Meter weiter ein Rammbock aus Stuhl die Tore der Darmbastion. "Na siehst du!", lacht die Muttermutter. "Auch du, Schwiegertochter!", flucht die Vatermutter. Schnaubend rappelt sie sich auf. Das wird sie nimmermehr verzeihen. Das Enkerl zur eigenen Mutter zu bringen statt zu ihr, der Schwiegermutter, die sie bereits seit zwei Jahren kennt! Pechschwarzer Teer quillt aus dem Säugling. Die Mutter würgt. Vor Ekel und Glückseligkeit.

Die Muttermutter putzt mich ab und legt mir neue Windeln an. Als Mutter hat sie sich bislang nicht sonderlich hervorgetan. Sie war eine Matriarchin. Und die sind bekanntlich weniger damit beschäftigt, die Tränen ihrer Kinder zu trocknen, denn ihre Gatten zum Weinen zu bringen.

Doch das soll nun vergessen sein. Was ihr als Mutter auch misslang, wird ihr als Großmutter gelingen. Die Muttermutter wiegt mich im Arm. "Wenn das nächste Mal was ist, kommst einfach wieder direkt zu mir."

Darfst mich Mutter nennen

Drei Tage später war sie tot. Verunglückt bei einem Fahrradunfall. Beziehungsweise einem Autounfall. Beide Fahrzeuge waren verwickelt, und ich weiß nicht, welchem der zwei man im Falle eines Unfalls bei der Bezeichnung Vorrang gibt. Das Auto gab ihn jedenfalls nicht. Das räumte das Fahrrad, auf dem die Muttermutter saß, einfach anstandslos von der Fahrbahn.

"Das ist ja schrecklich!", wehklagt die Vatermutter lauthals. "Und das nur eine Woche, nachdem sie Großmutter wurde! Schrecklich ist das, schrecklich!" Sie nimmt meine Mutter lang in den Arm und blickt über ihre Schulter zu mir, die ich weit davon entfernt bin, irgendetwas zu verstehen.

Ich bin froh, mich an ihr Lächeln, das sie mir damals heimlich zuwarf, nicht mehr zu erinnern. Sie löst die innige Umarmung mit meiner frisch verwaisten Mutter und deklariert ihr feierlich: "Das bekommen wir schon hin. Dann ist die Lisa halt bei mir. Und du, du darfst mich Mutter nennen."

Die wahre Großmutter

Der Lenker des Autos beging übrigens Fahrerflucht. Man fand bis heute nicht heraus, wer ihren Tod verantwortet hatte. Großmutter – das heißt die Vatermutter, welche wir von hier an nur mehr Großmutter nennen, als hätte es nie eine andre gegeben – hat für den Tag kein Alibi. Aber natürlich war es nicht sie, die den Unfallwagen lenkte. Natürlich war’s ein anderer, der ihr diesen Traum erfüllte. Natürlich ärgert es sie auch, wie schmählich einfach es sich zutrug. So wollte sie dann doch nicht siegen.

Sie wollte viel lieber über Jahre hinweg bei allen Festen demonstrieren, wer hier die wahre Großmutter ist. Sie wollte einen K. o. in der Runde und keinen Herzinfarkt beim Einmarsch. Ich sprach sie einmal darauf an, wie es wohl gewesen wäre, hätte sie mich teilen müssen. Das konnte sie sich gar nicht vorstellen. "Wo warst du denn, als es passierte?"

Fast alle Enkel dieser Welt berichten von zwei Großmüttern, die sich von Grund auf unterscheiden. Einer guten und einer bösen. Ich werde niemals wirklich wissen, welche von beiden am Straßenrand starb.

Dass jeder Mensch zwei Großmütter hat, ist kein geringeres Übel denn die fatalste Doppelbesetzung der Natur. Die Liebe der Großmutter für ihre Enkel ist unteilbar und absolut. Sie duldet keine Nebenbuhler. Sie erträgt keinen anderen Titel als den der einzig wahren Oma. Solange aber ihrer zwei sind, werden beide wohl oder übel mit scheußlichen Attributen bedacht.

Notwendige Spezifizierung

Dann spricht man von der Papa-Oma oder von der Grazer Oma oder von der Radi-Oma, die immerzu nach Rettich stinkt. Eine notwendige Spezifizierung, die jeder Großmutter ein Gräuel ist. Nach der Niederkunft entspinnt sich deswegen stets ein grausames Ringen um die Vorherrschaft. Bereits im Kreißsaal raufen die beiden um das frisch geworfene Menschlein wie welke Weiber um den Brautstrauß.

Wer darf es als Erste halten? Das erschöpfte Muttertier liegt fernab des Kreidekreises und muss ohnmächtig mitansehen, wie sich zwei todgeweihte Damen auf das junge Leben stürzen und es zu zerreißen drohen. Der blutverschmierte Säugling flutscht ihnen mehrmals aus den Händen. Beide versuchen ihn erbittert in den Strampelanzug zu stecken, welchen sie jeweils seit Wochen gestrickt haben. Welchen trägt das Kind zuerst? Sie wollen es mit dem Stoff nicht wärmen.

Der Strampler ist die Uniform, die das Kind erinnern soll, auf wessen Seite es zu stehen hat. Später werden gehäkelte Häubchen, Söckchen, Handschuhe und Schals die Montur vervollständigen. Eine Großmutter packt es am Bein. Die andere fasst es am Arm. Jede presst ein Körperteil in die selbstgemachte Kluft.

Das Blut, das noch am Säugling klebt, sickert in die beiden Gewänder und übertüncht das pastellene Garn. Die Farbwahl alleine hat die beiden Großmütter schon Monate im Vorfeld beschäftigt. Nun ist davon nichts mehr zu sehen. Nun sind es nur mehr zwei dunkelrote, nasse Fetzen. Die Krankenschwester geht dazwischen. Sie birgt das schwerst geherzte Kind und händigt es der Mutter aus. Die Großmütter zischen und ziehen sich zurück.

Jahre des Buhlens

Selten entscheidet sich der Krieg noch am Tag der Kriegserklärung. Meistens zieht er sich über Jahre. Jahre des Buhlens und des Hofierens. An Feiertagen wird der Enkel in Präsente eingemauert und mit Backwerk ausgestopft, bis die überspannte Haut transparent zu schimmern beginnt. Für den zarten Enkelkörper ist diese doppelte Versorgung eine gefährliche Belastung.

Der Biorhythmus eines Kindes erholt sich schwer von Wochenenden, an denen es so sehr verwöhnt wird, dass es bereits an Missbrauch grenzt. Zumal Großmütter bevorzugt auf kulinarische Kriegsführung setzen. Welche der beiden schöner singt oder fehlerfreier vorliest, weiß ein Kleinkind kaum zu bewerten. Aber wer die besseren Palatschinken zubereitet, wird es schnell artikulieren.

Die beiden großmütigen Giganten bieten darum ein Arsenal an Speisen auf, um einander auszustechen. Es ist kein Zufall, dass sie den Enkel fast nur mit Süßem drangsalieren. Es ist vielmehr das gezielte Bestreben, das Kind zu einem Süchtler zu machen. Die rigide Zuckerdiät führt im kindlichen Organismus bei dessen Rückgabe an die Eltern unausweichlich zu einer Reihe von Entzugserscheinungen. Schüttelfrost, Gereiztheit oder die tragische Vermählung aus Erschöpfung und Schlaflosigkeit.

Lisa Eckhart, geboren 1992 in Leoben: "Das Leben meiner Großmutter, welches ich hier niederschreibe, hat sich fürwahr so zugetragen, wie ich es behaupten werde."
Foto: Paula Winkler

Das Kleinkind wird nicht wissen, warum, aber es wird mit Nachdruck fordern, zur Großmutter zurückzudürfen. Diese heilt ihn sogleich mittels Krapfen, Schaumrollen und Strudeln. Und der Enkel hat zu genießen, bis der Darm kapituliert. Das geschieht am Höhepunkt eines großmütterlichen Zweikampfes häufiger, als man vermutet.

Kollateralschäden

Es fällt alleine deshalb nicht auf, da sich zur Verköstigung unablässiges Herzen gesellt. Mit schier unmenschlichen Kräften drückt die Großmutter den Enkel und aus ihm die verabreichten Speisen. Das beabsichtigt sie gar nicht. Sie will ihn lediglich markieren. Sie modelliert ihn nach ihrer Umarmung, als wäre er ein Stück Plastilin.

Oder ein alter Samtfauteuil, welcher über Jahrzehnte hinweg einzig von ein und demselben Gesäß eingesessen, ausgehöhlt und passend zugeritten wurde, sodass sich jeder fremde Gast darin zwangsläufig unerwünscht fühlt. So sollen sich auch Großmutters Pranken in den kleinen Körper meißeln, sodass ihre Kontrahentin sich darin nur nicht wiederfindet.

Natürlich aber versuchen das beide, was die Physiognomie eines Kindes mitunter sehr beeinträchtigen kann. Viele verwachsene Figuren sind auf diese Weise entstanden. Doch auf Kollateralschäden können Großmütter keine Rücksicht nehmen.

Sparbuch und Wohnort

Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt. Und niemals sind diese beiden Motive fataler verstrickt als im Widerstreit um den Enkel. Welche der beiden am Ende obsiegt, hängt neben Koch-, Deklamier- und Gesangskunst noch von einer Vielzahl ökonomischer und geostrategischer Faktoren ab. Wer mit dem dickeren Sparbücherl winkt, ist von Beginn an klar im Vorteil. Wer näher am Enkel wohnt, wird mit Sicherheit öfter besucht und erhält mehr Möglichkeiten, ihn zu bezirzen und zu verführen.

So laut und polternd auch der Krieg, so leise ist zuletzt die Vernichtung. Ein flüchtiger Glanz im Auge des Enkels beim Öffnen eines Geburtstagsgeschenks. Ein zutiefst befriedigtes Stöhnen beim ersten Bissen einer Torte. Es wird ein stummes Urteil sein. Der Enkel fällt es nicht bewusst. Gleichwohl wird es nicht unbemerkt bleiben.

Die geschlagene Großmutter lässt unverzüglich von ihm ab. Sie nimmt ihren Kuchen und die ungeöffneten Geschenke und räumt gesenkten Haupts das Feld. Für jene, welche man fortan nur mehr Oma nennen wird. Sie wird im Exil verhärmen und auf jedes Besuchsangebot entgegnen, keine Zeit zu haben.

Sie wird die Kakao- und Zuckerldosen entsorgen, die nunmehr niemanden mehr locken. Während die siegreiche Großmutter von da an immer runder wird, wird sie immer magerer. Sie wird von ihrem Fenster aus auf die Nachbarskinder schimpfen, wenn diese nur ans Ballspielen denken.

Komme, was wolle ...

Es bedurfte keines Freud, um in Kindern die Ahnung zu wecken, dass die Liebe einer Mutter eine zutiefst unethische und amoralische Empfindung ist. Das leuchtet jedem Kinde ein. Es wird ihm spätestens bewusst, wenn ihm die Mutter einmal recht gibt, obgleich es tief im Unrecht liegt und die Mutter dies auch weiß.

Wenn die Mutter das Kind tröstet, nachdem es andre Kinder schlug und sich dabei die Hand verstauchte. Denn eine Mutter liebt ihr Kind. Komme, was wolle. Sie liebt ihr Kind bedingungslos, wenn nicht sogar besinnungslos. Solch eine herrische Neigung zum Kind kann durch nichts gewonnen und durch nichts verloren werden. Sie ist intrinsisch motiviert, das heißt, sie kommt direkt aus der Mutter.

Diese unerschütterliche Liebe ist allerdings gerade aufgrund ihrer Unerschütterlichkeit vollkommen wertlos. Denn sie verwischt den Unterschied zwischen der zwanghaften Treulosigkeit einer Dirne, deren Beine jedem offenstehen, und der zwanghaften Treue der Mutter, deren Arme nur das Kind umschließen.

Die Prostituierte gibt dem Mann also nicht etwa das, was die Mutter verwehrt hat, sondern exakt dasselbe Gefühl, welches er mit der Mutter verbindet: Willkür. Prostituierte nehmen jeden, und das tut die Mutter auch, vorausgesetzt, es ist ihr Kind. Nun ist nicht jeder Mensch ihr Kind, doch ihr Kind kann jeder sein.

Ob Musterknabe oder Mädchen, ob Priester oder Päderast, der Mutter ist das einerlei. Die Mutter würde ihrem Kind wohl auch den Muttermord verzeihen, wäre sie dazu noch imstande. Sie ist ein Fundamentalist, welcher sich stets auf die Seite des Kindes schlägt, da diese praktischerweise auch immer ihre Seite ist. Sie bildet mit der Leibesfrucht eine fötale Front gegen die gesamte Welt. (...) (Lisa Eckhart, Vorabdruck aus "Omama", 9.8.2020)