Wieder mal ist eine eigentümliche Phrase in den Alltagsjargon geraten.

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Was haben nicht nur Sebastian Kurz und Werner Kogler, sondern auch Martin Kušej, Eva Dichand und Lisz Hirn gemeinsam? Nun, sie sind allesamt Überträger einer immer häufiger verwendeten Kombi aus Konjunktion, Partikel und Komma, die da lautet: "Und ja,". Ganz unterschiedliche Leute nutzen sie, als sei sie das Selbstverständlichste auf der Welt. Auch ich. Selten, aber doch unterläuft sie mir, also mich.

"Und ja," gehört zur neuen Generation der Floskeln, sie ist Mitglied der demokratiepolitischen Nomenklatur. Dieser Konsens wurde zwar nicht verordnet, prägt aber die aktuelle Sprachverkehrsnovelle. Wieder mal ist eine eigentümliche Phrase in den Alltagsjargon geraten. Wobei der Terminus Phrase übertreibt, unsere Kombi ist minimalistisch auf das Formale reduziert. Bar jeden Inhalts, ist sie doch für diesen tongebend und von elementarer Bedeutung.

Die serielle Reproduktion dieser Redeweise ist erstaunlich. Immer mehr sehen sich veranlasst, diese in ihre Reden einzuflechten. Niemand sucht nach dieser Formulierung, sie findet einen, ergreift einen, geschieht. Dazu braucht es weder Schulungen noch repressive Maßnahmen, wir funktionieren auch so, indem wir reden, was wir hören. Wir schnappen es auf. Wir kriegen nicht einmal mit, was wir abkriegen. So baggert es sich fest, gerät langsam, aber beharrlich in unsere Sätze.

Virales Vokabular

Dieses virale Vokabular ist ansteckend. Immer mehr Speaker werden positiv darauf getestet, sind Spreader. Und es vergeht auch nicht, wenn man es einmal ausgesprochen hat, es kommt stets wieder. Was will uns die Sprache durch ihre Sprechpuppen sagen? Wer hat das "Und ja," in die Welt gesetzt? Wohl niemand. Und auch wenn jemand der oder die Erste gewesen sein muss, war das keine Absicht, sondern nur fällige Erledigung. An sich ein Zufall, für sich jedoch ein Fazit.

"Und ja," wurde nicht erfunden, es hat sich hergestellt und aufgedrängt. Es gibt Formulierungen, die verschwinden, und es gibt welche, die steigen auf. "Und ja," gehört zur letzten Sorte. Zumindest hierzulande gibt es kaum eine Politikerrede, die ohne "Und ja," auskommt.

Was aber drückt sich in dieser eigentlich nichtssagenden Redewendung aus? Es handelt sich jedenfalls um keine gezielte Strategie, sondern um ein synthetisches Resultat. Das Ergebnis, obwohl von niemandem angestrebt, ist trotzdem verfügend. "Und ja," ist freilich kein Begriff, sondern formatiert den Satz durch Bruch und Betonung, obwohl dies nicht erforderlich wäre.

Der Satz verliert an Ästhetik, gewinnt aber an Dramatik. Man hat ihn nicht nur zu verstehen, man hat ihm Beachtung zu schenken. "Und ja," sagt nichts Zusätzliches, es bläst das noch zu Sagende affirmativ auf. Solch Sätze erhalten Ornamente, die auffallen sollen. Das tun sie, zweifellos.

Ein Satz, der mit dieser Floskel gesprochen wird, wirkt anders als Sätze, die ihrer entbehren. Jener wird von einer Aussage zu einer Bestimmung. Die kritische Varianz der Interpretation wird ihm entzogen und durch ein Postulat ersetzt. Verzierung fungiert als vorweggenommene Verifizierung. Die Botschaft beweist sich nicht durch die Kapazität, sondern durch die Form ihrer Aufladung.

Formulation

Formale Betonungen funktionieren anders als inhaltlichen Füllungen, etwa das Gerede von den Werten, vom Reformstau, in letzter Zeit auch das vermehrte Bemühen des Hausverstandes und von den Heldinnen und Helden im Zeitalter von Corona. Unser Einsprengsel dient vielmehr als Zünder. "Und ja," das ist kein Vorschlag, sondern ein Anschlag, funktioniert nicht als Angebot, sondern als Gebot. Was folgt, ist eine Aufwertung durch grammatikalische Modulation. Aus der Formulierung wird eine Formel. Hinterhältigkeit stapelt sich hoch zur Nachhaltigkeit.

Diese Rede ist kein Akt einer selbstbewussten Setzung, es handelt sich also nicht um eine gewählte oder gar gepflegte Formulierung, sie agiert analog etwa einem Baustein linguistischer Modulation. Man könnte sie, abgeleitet aus den Begriffen Formulierung und Modulation, guten Gewissens als Formulation bezeichnen.

Als Formulation hat sie nichts Individuelles, sondern etwas Konjunkturelles. Zurzeit spricht man halt so. Ihr Einsatz muss trotzdem dosiert werden. Es gilt, das richtige Maß zu finden. Eine zu gedrängte Wiederholung in ein und derselben Rede ermüdet mehr, als sie aufweckt. Hervorgehoben kann nur werden, was nicht dauernd hervorgehoben wird.

"Und ja," ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Redewendung. Durch ihren Einsatz nimmt die Rede eine spezifische, und zwar ausschließlich formale Wendung. "Und ja,"-Sätze erfahren also eine Zäsur, wo sie gar keine brauchen. Der Rede wird zwar die Flüssigkeit durch diese Unterbrechung genommen, doch gerade diese erzeugt Aufmerksamkeit, Marke: "Aufgepasst!", "Hergeschaut!", "Hört, hört!", "Jetzt kommt’s!".

Dekonstruktion

Doch was kommt, wäre auch gekommen, nun kommt es durch den Interruptus nur anders rüber. Verzögerung macht Druck. Ungemein. Sie verleiht den Sätzen pointierten Eifer. Das Accessoire macht den Unterschied. Flugs wird unterstellt, dass die Aussage nicht bloß eine Antwort darstellt, sondern vielmehr die Antwort ist.

Der Satz versteigt sich zu einer autoritären Ansage, die gerade durch den eliminierten Rhythmus unterstrichen wird. Was der Floskel folgt, wird durch diese illuminiert und immunisiert. "Und ja," ist offensiv und defensiv in einem, ist Speer und Schild.

"Und" ist eine Konjunktion und wohl eines der häufigsten, vordergründig aber unauffälligsten Wörter, die wir tagtäglich nutzen. Es umreißt eine schlichte Verbindung. Als Bindewort alleine ist es meist nur mit einem Fragezeichen möglich. Das hat sich geändert.

"Ja" ist eine Partikel und gehört in eine Klasse von Funktionswörtern. Allerdings gibt dieses "Ja" im "Und ja," keine Antwort auf eine vorangegangene Entscheidungsfrage, es unterstreicht vielmehr die noch kommende Aussage. Vor allem ist dieses "Und Ja," zeitlich vorgelagert, es bildet keinen Abschluss, sondern einen Auftakt.

Das "Ja" erhält durch das "und" und den Beistrich zusätzliches Gewicht. Dieses Triumvirat der Intonation beherrscht den Satz, obwohl es selbst nichts zu sagen hat. Angemerkt sei, dass neben "Und ja," auch "Aber ja," oder einfach nur "Ja," unablässig in Reden eingeflochten werden, als sei etwas unbedingt zu befürworten. Die Rede steht nicht für sich, sondern sie bedarf einer zusätzlichen Stützung. Bejahung wird mitgeliefert und einfordert. Das Auditorium soll nicht nur eingebunden, sondern angebunden werden.

Totschläger der Kritik

Scheinbar haben Konjunktion und Partikel geheiratet. Das ist aber nicht unbedingt neu. "Und" und "Ja" waren schon liiert, wenngleich andersrum. "Und ja," kann nämlich auch als Umkehrung der Suggestivfrage "Ja und?" gelesen werden. "Ja und?" hat im Tonfall indes eine schnippische und abschasselnde Note, deren grenzgeniale These lautet: Es ist, wie es ist. Sie ist wirklich ein primitiver Totschläger der Kritik, weil sie ganz apodiktisch die Frage infrage stellt.

Im Zeitalter, wo Affirmation als Kritik aufzutreten versteht, hat das "Ja und?" an Einfluss eingebüßt. Es ist zu direkt, zu offensichtlich, klingt auch gar nicht pluralistisch und offen. Das Autoritäre hat in der Demokratie nicht autoritär aufzutreten. Von einigen Populisten abgesehen, wagt kaum ein Politiker einer Frage mit "Ja und?" zu begegnen, das erschiene dreist. Mit "Und ja," aber ist er auf der sicheren Seite. Heimtücke schlägt Frechheit.

Anmache

Auch das Komma ist immens wichtig, weil erst dadurch die Unterbrechung ihren Klimax erreicht und bemerkbar wird. Man hört die Pause richtig mit. Bedeutung wird erhöht, indem eine Zäsur stattfindet, wo gar keine ist. "Und ja," ist eine Sprechblase, die im entscheidenden Moment aufpoppt. In diesem Platzen gleich nach dem Komma, liegt ihre entscheidende Relevanz. Es geht also um die Intonation des Satzes.

Die Pause, die der Beistrich konstituiert, ist signifikant betreffend der Erzeugung und Maximierung von Aufmerksamkeit. "Jetzt aber". Das mögliche Nein wird in dieser Sprachverordnung nicht bloß reell abgedrängt, es ist ideell verdrängt. Es soll nicht einmal möglich erscheinen. Ein Nein wird als störend empfunden.

"Und ja," sorgt für eine Verstärkung. Aber warum muss man verstärken, und warum müssen alle immerzu verstärken? Gegen was und wen müssen sie sich starkmachen? Warum brauchen Sätze solche Stützen? Warum reicht es nicht zu sagen, was ist, oder noch besser: was warum ist?

"Und ja," unterstellt auch, dass es so weitergehen soll wie bisher, es unterstellt weiters eine Fatalität, dass es lediglich so gehen kann, wie es geht und gegangen ist. Verunsichern verboten, positiv denken! Ungewissheiten bedürfen also der Modulation. Schwäche muss kaschiert, Sätze müssen ausstaffiert werden.

Verunsicherung verlangt als Gegengewicht der Selbst- und Fremdversicherung in der Sprache. Rhetorik und Jargon erledigen das. Der Gedanke, dass ein Satz hohl sein könnte, soll durch einen Sprachtrick retuschiert werden. Jedes Wischiwaschi wird salopp weggewischt.

Satz braucht Zusatz

"Und ja," ist mehr als eine Sprechblase. Es ist von Bedeutung, ob man sie einstreut, oder ob man es nicht tut. Satz braucht Zusatz. Inhaltlich mag das leeres Gerede sein, aber formal pusht es jede Aussage zur These. "Und ja," wirkt als Leuchtstift, als Marker. Gibt mehr her als dies Füllwörter vermögen, man denke etwa an "eigentlich" oder "irgendwie".

Derlei Floskeln schwächen den Satz sukzessive ab. Ich selbst neige gelegentlich zu einem kleinlauten "irgendwie", was jede Aussage sogleich depotenziert. Der Redner desavouiert sich ungewollt selbst. "Irgendwie" ist irgendwie blöd. Da ist es sogar noch besser, des Öfteren "ah", "äh" und "öh" zu sagen. Programmatisch gewinnt der Satz durch ein "Und ja," nichts. Formal jedoch setzt er eins drauf, setzt somit auf Überdeterminierung. Insbesondere das "Ja" fungiert als insistierender Treibsatz. Es geht um ein penetrantes Erzeugen von Beachtung. Der Vortrag trägt nicht bloß vor, er macht an.

Es ist eine Anmache, die ankommt, aber nicht als solche wahrgenommen wird. Nur weil es nicht prickelt oder ärgert, heißt das nicht, dass es nicht wirkt. Es wirkt. Reklame sitzt bereits integriert im Satz, unabhängig davon, was gesagt wird. Die formelle Nötigung steht vor dem inhaltlichen Angebot.

Die Kumulation dieser Phrase ist nicht einfach zufällig. Sie ist elementar. Warum? Welche gesellschaftlichen Entwicklungen erzwingen diese Wortwahl? Ein Original ist nicht auszumachen. Originell ist die Floskel ebenso wenig. Warum sind wir bis geschätzt 2015 weitgehend ohne sie ausgekommen? Was bezweckt sie, woher kommt sie, was treibt sie und wozu und wohin?

Kompostiertes Gerede

Indes fehlen mir das sprachanalytische Vermögen und das theoretische Werkzeug, das hier Angedachte auch wirklich fundiert zu untersuchen. Ich gehe aber davon aus, dass diese Diktion weder Zufall ist noch Absicht. Es gilt sich also an Begründungen zu wagen. Diese Mutmaßungen sind Anstoß und Anreiz dazu. Freilich ist es überraschend, dass die gesamte Sprachwissenschaft (soweit ich es übersehe), bisher von dieser seltsamen Kombinage nicht einmal Notiz genommen hat.

"Und ja," funktioniert wie eine suggestive Pumpe. "Und ja," ist aufgrund seiner Häufung eine verbale Belästigung. Sprache wird zu einem kompostierten Gerede. Sie versinkt im Müll, und keine Mülltrennung kommt beim Sortieren nach. Welch Mode modert hier? Haben wir etwas zu sagen? Eher nicht. Können wir sprechen? Halbwegs. Aber reden können wir zweifellos. Und wie. Und ja. (Franz Schandl, 8.8.2020)