Über die Einweisung eines wohlhabenden 61-Jährigen musste ein Schöffengericht in Wien entscheiden.

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Wien – Dass die persönliche finanzielle Situation vor Gericht sehr wohl eine Rolle spielt, zeigt sich im Verfahren um die Einweisung von Walter S., der seinen Erwachsenenvertreter mit einem Messer attackiert haben soll. Denn der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann spricht sich in seinem Gutachten recht deutlich für eine bedingte Einweisung des 61-jährigen Betroffenen aus: "Wie wir gehört haben, verfügt er über erhebliche Mittel. Er kann sich die besten Ärzte leisten und würde wahrscheinlich besser betreut werden als in einer Anstalt."

Die Mittel von S. sind tatsächlich erheblich. Als das Schöffengericht unter Vorsitz von Christian Böhm, der allerdings primär als Schriftführer agiert und seine Richteramtsanwärterin verhandeln lässt, die Generalien des Betroffenen überprüft, zeigt sich das bei der Frage nach seinem Einkommen. "30.000 Euro im Monat, glaube ich. Also vor Steuern", sagt der Betroffene, der durch eine Erbschaft in den Besitz von Mietwohnungen gekommen ist.

Über 130.000 Euro im Jahr für Erwachsenenvertreter

Aus Sicht des Verteidigers Elmar Kresbach ist das auch der Grund für den Vorfall vom 20. März in Wien-Döbling. Denn S. war mit seinem Erwachsenenvertreter, einem Wiener Rechtsanwalt, nicht mehr zufrieden. Wie Kresbach in seinem Eröffnungsplädoyer zum Unmut des Staatsanwalts bekannt gibt, verdiente der Vertreter im Jahr über 130.000 Euro – denn das Honorar des Erwachsenenvertreters richtet sich nach dem Vermögen des Klienten.

Im August 2019 entschied das Bezirksgericht Döbling sogar, dass S. einen neuen Erwachsenenvertreter bekommen sollte – der Anwalt wollte das nicht wahrhaben und legte Rekurs ein. Auch am Tattag ging es um die Causa, der Anwalt besuchte mit seinem Sohn S. in dessen Wohnung.

Was dort wirklich passiert ist, lässt sich schwer sagen. Der Betroffene schildert es so: Der Anwalt habe ihn entmündigen lassen wollen, um zu seinem Geld zu kommen. "Ich war etwas ärgerlich", gibt S. zu. So sehr, dass er ein Küchenmesser nahm und dem Anwalt in die Wange stach. Allerdings nicht fest – laut Gutachten handelte es sich um eine maximal 0,5 Zentimeter breite Wunde, die Waffe kann also nicht tief eingedrungen sein.

Messer lag "unglücklicherweise da"

S. sagt, er habe spontan gehandelt. "Wenn ich nachgedacht hätte, hätte ich es nicht getan." Das Messer sei "unglücklicherweise dagelegen, da mein Mitbewohner damit immer Obst schneidet". Dass er, wie das Opfer und dessen Sohn sagen, damit drohte, der Anwalt werde "nicht lebend rauskommen", bestreitet der Betroffene. Der Anwalt sei "ein notorischer Lügner", ist er überzeugt. "Er hat mich und meine Häuser als seinen Besitz betrachtet."

Ob das stimmt, ist unklar. Staatsanwalt und Verteidiger verzichten auf die Einvernahme der Zeugen, es hängt also von dem Gutachten ab, das Sachverständiger Hofmann erstellt hat. Der kommt darin zum Schluss, dass S. infolge "massiven Alkoholkonsums" zum Tatzeitpunkt an einer psychischen "Instabilität" gelitten habe. Hofmann geht von einer "paranoiden Erlebniserfahrung" aus – der Betroffene hat sich aus seiner Sicht also die Gier des Anwalts eingebildet.

Allerdings, konzediert der Experte, sei S. mittlerweile in einer viel besseren psychischen Verfassung. Hofmann geht daher davon aus, dass eine Einweisung nicht nötig ist, wenn der Betroffene sich von Alkohol fernhält, was man auch labortechnisch überprüfen könne. Der Senat folgt dieser Einschätzung und spricht eine bedingte Einweisung samt Auflagen aus. Sowohl der Staatsanwalt als auch Kresbach und der neue Erwachsenenvertreter von S. sind einverstanden, die Entscheidung ist daher rechtskräftig. (Michael Möseneder, 7.8.2020)