Queen of Pop-Art: Bei der Eröffnungsschau "The Beginning" versammelte Angela Stief Knalliges aus Österreich in der Albertina Modern.
Foto: Sandro E. E. Zanzinger

Mehr weibliche Positionen, unbekanntere Künstlerinnen und Künstler ausstellen, Lücken im Kunstkanon füllen. Angela Stief beginnt schneller zu sprechen, wenn sie erzählt, was sie alles als neue Chefkuratorin an der Albertina Modern in Wien vorhat. Obwohl sie ihre Stelle erst Mitte Juli antrat, blickt sie zielsicher durch ihre markante Brille – sie weiß genau, was sie will.

In diesem Sinn passt Stief zu ihrem neuen Chef: Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder weiß ebenfalls, wohin es gehen soll. Stief ist ein strategisch passender Baustein für sein Prestigeprojekt: neues Museum, neue Sammlung, neue Kuratorin. 2019 holte Schröder sie ins Team für die Eröffnungsausstellung The Beginning. Die Zusammenarbeit gefiel ihm derart, dass er Stief in die Auswahl für das Chefkuratorium aufnahm. Schließlich setzte sie sich als "ideale Verstärkung" für das Haus durch.

Abseits des Mainstreams

In The Beginning konzipierte Stief das – durchaus umstrittene – Kapitel unter dem Neologismus Pop Art in Österreich und machte sich für das Werk von Künstlerinnen wie Dóra Maurer stark. Neben ihrer Fachkompetenz, war es auch das Denken abseits des "Mainstreams in der Kunstgeschichte", das Schröder zu seiner Wahl bewegte. Eine Herangehensweise, die sich durch Stiefs Lebenslauf sowie ihre kuratorische Arbeit zieht. Möchte man diese beschreiben, braucht es Begriffe wie feministisch, divers und jung.

1974 in Augsburg geboren, zog Stief 1995 zum Studium nach Wien, von 2002 bis 2013 war sie Kuratorin an der Kunsthalle Wien. Mit innovativen Gruppenausstellungen holte sie nicht nur weibliche Pop-Art ans Haus, sondern zeigte auch Outsider-Positionen und queere Mode sowie Performancekunst.

Danach kuratierte sie frei, schrieb als Kunstkritikerin, gründete 2016 einen Verein zur Förderung von Kunst in zwischengenutzten Räumen und berät seit zwei Jahren die Vienna Art Week. Stief kennt die Szene, ist bestens vernetzt: Ehemalige Kollegen schwärmen von ihr, beschreiben sie als Teamplayerin und Arbeitstier.

Politisch, kritisch, laut – unbequem

Dennoch ist ihre Bestellung an das Bundesmuseum überraschend. Denn Angela Stief ist kein unbeschriebenes Blatt: Wolfgang Zinggl, ehemaliger Kultursprecher der Grünen, kennt sie schon lange und lobt Schröders mutige Entscheidung, denn Stief sei ein "kritischer Geist", der sich bei Missständen durchaus äußert. "Sie ist eine Koryphäe in der Kunstwelt, bequem ist sie aber sicher nicht." Schröders Baustein hat also ein paar Ecken und Kanten. Dass Stief so eine klare Haltung habe sowie deklarierte Feministin sei, habe für sie gesprochen, betont der Direktor.

Nachdem 2012 etwa 90 Prozent der Belegschaft der Kunsthalle Wien gegen die Rückkehr des suspendierten Direktors Gerald Matt stimmten, positionierte sich auch Stief zur Causa. Zwar trat Matt zurück, allerdings wurden alle Vorwürfen gegen ihn eingestellt. "Das Recht spricht nicht gerecht", resümierte sie. In Folge politisierte sie sich, wurde Mitglied bei den Grünen, engagierte sich als Bezirksrätin in Wien-Margareten und nahm an politischen Aktionen teil: Sie verstellte Norbert-Hofer-Plakate vor der Bundespräsidentschaftswahl und radelte gegen rechts. Immer wieder kommentierte sie den Machtmissbrauch in Kulturbetrieben, teilte dazu Beiträge auf Social Media.

Ironie des Schicksals?

Dass sich darunter auch ein durchwegs kritischer Kommentar zur Übernahme der Sammlung Essl durch die Albertina findet, ist aus heutiger Perspektive mehr als ironisch. Nun ist sie für ein Haus zuständig, das allein wegen dieser Sammlung errichtet wurde. Spricht man Stief auf die Hintergründe des Einzugs in das Künstlerhaus an, blockt sie ab und lobt hingegen den Verdienst Schröders. Ihre Meinung dazu scheint jetzt nicht mehr so drastisch zu sein, ihr kritischer Geist versteckt. Wie viel Kritik kann sie sich in so einem Haus noch leisten?

Obwohl sich Schröder innovative Programme von Stief erwartet, bleibt fraglich, wie frei sie diese umsetzen können wird. Nicht zuletzt steht die Albertina für Ausstellungen, die auch für ein Massenpublikum tauglich sein möchten.

Freiheit mit Gegenwind

Letztes Jahr wäre sie einem Wechsel an so eine Institution skeptisch gegenübergestanden, glaubt Robert Punkenhofer, Direktor der Vienna Art Week. Viel zu wichtig sei ihr die kuratorische Freiheit gewesen. "Andererseits hat sie dort andere Möglichkeiten – wenn man sie auch lässt", sagt er. Frischen Wind werde sie mitbringen. Wie stark der Gegenwind sein wird, muss man abwarten.

Natürlich werde sie ihre Ausrichtung an das Haus anpassen, sagt Stief, die dort für die zeitgenössische Kunst zuständig sein wird. "Ich werde nicht die Gesamtausrichtung der Albertina verändern, das will ich auch gar nicht." Vielmehr möchte sie die Sammlungen des Hauses nutzen und bekannte und unbekanntere Positionen verbinden.

"Populär, aber nicht populistisch"

Dies kann natürlich auch, wie bei dem Kapitel der österreichischen Pop-Art, leicht gezwungen wirken, werden dabei Künstler in eine Rubrik gepresst, die es so per se nicht gibt. Ganz nach ihrem Motto "populär, aber nicht populistisch" möchte Stief aber auch die Folgeschau The Eighties gestalten.

Dafür möchte sie vorerst die Sammlungsbestände erkunden. Dies wird sie auch müssen, da Leihgaben aktuell kaum verreisen können und die Ankaufsbudgets knapp sind. Stief findet aber ohnedies, dass Museen eigene Ressourcen stärker nutzen sollten – auch gegenseitig.

"Man könnte beispielsweise indigene Kunst aus dem Weltmuseum mit Gegenwartskünstlern aus der Albertina kombinieren", schlägt Stief spontan vor. Gerade jetzt sollte man an einem Strang ziehen. Dafür müsse die Kulturpolitik aber die richtigen Weichen stellen, stellt sie fest.

Vielleicht ist es ja auch umgekehrt und die Albertina fügt sich als Baustein in die Strategie von Angela Stief ein. (Katharina Rustler, 8.8.2020)