Wer in diesen Tagen der fortgeschrittenen Corona-Pandemie kreuz und quer durch Europa reist, kann sich nur wundern. In den 27 Mitgliedsländern der Europäischen Union herrscht eine Verwirrung bei den Aussagen und Maßnahmen gegen die Virusverbreitung vor, gegen die die babylonische Sprachverwirrung läppisch erscheint.

In Frankreich, Belgien oder Luxemburg etwa kann man kein Geschäft betreten ohne den bei vielen verhassten Mund-Nasen-Schutz. Im benachbarten Deutschland ist das nur teilweise so. Aber in Bayern muss man im Restaurant Namen, Adresse und Telefonnummer angeben für eine etwaige Rückverfolgung durch Clustersucher. Sonst wird man nicht bedient.

Der Hinweis "Abstand halten" am Flughafen Wien.
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Gleich über der Grenze in Österreich ist das nicht so. Dort würde bei einer Registrierungspflicht im Gasthaus vermutlich sofort eine scharfe verfassungsrechtliche Debatte über die Einschränkung der persönlichen Freiheit losbrechen. Dafür hat die Regierung jetzt eine Reisewarnung für Spanien abgegeben. Aber nur fürs Festland. Nicht für Mallorca, und – ja, genau – auch nicht für Ibiza. Die belgische Regierung warnt ihre Bürger nur vor Reisen nach Katalonien und in die Pyrenäen.

Tohuwabohu

Dieses Tohuwabohu an Anti-Corona-Maßnahmen ließe sich endlos fortsetzen. In einigen südlichen Urlaubsdestinationen werden QR-Codes nicht einmal ignoriert. Und über allem steht ein großes EU-weites Rätsel. Kontrollen finden nur auf Flughäfen statt. Fährt man mit dem Auto, gibt es mit wenigen Ausnahmen keinerlei Einschränkungen, keine Grenzkontrollen.

Niemand registriert, wer sich wohin bewegt: Ob man ein erklärtes Risikogebiet nur durchquert oder sich dort unter die Leute mischt – es fehlt nach wie vor an breiter, für alle leicht verständlicher Aufklärung, wie man sich vernünftig verhält, an vielsprachigen, grenzüberschreitenden Informationen.

Die jüngste Initiative von Gesundheitsminister Rudolf Anschober, die Corona-Ampel, passt ins Bild: zu spät, zu bürokratisch. Die Behörden laufen den Infektionen immer nur hinterher. Das Wichtigste kommt zu kurz: Das Coronavirus ist letztlich nur durch überzeugtes Mitmachen der Bürger zu stoppen, durch mehr Bürgerpower. Aufgabe der Politik wäre es, dies in positiver Form zu fördern, nicht nur zu drohen, zu warnen. Wir alle sind gefordert, ob wir die von Christian Drosten angeregten "Kontakttagebücher" führen oder uns angewöhnen, nicht ständig die Schutzmasken auf- und wieder abzusetzen. (Thomas Mayer, 7.8.2020)