Betrifft: "Wehe dem, der "Gotts Gesetze nit erkennen mag" von Anton Thuswaldner

Dieser kluge Artikel zeigt, was für ein heller Kopf Herr Thuswaldner ist. Vernarrt in seine analytischen Fähigkeiten, in bester Gesellschaft mit Karl Kraus. Voll Begeisterung für die eigene Klugheit. So nebenbei voll Verachtung für den ungebildeten Zuschauer, den er für das Opfer dieser literarischen Perfidie hält. Das ist die Dummheit der Weisen. Die Eitelkeit is a Hund! Theaterpublikum ist sehr wohl fähig zu abstrahieren. Es lässt sich von jeder gut konstruierten Fabel fesseln.

Die Identifikation beruht auf der Verabredung, dass es sich um ein Theaterstück handelt. Die Vorgaben für die Dramatik stehen dem Dichter frei zur Verfügung, wie der Zuschauer frei ist in der Interpretation.

"Jedermann" Tobias Moretti und "Tod" Peter Lohmeyer 2020 am Salzburger Domplatz.
Foto: APA / Barbara Gindl

Die Menschen, Gläubige wie Atheisten, sind berührt und betroffen vom Jedermann. Klugscheißer, die ihnen erklären, dass sie falsch liegen, sind entbehrlich. Die Theaterkunst ereignet sich im Raum zwischen Rampe und Zuschauer – dort findet das "Fest des Augenblickes" statt! Und nicht hinter der Lesebrille des Kritikers.

Peter Simonischek, ehemaliger "Jedermann"-Darsteller bei den Salzburger Festspielen, per Mail

Unkritische Recherche

Betrifft: "Autorin des Double Bind" von Johannes Schütz

In seinem Bericht über Brigitte Schwaiger widmet der Medienwissenschafter Schütz auch deren Erfahrung in der Psychiatrie breiten Raum. Dazu gäbe es viel zu sagen, erwähnt sei hier nur, dass der Artikel vor faktischen Fehlern strotzt.

Eine Depression behandelt man nicht "typisch" mit Haloperidol. "Muskelzuckungen" werden nicht mit Carbamazepin behandelt, Neuroleptika stellen keine "chemische Fixierung" dar u. v. m. Das Schlimmste ist aber die Unterstellung, die medikamentöse Therapie von Frau Schwaiger stünde in Zusammenhang mit ihrem Suizid. Erstens widerspricht das der weltweiten Datenlage, die eindrücklich belegt, dass eine adäquate Behandlung mit Antidepressiva das Suizidrisiko deutlich vermindert, und zweitens tragen derartig unkritische Recherchen zur Stigmatisierung wirksamer Therapien psychiatrischer Erkrankungen und somit zur Verunsicherung der ohnehin schon marginalisierten Gruppe von Menschen mit psychischen Erkrankungen bei.

Wolfgang Fleischhacker, Rektor der Medizinischen Universität Innsbruck, per Mail (8.8.2020)