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Afghanistans Präsident Ashraf Ghani sprach zu beginn der Jirga.

Foto: Reuters

Kabul – Einen Tag nach Beginn der großen Ratsversammlung in der afghanischen Hauptstadt Kabul haben sich die Delegierten auf wesentliche Punkte geeinigt. So forderten die einzelnen Gremien mehrheitlich einen bedingungslosen Waffenstillstand mit den Taliban, hieß es in einer Erklärung des Hohen Rats für Aussöhnung am Samstag.

Die sogenannte Loya Jirga war von Präsident Ashraf Ghani vor rund einer Woche einberufen worden, um über die Freilassung von 400 als besonders gefährlich eingeschätzten Taliban zu entscheiden. Ihre Freilassung gilt als letzte Hürde vor der Aufnahme innerafghanischer Friedensgespräche, die seit Ende Februar geplant sind.

Umstrittene Versammlung

Rund 3200 politische und religiöse Vertreter der Gesellschaft – darunter auch etwa 700 Frauen – diskutierten seit Freitag in 50 Gremien über diese zentrale Frage. Die Mehrheit der Teilnehmer unterstützte die Freilassung, hieß es in der Mitteilung. Eine Abschlusserklärung werde jedoch erst am Sonntag veröffentlicht, sagte Abdullah Abdullah, der die Loya Jirga leitet und auch Vorsitzender des Hohen Rats für Aussöhnung ist.

Abdullah, sprach am Samstag davon, dass das Ergebnis "Leben oder Tod" für Afghanistan bedeuten würde. Und: "Ich hoffe wirkliche, dass der Rat der Jirga der Regierung helfen wird, den Friedensprozess voranzutreiben."

Die Einberufung der Ratsversammlung war nicht unumstritten. Experten gingen davon aus, dass Präsident Ghani diese unbeliebte Entscheidung nicht selbst treffen wollte. Parlamentarier fühlten sich hintergangen und bezeichneten die Versammlung gar als illegal. Ghani begehe mit der Freilassung Verfassungsbruch, kritisierten sie.

Afghanistans Parlamentssprecher Rahman Rahmani bemängelte zudem, dass die Veranstaltung einer Loya Jirga nicht durch afghanisches Recht gedeckt sei. Eine Loya Jirga soll einen Konsens zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen und Stammesfraktionen erreichen und wird traditionell bei außergewöhnlichen Umständen einberufen. Das Ergebnis ist für die Regierung unverbindlich.

Unterzeichnetes Abkommen

Die USA hatten mit den Taliban am 29. Februar in Doha (Katar) ein Abkommen unterzeichnet, das einen Abzug der internationalen Truppen vorsieht. Im Gegenzug versicherten die Taliban, ihre Beziehungen mit anderen Terrororganisation zu beenden. Gleichzeitig soll es den Weg für innerafghanische Friedensgespräche bereiten; dafür war ein Gefangenenaustausch als vertrauensbildende Maßnahme vereinbart worden. Bis zu 5000 inhaftierte Taliban sollten im Tausch gegen 1000 von den Rebellen festgehaltene Gefangene der Regierung freikommen.

Die Regierung hat alle bis auf etwa 400 Extremisten freigelassen, denen sie schwerste Verbrechen wie Mord, Drogenhandel und Entführung vorwirft. Viele Afghanen setzen zwar große Hoffnungen in den Friedensprozess, hegen aber Zweifel an der Bereitschaft der Taliban, sich auch nach einem Abzug der US-Truppen daran zu halten.

US-Präsident Donald Trump will für einen Abzug der US-Truppen von den Taliban eine Garantie, dass Afghanistan nicht wieder ein Unterschlupf für Extremisten wird, die weltweit Anschläge verüben. Ende 2001 hatten wenige Wochen nach den Anschlägen vom 11. September von den USA unterstützte Streitkräfte die damals herrschenden Taliban gestürzt, die mit den Al-Kaida-Islamisten verbündet waren.

17 Personen infiziert

Die Corona-Pandemie macht auch vor der Loya Jirga nicht halt. Alle Teilnehmer wurden vorab auf Corona getestet. 17 Teilnehmer waren positiv. (red, APA/dpa, 8.8.2020)