Harry ist auf der Suche: "Liebesg'schichten und Heiratssachen" am Montag um 20.15 Uhr in ORF 2.

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Mit genug Menschenliebe kann man ja in fast jedem gesprochenen Satz etwas Sympathisches finden. Wenn Harry, 55-jähriger Ex-Masseur in Frühpension, bei Liebesg’schichten und Heiratssachen etwa sagt, dass die Nachbarn wohl neidisch sind, weil sie arbeiten müssen und er nicht, lässt sich das durchaus als spitze Kritik am Leistungsdogma einer kapitalistisch geprägten Gesellschaft deuten. Und wenn er jungen Menschen rät, möglichst bald von zu Hause auszuziehen, um ein selbstständiges Leben zu führen, schwingt da womöglich etwas Selbstironie mit, weil sich Harry noch von seiner Mutter bekochen und die Wäsche waschen lässt.

Das hat Christine (72) nicht nötig. Wo manche eine kulinarische Einseitigkeit sehen, herrscht in Wahrheit die größte Kreativität: Bei ihr gibt es oft montags Kartoffelgulasch, dienstags eingebrannte Kartoffeln, mittwochs Kartoffelschmarrn und donnerstags Grenadiermarsch. An vier Tagen mit vier verschiedenen Zutaten unterschiedliche Gerichte kochen, das kann doch jeder.

Die 49-jährige Claudschi aus dem Waldviertel kann dafür mit sehr effektiven Krisenbewältigungsstrategien aufwarten – Liebeskummer kennt sie nämlich gut, auch wenn ihre Verflossenen weder das Publikum noch Sendungsmacherin Nina Horowitz etwas angehen: Wenn es emotional einmal zu viel wird, fährt sie in den Wald und schreit es raus. Reicht das nicht, fährt sie halt noch einmal in den Wald.

Kaum vorstellbar, dass sich bei dieser wunderbaren Vielfalt an Charakterzügen nicht für jeden und jede der Dargestellten jemand findet, der ihn oder sie liebenswürdig findet. (Sebastian Fellner, 10.8.2020)