Fröhliche Miene zum bösen Spiel: Diese Leute gehen für die Clubs auf die Straße, bevor deren Betreiber und Angestellte auf selbiger landen.

Foto: Christian Fischer

Amüsiert war er. Der Gesichtsausdruck vieler Passanten, die in den unabsichtlichen Genuss von #SaveTheRave kamen. Dass es sich hierbei um eine Demonstration für Clubkultur handelte, verstanden wohl die wenigsten. Sie zückten aber trotzdem ihre Handys und filmten den bunten und ohrenbetäubenden Zug: Wagen, die die Stadt am Samstag mit unterschiedlichen Musikrichtungen beschallten, und dazwischen kleinere, mäßig ravende Menschentrauben.

Video: Eindrücke von der Demonstration.
DER STANDARD

Einige Demonstranten trugen Masken, Durchsagen mahnten außerdem den Mindestabstand ein. Die überpräsente Polizei hatte, zumindest um 19 Uhr – die Demo hatte drei Stunden früher gestartet –, keine Zwischenfälle zu vermelden. Laut ihrer Schätzung, die immer etwas konservativ ausfällt, waren 1.300 Menschen anwesend, 4.000 hatte die Veranstalterin, die kürzlich gegründete IG Clubkultur, im Vorhinein erwartet. Bis auf die Lautstärke machte die Demonstration einen recht gesitteten Eindruck, jedenfalls mehr den einer Demonstration als den einer Party.

Bürokratischer Hürdenlauf

Warum ist das relevant? Gerade im Bereich der Outdoor-Clubkultur, also wenn es um das Feiern im Freien geht, bleibt Veranstaltern oft nur die Möglichkeit, sich das Recht auf Versammlungsfreiheit, also Kundgebungen oder Demonstrationen, zunutze zu machen. Denn wollte man "einfach nur" ganz unpolitisch eine Party im Grünen für, sagen wir, 1.300 Leute schmeißen, ginge der bürokratische Hürdenlauf durch die diversen Magistratsabteilungen (von der MA 36 für Veranstaltungswesen über die 48er bis zu den Wiener Gewässern oder Stadtgärten) los. Die Vorlaufzeit für solche Veranstaltungen beträgt Monate, selbst bei für Besucher kostenpflichtigen Events bleibt am Ende bei den Veranstaltern oft nur ein Minus übrig.

Ordner sorgen fürs Abstandhalten – oder bemühen sich.
Foto: Christian Fischer

Auch wenn Demonstrationen freilich nicht in einem Tag organisiert werden, sind die Vorlaufzeiten hier deutlich kürzer – zur Anzeige müssen sie theoretisch überhaupt erst 48 Stunden im Vorhinein gebracht werden. Gerade in Corona-Zeiten ist das Veranstalten im Freien noch einmal komplexer geworden. Bis September sind outdoor maximal 1.250 Besucher möglich – aber nur bei Vorlage eines Covid-19-Sicherheitskonzepts und einer Genehmigung der Bezirksvorstehung.

Bei der Anmeldung von Demonstrationen muss laut Pressestelle der Landespolizeidirektion "der Anzeiger kein Sicherheitskonzept vorlegen, er muss lediglich die Einhaltung der Covid-19-Maßnahmen in seiner Anzeige zusichern". Weiters darf wie bei allen Versammlungen Musik gespielt werden, solange der Charakter einer Versammlung, also ein "gemeinsames Wirken", dabei nicht verlorengeht.

Party als Demo tarnen?

Man könnte jetzt böswillig munkeln, dass aufgrund der erschwerten Bedingungen für das Feiern im öffentlichen Raum von Veranstaltern häufig der Umweg über das Versammlungsrecht gewählt würde. Erst im Juni machte in Berlin eine Demonstration für die dortige Clubkultur negative Schlagzeilen, da sie im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Ruder lief: Rund 3.000 Menschen versammelten sich in Booten auf dem Landwehrkanal, ohne die Abstandsregeln einzuhalten. Nicht nur FDP-Politiker kritisierten, dass hier eine Demo als Party getarnt wurde, auch die linke Berliner Clubcommission äußerte heftige Kritik am Verhalten der Demonstranten: So würde man der Clubkultur und ihrem Ruf mehr schaden als helfen.

"Den öffentlichen Raum zurückzufordern ist an sich schon eine politische Handlung." – Magdalena Augustin, IG Clubkultur

Ob in Österreich vermehrt Partys als Demos "getarnt" würden, kann die hiesige Polizei nicht bestätigen. Unser gemütlicher Lokalaugenschein am Samstag unterschied sich jedenfalls deutlich von den Bildern aus Berlin. Die Veranstalterin der Demonstration, die IG Clubkultur, hat bei der Mobilisierung kommuniziert, dass "es eine Demo, keine Party ist". "Aber natürlich wählen wir dafür die Ausdrucksform, die uns entspricht", erklärt Magdalena Augustin von der IG, warum ein bisschen Rave schon sein muss.

Eine Ausdrucksform, die entspricht.
Foto: Christian Fischer

In Gesprächen mit verschiedenen Vertretern der Politik, die vorab geführt worden waren, sei wenig weitergegangen, erzählt ihr Kollege León de Castillo. Die Demonstration sei erst der zweite Schritt, um auf das Sterben der Clubkulturorte aufmerksam zu machen, deren Rettung eine zentrale Forderung der IG ist.

Mehr öffentlicher Raum

Die zweite große Forderung betrifft, wenig verwunderlich, die Freiflächen –nicht nur in Zeiten von Covid-19. "Bei den Veranstaltungen im öffentlichen Raum, die ich beobachtet habe, ging der Versammlungscharakter nicht verloren. Diesen Raum zurückzufordern ist ja an sich schon eine politische Handlung. Gleichzeitig wünscht sich die Szene schon sehr lange Möglichkeiten, nichtkommerziell im Freien zu veranstalten. Es gibt zahlreiche internationale Konzepte, die man einfach übernehmen könnte, aber die Politik ist dazu nicht bereit", so Augustin. (Amira Ben Saoud, 9.8.2020)