Oft ist es die Einfachheit, die den Zauber bringt. Der legendäre tschechoslowakische Langstreckenläufer Emil Zátopek vereinfachte den Zauber des Lebens so: "Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft." Christoph Leitgeb spielte Fußball. Jetzt fischt Christoph Leitgeb. Geflogen ist Christoph Leitgeb auch oft, auch wenn die Karriere des 35-Jährigen auf den zweiten Blick einen Makel aufweist: Der Transfer ins Ausland fehlt. Dieser Sprung ins kalte Wasser, der für viele Fußballer, die etwas auf sich halten, unumgänglich ist. Raus aus der Wohlfühloase der gewohnten Sprache, des gewohnten Umfelds, des gemachten Bettes. "Das bereue ich ein bisschen", sagt Leitgeb dem STANDARD. Gladbach wollte, Fulham wollte vielleicht, Leitgeb wollte nicht. Also blieb der Mittelfeldspieler zwölf Jahre in Salzburg.

Man könnte es eine ertragreiche Liebesbeziehung nennen: Christoph Leitgeb holte mit Salzburg neun Meister- und sechs Cuptitel.
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Auf den ersten Blick ist die Karriere des Steirers, der kürzlich das Ende ebendieser bekanntgegeben hat, eindrucksvoll, ja auf nationaler Ebene zauberhaft. Leitgeb war eine Konstante des österreichischen Fußballs der vergangenen 15 Jahre, vor allem für Red Bull Salzburg. Von seinen 305 Bundesligapartien bestritt er 229 für die Salzburger, den Rest für seinen Jugendverein Sturm Graz. Unterm Strich stehen neun Meistertitel und sechs Cupsiege – alle mit Salzburg.

Leitgeb lernte das Kicken in Graz in der Bruckner Sporthauptschule und beim SK Sturm. 2005 wurde es bei den "Schwoazen" zunehmend düster. Der Verein war klamm, die fetten Jahren der Champions League vorbei. Trainer Mischa Petrović brachte aus der Not die Jugend und am 20. September 2005 beim 2:2 gegen Rapid in der 82. Minute Leitgeb zu seinem Bundesliga-Debüt.

Hohe Geschwindigkeit

Der junge Blonde mauserte sich, etablierte sich trotz seiner 171 Zentimeter Körpergröße zum Turm im zentralen Mittelfeld bei den Grazern. Leitgebs Trümpfe waren seine hohe Spielgeschwindigkeit, seine Übersicht und ein unheimliches Gefühl im Passspiel. Ein Hochgeschwindigkeitszug, der einem im Vorbeirauschen die Wange streichelt. Anfangs waren noch zu viele Kurven dabei. 2007 erinnert sich Petrović in einem Interview an Leitgebs Anfänge: "Ich habe lange mit Christoph kämpfen müssen. Er war zu verspielt, machte zu viele Dribblings, bewegte sich zu wenig ohne Ball."

Christoph Leitgeb in der Startaufstellung vor dem Match gegen Polen 2008 in Wien.
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Leitgeb lernte und sollte ab 2006 auch den Gegnern des Nationalteams Probleme bereiten. Unter Teamchef Josef Hickersberger debütierte er im Testkick gegen Kroatien, dem Geburtsland seines Vaters. 41-mal spielte Leitgeb für Österreich. Ein Tor konnte er nicht erzielen. Beim EM-Gruppenspiel 2008 gegen Polen in Wien hätte er fast müssen: In der 14. Minute scheiterte Leitgeb mit einer Großchance aber am polnischen Keeper Artur Boruc. "Torabschluss", sagt er auch heute, angesprochen auf die größte Schwäche seines Spiels. Leitgeb traf nur 26-mal in seiner Karriere ins Schwarze.

Ungebremst im Zentrum

Ausgeschlossen wurde der Rechtsfuß gar nur einmal. Gegen Mattersburg, Gelb-Rot wegen Schiedsrichterkritik. Das ist, gerade für einen Mittelfeldspieler im Zentrum des Geschehens, bemerkenswert. Wer schnell ist, muss nicht treten: "Durch mein Tempo konnte ich die Gegenspieler ablaufen." 2007 wechselte Leitgeb für 1,7 Millionen Euro von Graz nach Salzburg. Die Titeljagd begann.

Beim Serienmeister erlebte er in zwölf Jahren neun Trainer, neun Chefs: "Mühsam, aber ich konnte mich immer schnell einstellen." Mit Salzburg erlebte er die Höhen und Tiefen (die Peinlichkeit in der Champions-League-Quali gegen Düdelingen) des Sports. Leitgeb selbst hatte immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen: Das kaputte Knie verhinderte vielleicht eine EM-Teilnahme 2016. Für die letzte Saison kehrte er 2019 noch einmal zu Sturm Graz zurück.

Fischt frische Fische

Wer Leitgeb spielen sehen will, muss ihn spielen gesehen haben. Heute gibt es von fast jedem Freibad-Topscorer Highlightvideos im Netz. "Amazing Skills" heißt das dann. Oder "Incredible Moments". Vom schnellen Grazer mit dem wundervollen Pass gibt es das nicht. Seine Karriere hätte sich eines verdient. Er selbst ist froh, dass es vorbei ist: "Es reicht. Die letzte Vorbereitung bei Sturm war extrem anstrengend." Raus aus dem Karussell, keine Vorbereitung, keine Medientermine. Wehmut kommt "vielleicht in zwei Monaten". Jetzt geht Leitgeb erst einmal fischen. (Andreas Hagenauer, 10.8.2020)