Seit Tagen demonstrieren Menschen im Libanon gegen die derzeitige Regierung.

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Beirut – Nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut hat der libanesische Premierminister Hassan Diab den Rücktritt seiner gesamten Regierung erklärt. "Heute folgen wir dem Willen des Volkes", sagte Diab am Montagabend in einer Fernsehansprache. Für die verheerende Detonation im Hafen von Beirut machte er die weit verbreitete Korruption in seinem Heimatland mitverantwortlich. Präsident Michel Aoun akzeptierte den Rücktritt, bat die Regierung aber, Verwaltungsaufgaben weiterhin auszuführen, bis ein neues Kabinett gebildet wurde.

Die libanesische Regierung Diab im bei ihrer Angelobung im Jänner 2020.
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Damit reagierte der Regierungschef nach knapp einer Woche auf öffentlichen Druck und gewaltsame Proteste. Im Zentrum der Hauptstadt Beirut kam es am Abend zu neuen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten.

Diab sagte in seiner Ansprache, die Korruption sei größer als der Libanon. Einigen gehe es nur darum, politische Punkte zu erzielen. Am Sonntag hatten bereits der Umweltminister und die Infromationsministerin ihre Ämter niedergelegt – am Montag taten es ihnen die Justizministerin und der Finanzminister gleich. Damit blieb dem Ministerpräsidenten praktisch keine andere Wahl mehr, als die Regierung aufzulösen. Die Regierung des Libanon ist aufgelöst, wenn mehr als ein Drittel der 30 Kabinettsmitglieder ihr Amt niederlegen. Dafür hätte es noch drei Rücktritte gebraucht.

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253 Millionen Euro bei Geberkonferenz zugesagt

Viele Libanesen haben nach der Explosion mit mehr als 150 Toten und über 6.000 Verletzten das Vertrauen in die politische Elite endgültig verloren. Sie vermuten, dass die Detonation, bei der möglicherweise große Mengen unsicher gelagerten Ammoniumnitrats explodierten, durch grobe Fahrlässigkeit verursacht wurde. Am Wochendende wurde bei Demonstratione in Beirut beriets lautstark der Rücktritt der Regierung gefordert. Teilweise kam es dabei zu hefitgen Zusammenstößen mit der Polizei.

Für die Opfer der Explosion, durch die bis zu 300.000 Menschen obdachlos wurden, werden Hilfsgelder gesammelt. Bei einer internationalen Geberkonferenz kamen laut dem französischen Präsidialamt 252,7 Millionen Euro Soforthilfe zusammen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der nach der Explosion umgehend nach Beirut gereist war, leitete gemeinsam mit den Vereinten Nationen das virtuelle Treffen, an dem auch US-Präsident Donald Trump und Vertreter von mehr als 30 weiteren Staaten und Organisationen teilnahmen.

Durch direkte Auszahlung der Hilfgelder an Organisationen wie die Vereinten Nationen, das Welternährungsprogramm oder das Internationalen Roten Kreuz, solle sichergestellt werden, dass die Hilfen dort ankämen, wo sie hinsollten, erklärte der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) nach der Konferenz. Am Mittwoch will Maas nach Beirut reisen und dabei so wie Macron auf Reformen im Libanon drängen. "Wir werden den Verantwortlichen sehr deutlich machen, dass wir bereit sind zu helfen, aber auch der Auffassung sind, dass dieses Land reformiert werden muss", sagte der SPD-Politiker am Montag im Deutschlandfunk.

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) will dem Libanon mit einem Rettungspaket helfen, verlangt dafür aber eine politische Einigung auf umfassende Reformen. Die Finanzorganisation sei bereit, ihre Bemühungen zu verdoppeln, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa. Die EU kündigte an, ihre Nothilfe auf 63 Millionen Euro aufzustocken. (red, APA, 10.8.2020)