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Heiraten, Kinder bekommen und dennoch sexuell offen leben. Nicki und Bernd* aus Wien beweisen, dass dies durchaus möglich ist. (Anmerkung: Symbolbild)

Foto: Getty Images/AleksandarGeorgiev

Nicki (28) sitzt mit ihrem Verlobten Bernd* (33) und dem gemeinsamen Sohn am Esstisch in der Küche. Die Erwachsenen plaudern über ihren Tag, während ihr Kind mit den langen Spaghettinudeln spielt. Nach dem Essen bringt Bernd den Kleinen ins Bett, und Nicki verschwindet im Bad, um sich frischzumachen. Heute ist Montag, das heißt für Nicki "Date Night". Sie verabschiedet sich von Bernd und macht sich auf Weg, um ihren Geliebten zu treffen.

"Mit Kind hat man nicht mehr so viel Freizeit, da muss alles gut geplant sein", sagt sie. Deswegen sind die Treffen mit ihrem "Spielpartner", wie sie ihn nennt, terminlich vereinbart und werden transparent kommuniziert. Montags geht Nicki aus, dienstags Bernd. Denn auch er trifft andere Frauen für Sex und Erotik. Seit acht Jahren führen die beiden eine offene Beziehung.

Mit Eifersucht umgehen

Ganz zu Beginn lief das mit der offenen Beziehung allerdings noch nicht so reibungslos ab wie heute. Bernd wollte sich mit anderen Frauen treffen, Nicki aber war eifersüchtig: "Wenn ich das ausgesprochen habe, fühlte er sich gleich angegriffen, und wir haben gestritten."

Dabei war der Wienerin von Beginn an klar, dass ihr Freund offen lieben möchte. Kennengelernt haben sie sich damals im SMart Café, einem BDSM- und Fetisch-Café (BDSM ist eine Sammelbezeichnung für eine Gruppe von Sexualpräferenzen, die häufig auch als Sadomasochismus oder SM bezeichnet werden). Nach einigen Treffen verliebten sich die beiden ineinander und zogen zusammen. "Heute wissen wir, dass der ganze Streit zu Beginn unserer Beziehung unnötig war." Nicki spricht von einem "großes Missverständnis", das sie mithilfe eines befreundeten Paares aufklären konnten: "Wir konnten mit dem befreundeten Pärchen, die auch in einer offenen Beziehung leben, über alles reden. Das hat uns wirklich geholfen."

Die Eifersucht war zwar noch nicht ganz verschwunden, Nicki und Bernd lernten aber besser mit den negativen Gefühlen umzugehen: "Er ist nicht gleich wütend geworden, sondern hat mich in den Arm genommen, wenn ich eifersüchtig war. Und hat mir versichert, dass er nur mich liebt." Dank dieser emotionalen Sicherheit löste sich die Eifersucht langsam auf.

Unausgesprochenes Gesetz

Sie selbst traf in den ersten Jahren der Beziehung nur selten andere Männer, während sich Bernd einmal pro Woche mit drei sich wöchentlich abwechselnden Partnerinnen verabredete. Nicht immer für Sex – auch für einen Drink in einer Bar, nette Gespräche.

Probleme gab es bis auf eine Ausnahme nie: "Bernd und ich waren gemeinsam bei einen Stammtisch in einem BDSM-Café. Dort trafen wir eine Frau, mit der er schon öfters was hatte, die beiden kamen ins Gespräch. Als ich zu Bernd rüberging, um mit ihm zu sprechen, drehte sie sich zu mir um und forderte mich dazu auf, mir jemand anderen zu suchen." Das sei ein No-Go gewesen, nicht nur für Nicki. In der Szene gäbe es schließlich ein unausgesprochenes Gesetz, dass die Hauptpartner oder Hauptpartnerinnen immer Vorrang bekommen. "Ich muss nicht mit den Frauen befreundet sein, die mein Mann trifft", sagt sie. "Allerdings habe ich schon das Bedürfnis, sie kennenzulernen – zumindest, wenn es sich dabei um keine einmalige Sache handelt."

Vor vier Jahren lernte Nicki dann jenen Mann kennen, den sie auch heute einmal pro Woche trifft: "Alex* hat mir auf Anhieb gefallen, er war lustig, attraktiv und seine Partnerin fand ich auch nett. Und es hat sofort gepasst", sagt sie. Es passte sogar so gut, dass selbst die beiden Männer heute befreundet sind. Manchmal treffen sich die Paare zum Essen oder für Spieleabende. Um Sex geht es bei den Viererdates allerdings nicht. Bernd und die Partnerin von Alex hätten zwar einmal versucht, sich sexuell näherzukommen, letztendlich blieb es aber bei der Freundschaft.

Kaum Sex miteinander

Was überrascht: Nicki und Bernd haben heute kaum mehr Sex miteinander. "Wenn es hochkommt, vielleicht einmal im Monat", sagt sie. Doch genau das sei doch auch der große Vorteil einer offenen Beziehung: "Keiner von uns braucht Angst zu haben, dass der andere fremdgeht." Die ausgelagerte Erotik versteht das Paar nicht als Beziehungsende, sondern als Bereicherung.

Mit einer platonischen Freundschaft könne man dies trotzdem nicht vergleichen: "Wir lieben uns innig. Es ist wie eine kitschige 0815-Beziehung, nur ohne Sex." Warum das Paar selbst kaum mehr miteinander ins Bett geht? "Im Laufe der Jahre haben sich unsere sexuellen Neigungen auseinanderentwickelt. Wir haben uns dadurch ziemlich unter Druck gesetzt fühlt", sagt Nicki. "Schließlich will man den Partner auch sexuell befriedigen."

An den kinderlosen Abenden, wenn der Sohn bei Oma schläft, nutzt das Paar die Zeit nun vor allem für Gespräche. Bei einer Flasche Grünem Veltliner erzählen sie einander, was ihnen auf dem Herzen liegt. "Dabei muss es gar kein Problem geben, das wir durchkauen. Wir sprechen einfach darüber, wie es dem anderen geht, was ihn gerade bewegt oder stört", sagt Nicki.

Dies sei vor allem seit der Elternschaft wichtig: "Wenn mein Partner einen schönen Abend hatte, während ich das quengelnde Kind betreut habe, fehlen mir die Nerven, um seine Abenteuergeschichten zu hören." Weshalb das Paar folgende Vereinbarung getroffen hat: Man erzählt dem anderen nicht ungefragt von seinen Dates. Stattdessen warten Nicki und Bernd ab, bis der andere danach fragt. "Dann bin ich emotional bereit, davon zu hören und kann mich für ihn mitfreuen", sagt sie.

Eine Bedingung ist geblieben

Zu Beginn ihrer Beziehung gab es noch viele andere Regeln, mittlerweile ist Nicki und Bernds Vertrauen zueinander aber so tief, dass es nur noch eine Bedingung gibt, an die sich beide halten müssen: Sex mit anderen Partnern gerne – aber nur mit Kondom. "Ich will mit ihm alt werden", sagt Nicki. Im Herbst werden sie heiraten, irgendwann wollen sie noch ein zweites Kind.

Ihnen ist auch klar, dass ihr Sohn einmal Fragen stellen wird: "Jetzt ist unser Sohn noch klein, aber später wird er sicher wissen wollen, wo Mama und Papa jeden Montag und Dienstag hingehen und wer der Mann ist, der Mama immer so schön umarmt." Und dann bekommt er Antworten: "Ich halte nicht viel von Heimlichtuerei, auch unsere Freunde und Familie wissen Bescheid."

Als Nicki kurz vor Mitternacht von ihrem Treffen nach Hause kommt, sitzt Bernd noch auf der Coach und sieht fern. Er schaltet den Fernseher aus, lächelt seine Frau an und fragt: "Na, wie war's?" (kups, 22.8.2020)

* Name von der Redaktion geändert