Die Doppelhelix der DNA zeigt ein seltsames Benehmen, wenn man sie dehnt.

Illustr.: Mehmet Pinarci

Wien – Dreht man einen Faden zu einer Spirale zusammen, verkürzt er sich üblicherweise. Auch der Träger der Erbinformation Desoxyribonukleinsäure, kurz DNA, besitzt die Form einer Spirale, genauer gesagt, einer Doppelhelix. Doch paradoxerweise dreht sich ein solcher Erbgutfaden weiter ein, wenn man ihn dehnt.

Für den Makrokosmos ist ein solches Verhalten bizarr, aber für die winzige Welt der Atome sei dies mit Modellen der theoretischen Physik nachvollziehbar, berichten Bauingenieure der Technischen Universität Wien in einer nun im "Journal of the Mechanics and Physics of Solids" erschienen Studie.

Johannes Kalliauer vom Institut für Mechanik der Werkstoffe und Strukturen der Technischen Universität (TU) Wien bildete das Erbgut an Österreichs leistungsstärkstem Supercomputer (Vienna Scientific Cluster) mit Molekulardynamik-Modellen nach, die von Bauingenieuren entwickelt wurden. "Man legt fest, wie die DNA-Spirale gestaucht, gedehnt oder verdreht wird und ermittelt dann, welche Kräfte auftreten und in welche Endpositionen die Atome schließlich gelangen", so der Forscher.

Bei Dehnung mehr Windungen

Damit sind die "merkwürdigen experimentellen Befunde" reproduzierbar, die der menschlichen Intuition widersprechen: Nämlich dass sich die DNA in bestimmten Fällen bei Dehnung stärker einzwirbelt, anstatt die Zahl der Windungen zu verringern.

Das neue Modell kann Medizinern und Biologen helfen, Vorgänge beim Ablesen des Erbguts besser zu verstehen, meint Kalliauer. Dabei könnten Details der DNA-Geometrie durchaus beeinflussen, ob es zu Lesefehlern kommt, die zum Beispiel Krebs auslösen, oder ob alles korrekt abgeschrieben wird. (red, APA, 11.8.2020)