Die pinken Flamingos auf dem blau-weiß-gestreiften Badeanzug sind noch tropfnass. Auch der blonde Zopf muss erst wieder trocknen. Aber das Bad im neuen Pool auf dem Kreuzungsplateau zwischen den beiden Gürtel-Seiten hat sich ausgezahlt, befindet ein junges Mädchen, das es sich auf einem gelben Liegestuhl unter einer kleinen Palme bequem gemacht hat.

Das Becken ist besonders bei Kindern beliebt.
Foto: APA

"Das Wasser ist im Vergleich zu anderen Bädern schon frisch", sagt ihr Papa über den Sprung ins kühle Nass. 23 Grad hat das Wasser im Gürtelpool am Montagvormittag. Seit dem Wochenende lädt es im Rahmen des Projekts Gürtelfrische West zum Planschen ein. Das Becken wird sich im Laufe des Tages jedoch noch etwas aufheizen, sagt ein Mann, der das Treiben am Pool überwacht. Am Sonntagnachmittag habe man rund 25 Grad gemessen. Als kalt empfinde man das Wasser vor allem deshalb, weil die Sonne so runterknallt. Am Himmel: keine Wolke. Am Thermometer: heiße 31 Grad.

Schon kurz vor 10 Uhr waren Vater und Tochter, die im siebenten Bezirk wohnen, bereit zum Schwimmen. Da war die Grünoase noch gesperrt. Und nach der Öffnung war der Pool sofort voll. Nur sechs Personen dürfen auf einmal ins drei Meter breite und elf Meter lange Becken. "Sie haben uns diese Liegestühle fast aufgedrängt", sagt der Papa lachend. Er und seine Tochter sind trotz Wartezeiten begeistert: "Die Bäume sind sehr nett. Dadurch, dass sie in der Mitte stehen, wandert der Schatten auch den Tag über, und man findet immer einen schattigen Platz."

Keine Autos, aber Räder

Dass der Fahrradweg, der von der Stollgasse in Richtung Felberstraße über den Gürtel und retour verläuft, weiterhin befahrbar ist, sei ein bisschen "zach", sagt der Papa. Denn der muss auf dem Weg ins temporäre Schwimmbad überquert werden.

Gesperrt ist das Kreuzungsplateau hingegen seit rund einer Woche für den motorisierten Individualverkehr. "Mich stört das nicht, ich bin zwar Autofahrerin, aber in der Stadt braucht man es ja kaum, da gehe ich so viel wie möglich zu Fuß", sagt eine Dame, die am Zaun das Treiben beobachtet. Sie trägt ein buntgemustertes Kleid, Brille und ihre grauen Haare kurz.

Generell hält sie das Projekt, das die Bezirke Neubau und Rudolfsheim-Fünfhaus rund 150.000 Euro kostet, aber für eine "Schnapsidee um viel Geld". Warum sie trotzdem hier ist? Sie wohne unweit im 15. Bezirk und war offenbar doch neugierig, außerdem habe sie noch im Siebenten zu tun, darum der Abstecher.

Baden wie 1930

Ganz neu ist die Idee der Grünoase aber nicht. Seit mehr als 100 Jahren ist der Wiener Gürtel auch als Erholungsraum für die Bevölkerung der dichtbebauten angrenzenden Stadtteile gedacht.

Ein Bild aus dem Wien-Museum: 1930 gab es bereits ein Kinderfreibad nur wenige Meter vom heutigen Pool entfernt.
Foto: Wien Museum/Birgit und Peter Kainz

Und auch das Schwimmbad an der Bezirksgrenze ist keine neue Erfindung. Auf dem Areal des ehemaligen Sophienspitals wurde im Jahr 1930 ein Kinderfreibad der Stadt Wien errichtet. "Nach dem Ersten Weltkrieg waren in Parkanlagen der dichtbebauten Wiener Stadtgebiete zahlreiche solcher Kinderfreibäder entstanden", heißt es in einem Onlinebeitrag im Magazin des Wien-Museums. Einige gibt es bis heute – etwa das Familienbad im Wiener Augarten, das Erwachsene ohne Kinder nicht besuchen dürfen.

Während die Planschbecken in diesen Kinderfreibädern zumeist nur etwa 60 cm tief waren, ist der temporäre Pool rund 1,40 m tief.

Ein Bad in dem "winzigen Pool" kommt für die grauhaarige Frau, die das Treiben beobachtet, nicht infrage, wie sie erzählt. Ruhe und Erholung inmitten einer der am dichtesten befahrenen Verkehrsadern Wiens ist ihrer Meinung nach nicht möglich. Zu laut sei es hier neben dem Gürtel, sodass man sich fast gar nicht miteinander unterhalten kann, und die Luft sei voller Abgase. "Ich suche mir aber auch meine Schanigärten so aus, dass mir die Autos nicht in den Kaffee fahren", sagt der Zaungast und lugt noch einmal zwischen den Bäumen durch: "Gibt es hier auch Duschen?"

Liegestühle in der Grünoase sollen zum Entspannen einladen.
Foto: APA

Ja, gibt es. Sie finden sich in einem Eck neben dem Schwimmbad. Ausprobiert hat sie eine andere Frau. Sie hat es sich auf ihrem Badetuch, das sie auf dem grünen Kunstrasen ausgebreitet hat, in der prallen Sonne mit einem Buch gemütlich gemacht. Zum Schwimmen ist sie eigentlich nicht hier, nur zum Sonnenbaden, da genügt die Dusche zum Abkühlen. In der näheren Umgebung gibt es keine Freibäder, in der Stadthalle nur ein Hallenbad. Und: In anderen Grünanlagen komme es nicht so gut an, wenn man im Leo-Print-Bikini die Park- zur Sonnenbank umfunktioniere.

Der Lärm, der von den Gürtelfahrbahnen herüberhallt, sei zwar mühsam, aber für ein zwei Stunden gehe das schon. "Wenn ich mehr Zeit habe, dann bevorzuge ich aber die Donauinsel", sagt sie.

Kunstrasen als Spielwiese

Der eigentliche Zweck der Donauinsel, die Hochwassersicherung, ist für die Bevölkerung mittlerweile in den Hintergrund getreten – von den Wienern wird sie in erster Linie als Naherholungsgebiet wahrgenommen. Und so verfolgt auch die Gürtelfrische West eigentlich einen anderen Gedanken als lediglich jenen des Badevergnügens.

Der Blick von oben auf das Kreuzungsplateau während der Aufbauarbeiten.
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"Warum machen wir das eigentlich?", fragte der Büroleiter der Bezirksvorstehung Neubau zu Beginn eines langen Facebookpostings am Tag vor der Eröffnung, und gab auch gleich die Antwort. Die Überlegungen dahinter seien "recht simpel". Der Bezirk wolle in erster Linie die "verkehrlichen und möglichen raumplanerischen Auswirkungen der Komplettsperre der Gürtemittelzone abtesten". Und: "Weil genau an dieser Stelle in naher Zukunft Anpassungen bei der Flächenverteilung dringend notwendig werden." (Oona Kroisleitner, 10.8.2020)