Stars, wieder vereint: der Pianist Brad Mehldau trifft Saxofonist Joshua Redman.

Foto: Heschl, Putland

Der Exzentriker Thelonious Monk himmelte bei seiner Klavierarbeit ein Foto der Jazztragödin Billie Holiday an. Brad Mehldau, angesagter Tastengrübler, blickt daheim hingegen auf ein Bild von Brahms, den er "John Boy" nennt. Nicht weit davon steht auch eine Beethoven-Büste, deren Präsenz Mehldau bisher nie Eigenwilligkeit gekostet hat. Bei Round Again (Warner) jedoch scheinen beide Symphoniker – mit ihrem Hang zu formal gebändigter Emotion – einschüchternd zugegen gewesen zu sein.

Über weite Strecken wirkt das Album wie der Versuch, Jazz als disziplinierte Kammermusik im Lichte klassizistischer Eleganz darzustellen. Das ist an sich in Ordnung, und sie bewegen sich auf hohem handwerklichem Niveau. Es ist allerdings kein reines Mehldau-Album. Es vereint ihn mit Saxofonist Joshua Redman, Bassist Christian McBride und Drummer Brian Blade – also mit drei Stars der Gegenwart, die vor 26 Jahren Mood Swing veröffentlicht und damit ihren Karrieren einen ordentlichen Schub verliehen haben.

Band als Plattenteller

Die vier Herren sind bei dieser Reunion nunmehr Mitglieder im Club "State of the Art", Mehldau kam es vor, "als würde ich mit den Avengers spielen". Wer, wenn nicht sie, müssten also im Sinne des Besonderen agieren? Redman transportiert ja auch den Eindruck, die 26 Jahre hätten zu keinerlei Entfremdung geführt. "Diese Band ist wie ein Plattenteller, der sich weiterdreht, nachdem die Nadel angehoben wurde. Wir mussten die Nadel nur wieder sinken lassen – schon waren die Verständigungen und Stoffe wieder da, die wir 1994 erarbeitet hatten."

Man habe einen Nachmittag lang geprobt, habe dann zwei Abende in The Falcon in Marlboro, New York, gegeben – hernach sei es ins Studio gegangen. "In dem Moment, in dem wir zu spielen begannen, war die Magie nach all den Jahren immer noch dieselbe", schwärmt Redman, dessen wattiger Tenorton sich allerdings seltsam brav gebärdet.

Blues wie von Monk

Da sind natürlich – in seinem Stück Moe Honk – intensive Momente Mehldaus. Eigentlich aber zeigen nur zwei Kompositionen, was hier möglich gewesen wäre. Floppy Diss, ein heiterer Blues von Christian McBride, der von Monk sein könnte, lockt Redman auf dem Sopransax aus der Reserve Richtung präzise pointierter Expression.

Und immerhin kommt bei der finalen Ballade Your Part to Play (von Brian Blade) so etwas wie kreativer Dauerstress auf. Es klingt, als hätten die versammelten Kräfte die amikale Höflichkeitsbremse gelöst, um endlich zu sich zu kommen und dennoch kollektiv produktiv zu sein.

Subtil dagegen

Redmans Tenor klingt dabei plötzlich unmittelbar, zärtlich und persönlich, gibt sich poetisch der Melancholie hin, während Mehldau am Klavier subtil dagegenperlt. Hier schwebt ein Quartett Richtung hymnische Sphären, die seit John Coltrane zur Tradition eines spirituell durchdrungenen Jazz gehören.

Es mag stimmen, was Drummer Blade behauptet: "Wir sind keine künstliche Wundertüte voller Namen, die jemand aus dem Hut gezaubert hat." Wenn er jedoch schwärmt, zwischen den vier Musikern gebe es "eine Chemie, die nur von einer höheren Macht gelenkt werden kann", muss an diese höheren Instanzen die Bitte ergehen, die vier in Hinkunft in Ruhe zu lassen. Ihr Beistand schien hier tendenziell eher zu verkrampfen. (Ljubiša Tošic, 11.8.2020)