Ein perfektes Vakuum ist im Grunde das absolute Nichts. Es wird charakterisiert durch die komplette Abwesenheit jeglicher Materieteilchen. Mittlerweile weiß man freilich, dass so etwas in der Realität gar nicht existiert: Die Quantenmechanik und ihre Feldtheorien haben mit der Vorstellung dieser perfekten Leere aufgeräumt, indem sie Teilchen und Licht anhand von Feldfunktionen beschreiben, die stetigen Fluktuationen unterliegen. Diese sogenannten Vakuumfluktuationen führen in der Theorie zu einer fortlaufenden Erzeugung und anschließenden Vernichtung von Quanten auf sehr kurzen Zeitskalen: Der Raum ist also gleichsam gefüllt mit einem schäumenden, brodelnden Bad virtueller Teilchen.

Schwer fassbare virtuelle Teilchen

Die fundamentale Bedeutung der aus dem Nichts auftauchenden und wieder verschwindenden Partikel für das Universum erstreckt sich vom ganz Kleinen – minimaler Verschiebungen atomarer Linienspektren – bis hin zum ganz Großen – dem Verdampfen schwarzer Löcher und der Struktur des Universums über Distanzen von Milliarden von Lichtjahren. Ungeachtet ihrer kritischen Rolle blieben Vakuumfluktuationen bislang jedoch unter Laborbedingungen nur schwer zugänglich.

Einem internationalen Physikerteam ist nach eigenen Angaben nun jedoch ein entscheidender Schritt zur Kontrolle dieser Quantenvakua gelungen: Die Forscher haben einen neuen Weg gefunden, den exotischen Vakuumgrundzustand von extrem stark Licht-Materie-gekoppelten Nanostrukturen in weniger als einem Zehntel der Oszillationsperiode des Lichts gezielt zu manipulieren. Die im Fachjournal "Nature Photonics" präsentierten Ergebnisse verbessern das Verständnis von Vakuumfluktuationen und stellen darüber hinaus mögliche praktische Anwendungen in Aussicht.

Die Illustration soll den schwer fassbaren Vorgänge veranschaulichen: Die Wellenfunktion des elektronischen Systems ist hier rot und gelb dargestellt. Das ganze ist überlagert von einer Decke aus virtuellen Photonen des Lichtfeldes (blau).
Illustr.: J. Mornhinweg

Grundlage ihrer wegweisenden Experimente ist eine spezielle Halbleiterstruktur, in welcher die Elektronen außerordentlich stark an das Lichtfeld von kleinen Antennen im sogenannten Terahertz-Spektralbereich (1 THz = 1012 Hz) koppeln. Der extrem starke Austausch von Energie zwischen Licht- und Materiefeldern führt dazu, dass Vakuumfluktuationen des Lichtfeldes, also virtuelle Photonen, in der Struktur besonders dominant auftreten – selbst in kompletter Dunkelheit.

Blick auf einen flüchtigen Quantenzustand

"Der entscheidende Punkt ist, dass wir die Kopplung extrem schnell ausschalten", erklärt Maike Halbhuber von der Universität Regensburg. Das plötzliche Ausschalten der Lichtresonators entreißt den Elektronen die Decke aus virtuellen Photonen und enthüllt deren sonst unzugänglichen Quantenzustand.

Durch die ausführliche Analyse dieser Oszillationen des kollabierenden Quantenvakuums konnte das Physikerteam aus Regensburg und Paris bestätigen, dass das Ausschalten schneller als ein Zehntel eines Billionstels einer Sekunde abläuft. Noch ist der direkte Nachweis der virtuellen Photonen, die gemäß der Theorie beim Ausschalten des exotischen Zustandes freiwerden, ausständig, doch daran arbeitet die Gruppe bereits.

Spannende Anwendungsmöglichkeiten

Damit sind die Möglichkeiten des Konzeptes aber noch lange nicht erschöpft. Neben Aspekten der Grundlagenforschung ermöglicht es auch eine Reihe spannender Anwendungen, wie Christoph Lange von der Universität Regensburg erklärt: "Es ist denkbar, dass unsere Strukturen darüber hinaus vielfältige Möglichkeiten eröffnen, Kontrolle über neuartige Phänomene wie Quantenchemie in Resonatoren oder durch Vakuumfelder kontrollierte Supraleitung sowie elektronischen Transport zu erlangen." (red, 17.08.2020)