Am Höhepunkt im Juni war mehr als jeder dritte Arbeitnehmer in Österreich in Kurzarbeit. 4,1 Milliarden Euro gab der Staat bisher dafür aus, damit Menschen ihren Job mit verkürzter Arbeitszeit behalten können. 43 Prozent davon kamen Frauen zugute, betont Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) in dem seit der Krise allwöchentlich einberufenen Medientermin. Gemeinsam mit Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) will Aschbacher besonderes Augenmerk auf Frauen legen, waren diese doch zuletzt etwas stärker vom Anstieg der Arbeitslosigkeit betroffen. Die Hoffnung liegt vor allem auf der mit 700 Millionen Euro dotierten Arbeitsstiftung, die ab September einsatzbereit sein soll. Wer seinen Job bereits verloren hat, soll umgeschult oder weiterqualifiziert werden – Frauen ganz besonders.

Für Frauen wie Männer gilt: Hauptsache, die Arbeitslosigkeit steigt nicht noch stärker an. Kurzarbeit hat sich da bewährt, lautet das Argument von Regierung und Sozialpartnern. Das Modell ist simpel: Ein Gasthaus etwa halbiert die Arbeitszeit einer Köchin von vierzig auf zwanzig Stunden, weil weniger Gäste kommen. Der Wirt zahlt das Gehalt für die geleistete Arbeitszeit. Aber die Köchin verdient nicht nur das, was sie normalerweise für zwanzig Stunden bekäme, sondern das AMS stockt den Großteil auf ihren alten Verdienst auf.

Ab Oktober wird die Kurzarbeit mit ein paar Abänderungen bis in den März 2021 verlängert.
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Ab Oktober wird die Kurzarbeit mit ein paar Abänderungen bis in den März 2021 verlängert. Wie gut hat sie in der Krise bisher funktioniert? Und was kommt danach? Eine Zwischenbilanz mit Ausblick:

Österreich zahlt am meisten

Am Höhepunkt im Juni waren 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Zeitversetzt zu den Lockerungsmaßnahmen sinkt die Zahl der Betroffenen. Zuletzt waren es noch 450.143 Personen; die meisten davon in der Industrie, gefolgt vom Handel, Tourismus sowie der Gastronomie.

Nach dem aktuellen Stand kontrollierte die Finanzpolizei bei 3249 Betrieben die korrekte Einhaltung der Kurzarbeit. Betroffen waren 13.480 Personen. In 212 Fällen gab es Anzeigen. Laut Finanzministerium agieren die Behörden aufgrund von Hinweisen, Anzeigen oder Risikoanalysen. Sehr häufig gibt es Hinweise von Mitarbeitern oder deren Angehörigen, die sich über die Ausnutzung der Förderungen beschweren.

Mitte Mai erhöhte die Regierung vorsorglich das Kurzarbeitsbudget von zehn auf zwölf Milliarden Euro. Österreich ist bei den Hilfszahlungen im EU-Vergleich am großzügigsten, indem bis zu 90 Prozent des Verdienstausfalls ersetzt wird, ohne den Unternehmen einen Anteil abzuverlangen.

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Ökonomen bestärken die Sozialpartner, wenn sie die Kurzarbeit als altbewährtes Mittel würdigen. Doch angesichts des hohen Preisschilds für den Steuerzahler stellt sich die Frage nach Alternativen. Schließlich gibt es in Österreich mit der Arbeitslosenversicherung bereits ein soziales Netz. Mit 55 Prozent des Nettogehalts scheint das Arbeitslosengeld auf den ersten Blick günstiger zu sein als Zahlungen für Kurzarbeit, die bis zu 90 Prozent der Einkommenslücke decken.

Verlust an Qualifikation

Der Schein trüge, erklärt Ökonomin Monika Köppl-Turyna vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria. Schließlich wirke es nachhaltig auf den Arbeitsmarkt, wenn Menschen ihren Job nicht verlören. Wer aus dem Arbeitsleben ausscheide, finde nicht immer gleich wieder zurück und verliere in dieser Zeit an Qualifikation. Langfristig verursache das höhere Kosten. Ein weiteres Argument für großzügige Zahlungen: Niedrigere Einkommen drosseln den Konsum, das ist in der Krise zu vermeiden. Trotzdem mehren sich die Stimmen, dass die Kurzarbeit in ihrer jetzigen Form keine Dauerlösung sein kann.

Die Kurzarbeit sei spezifisch für den Lockdown entwickelt worden, betonte IHS-Chef Martin Kocher bei der Präsentation der jüngsten Konjunkturprognose. Jetzt biete sie womöglich zu hohe Anreize. Zudem sollte zwischen Bereichen wie Industrie einerseits und Dienstleistungen wie Gastronomie, Tourismus andererseits differenziert werden, regte der IHS-Chef an. Dass sich Menschen während der Kurzarbeit weiterbilden sollen, begrüßte der Ökonom.

In dem neuen Modell wurden einige Vorschläge aufgegriffen, an den letzten Details wird gerade gefeilt, wie der STANDARD aus Verhandlerkreisen erfuhr. Fest steht: Ab Oktober dürfen Arbeitnehmer statt auf bisher zehn Prozent minimal auf 30 Prozent ihrer Arbeitszeit reduzieren. Maximal dürfen Mitarbeiter 80 Prozent statt wie bisher 90 Prozent tätig sein. Ausnahmen für einzelne Unternehmen dürfen die Sozialpartner genehmigen. Mitarbeiter in Kurzarbeit müssen für einen Monat danach angestellt bleiben – wiederum sind Ausnahmen möglich.

Weiterbildung statt Freizeit

Neu ist, dass sich Arbeitnehmer in Kurzarbeit weiterbilden müssen, wenn der Arbeitgeber einen Kurs organisiert. Das war zwar bisher schon so, aber derzeit müssen Betriebe eine Fortbildung wie normale Arbeitszeit vergüten. Es zeichnet sich ab, dass künftig die Kosten zu mehr als der Hälfte vom AMS übernommen werden.

Damit Fehlanreize nicht überhandnehmen, soll ab Oktober stärker kontrolliert werden. "Der Grund ‚Corona‘ allein reicht dann nicht mehr beim Antrag", erklärt ein Involvierter. Die Sozialpartner werden die wirtschaftliche Notsituation bei den Anträgen berücksichtigten.

Seitens der Gewerkschaft heißt es, dass im neuen Modell die Zahlungen mit den Gehältern mitwachsen sollen, statt sich am Letztgehalt wie davor zu berechnen. Schließlich gibt es bereits festgelegte Gehaltssprünge, und Abschlüsse von Kollektivverträgen stehen noch bevor.

Für Köppl-Turyna geht das Modell in die richtige Richtung. Auf dem Reißbrett hätte sie es aber anders geplant. "Anreize sind gescheiter als Kontrolle." Ihr Vorschlag: Unternehmen übernehmen einen Teil der Kosten im Nachhinein. Wie viel, soll vom Gewinn abhängen. So zahlt nur, wer erfolgreich war.

Außerdem sollte es eine Rolle spielen, was die Mitbewerber machen. Wer ohne guten Grund mehr Hilfsgelder als die Konkurrenz bezogen hat, könnte einen Teil zurückzahlen müssen. Wenn das im Vorfeld klar ist, setzen Unternehmer vermutlich seltener auf Kurzarbeit. Das spart Steuergelder und bringt mehr Dynamik in die Wirtschaft, um aus der Krise zu finden. (Leopold Stefan, 12.8.2020)