Fahrbahn mit Sonnenkraftwerk im ersten Stock. Forscher erhoffen sich neben der Stromerzeugung auch positive Effekte auf die Fahrbahnqualität.

Foto: Labor3 Architektur GmbH

Wird eine große Photovoltaikanlage als nachhaltige Form der Elektrizitätsgewinnung gebaut, ist vielleicht die grüne Wiese nicht der optimale Platz dafür. Immerhin gibt es bereits genug Infrastrukturen und verbaute Flächen, über die Paneele errichtet werden könnten, ohne weiteren Grünraum zu beanspruchen. Dazu gehören auch die Autobahnen.

Österreich verfügt über ein Autobahn- und Schnellstraßennetz von exakt 2175 Kilometern. Rechnet man mit einer Breite von zwei Mal 15 Metern, ergibt das eine Fläche von etwa 65 Quadratkilometern, die zumindest teilweise genutzt werden könnte. In Zeiten der aufkeimenden Elektromobilität könnte hier der Strom zudem genau dort erzeugt werden, wo er in den E-Autos auch zu großen Teilen verbraucht wird.

Zusatznutzen erforschen

Eine prinzipielle Umsetzbarkeit von stromerzeugenden Autobahnüberdachungen wurde in mehreren Projekten bereits belegt. Im neuen Projekt PV-Süd, das vom Austrian Institute of Technology (AIT) geleitet wird, sollen nun weitere Fragestellungen geklärt werden. Etwa: Welchen Zusatznutzen könnten die paneeltragenden Konstruktionen abseits der Energiegewinnung bringen? Helfen die Bauten, die Fahrbahn zu schonen und den Reparaturbedarf zu senken? Mit welchem Wartungsaufwand ist für Paneele und Tragekonstruktion selbst zu rechnen? Welche Anforderungen stellen Schneefall, Wind und Witterung an die Bauten? Wie praxistauglich sind die Konstruktionen aus Sicht der Verkehrsteilnehmer?

Das Projekt, an dem auch das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg im Breisgau und das Unternehmen Forster Industrietechnik beteiligt sind, soll diese Fragen für künftige Umsetzungen in Österreich, Deutschland und der Schweiz beantworten helfen. Förderungen kommen von der Förderagentur FFG aus Mitteln des Klimaschutzministeriums, vom deutschen Verkehrsministerium und vom Schweizer Bundesamt für Straßen, Astra.

Das nun angelaufene Forschungsprojekt wird aus zwei Phasen bestehen, erklärt Projektleiter Manfred Haider vom AIT-Center for Mobility Systems: "Das erste Jahr ist der Konzeption eines Demonstrators gewidmet, der mit geeigneter Messtechnik ausgestattet ist. Damit sollen dann an einem Standort im hochrangigen Straßennetz Daten zu Anforderungen und Praxistauglichkeit gesammelt werden."

Regen und Schnee

Das Konzept sieht vor, dass auf einer stabilen Trägerkonstruktion eine geneigte, mit den Paneelen besetzte Dachfläche gestaltet wird. Die Neigung soll nicht nur für eine höhere Energieausbeute sorgen, sondern auch dafür, dass Regen seitlich abgeleitet werden und Schnee abrutschen kann. Wie die Konstruktion mit Lärmschutzwänden am selben Autobahnabschnitt kombiniert werden kann, ist noch offen. Das PV-Dach könnte allerdings einen zusätzlichen Lärmschutzeffekt bringen.

Die Überdachung sollte gemäß den Planern jedoch keinen Tunnelcharakter erzeugen. Der Einsatz transparenter Paneele ist angedacht. Sie wären gerade für die Gestaltung der Übergangsbereiche – also Beginn und Ende der Überdachungen – eine Option. Andererseits verringern sie die Energieausbeute und sind angesichts von Schmutz- und Feinstaubablagerungen nur bedingt sinnvoll einsetzbar. Die Module selbst sollen möglichst langlebig und wartungsfrei sein. Muss eines ausgetauscht werden, soll das bei uneingeschränktem Autobahnbetrieb möglich sein.

PV-Überdachung als Fahrbahnschutz

Die PV-Überdachungen dienen gleichzeitig als Fahrbahnschutz. Es wird erwartet, dass etwa die Verminderung von Hitze und starken Temperaturwechseln sowie die Abschirmung vor Niederschlägen langfristig positive Wirkungen auf die Fahrbahnoberfläche haben und Reparaturen – und damit Baustellen – seltener notwendig machen. "Das ist eines der Hauptthemen für uns", sagt Haider. "Das Projekt zielt darauf ab, die erwartbaren Effekte zu verifizieren und zu quantifizieren."

Die verbaute Sensorik soll etwa Temperaturen, Akustik, Vibration und Photovoltaik-spezifische Daten vermessen. Während die Nutzungsdauer des Asphalts auf der Straße bei mehreren Jahrzehnten liegt, beträgt die Messdauer im Projekt aber lediglich ein Jahr. Haider ist sich aber trotzdem sicher, dass sich – auch in Kombination mit Daten aus anderen Projekten und anderen Fahrbahnüberdachungen wie Grünbrücken – aussagekräftige Rückschlüsse auf längere Zyklen ziehen lassen.

Wo die Testanlage konkret stehen soll, ist noch nicht klar – eventuell könnte die Wahl auf einen Standort in Deutschland fallen, der aber noch nicht Teil der freien Autobahnstrecke ist. "Eine Möglichkeit wäre, eine Zufahrt zu einem Rastplatz zu wählen, auf der es zwar Verkehr gibt, aber auch eine bessere Zugänglichkeit für Forscher und Techniker", sagt Haider. (Alois Pumhösel, 14.8.2020)