Um die Entstehung von Gehirntumoren frühzeitig zu erkennen, werden Chips mit "Laborinfrastruktur" entwickelt.

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Im Blut des Menschen können Biomarker Aufschluss über die Entstehung von Tumoren geben. Dabei geht es um das Vorkommen sogenannter microRNAs – Biomoleküle, die in der Regulierung der Genaktivität eine große Rolle spielen. Bei Verdacht auf Krebs oder zur Überprüfung der Therapie lassen microRNA-Profile – also eine Kombination mehrerer Varianten – im Blut schon früh Aussagen über die Art des Tumors zu. Der konkrete Nachweis ist allerdings aufwendig: Im Labor müssen die Biomoleküle beispielsweise vervielfältigt und mit fluoreszierenden Signalstoffen versehen werden, um die genauen Mengenverhältnisse zu eruieren.

Eine mögliche Variante zum Nachweis der microRNAs könnte künftig in eigenen Chips liegen, auf denen die "Laborinfrastruktur" zur Erkennung der Biomoleküle in kleinsten Dimensionen verbaut ist. Forscher des Research Center of Microtechnology der FH Vorarlberg arbeiten gemeinsam mit Partnern der Med-Uni Wien und der Uni Freiburg im Projekt µROX an der Entwicklung derartiger Lab-on-a-chip-Systemen, die microRNAs mit elektrochemischen Verfahren nachweisen. Unterstützt wird µROX vom Wissenschaftsfonds FWF.

Näher am Patienten

Die Vorteile der Technologie sind einleuchtend: "Man benötigt kleinere Probenvolumina, und das Verfahren ist relativ schnell", erklärt Projektleiter Stefan Partel von der FH Vorarlberg. "Das bedeutet, man könnte die Tests auch viel patientennäher durchführen – etwa bei einem Hausbesuch des Arztes. Der überschaubare Bedarf an Probenmaterial macht die Methode für die Diagnostik bei Babys interessant, denen man nur geringe Blutmengen abnehmen kann." Ein Fokus der Arbeit richtet sich deshalb auch auf das Erkennen bestimmter Gehirntumortypen bei Kleinkindern.

Lab-on-a-chip-Sensorsysteme werden bereits jetzt für andere, einfachere Diagnostikverfahren angewandt. Beispielsweise gibt es Anwendungen dieser Art, um Blutzucker oder Gerinnungsfaktoren des Bluts zu messen. Partel und Kollegen forschen an mehreren Chipdesign- und Sensorikvarianten, um zu prüfen, ob diese auch für den Nachweis der Krebsbiomarker geeignet sind.

Drei MicroRNAs gleichzeitig analysieren

Die entstehenden Chips sollen drei microRNAs gleichzeitig analysieren können. Je nach Messverfahren kann der Chip dabei so aufgebaut sein, dass es drei parallel arbeitende Sensorinfrastrukturen gibt oder dass drei Kanäle für die Probenflüssigkeit nacheinander dieselbe "Messstation" bedienen. Im Projekt konzentrieren sich die Forscher der FH auf Chipdesign und Sensortechnologie, während man an der Uni Freiburg für Kanäle und Flüssigkeitsmanagement und an der Med-Uni Wien für die Forschung an den microRNAs zuständig ist.

Die sogenannte Impedanzmessung ist eine der angewandten Methoden. "Es ist das direktere Messverfahren. Technologisch ist sie einfacher aufgebaut, die Interpretation der Messung aber schwieriger", urteilt Partel. Hier wird eine Flüssigkeit, die eine "Fänger-DNA" enthält, auf die Elektroden aufgebracht. Dabei handelt sich um eine sogenannte single-stranded DNA (ssDNA), die wie die RNA – und anders als gewöhnliche DNA, die im Doppelstrang organisiert ist – ein einstrangiges Molekül ist. Das Fängermolekül ist jeweils das exakte Gegenstück jener microRNA, die man ausfindig machen möchte. Nur an ihm kann sie im Zuge einer sogenannten Hybridisierung andocken. Diese Reaktion bewirkt eine Veränderung der Oberfläche der Elektroden, die als eine Veränderung der Impedanz – einer Form des elektrischen Widerstands – gemessen werden kann.

Verstärkung gesucht

Damit der Nachweis gelingt, muss das System möglichst sensitiv gestaltet sein. Partel und Kollegen erreichen diese Verstärkung der Sensitivität durch eine Optimierung des Elektrodenmaterials sowie durch eine Verringerung des Elektrodenabstands. "Wir erreichen Abstände von unter 100 Nanometern – etwa so klein wie der Durchmesser von Viren", erklärt Partel. "Wir konnten also zeigen, dass die Abstandsgröße definitiv einen Einfluss auf die Messgenauigkeit hat." Um für diese Messmethode einen stabilen Prozess zu schaffen, ist jedoch noch weitere Forschung nötig.

Eine alternative Methode zum Erkennen der microRNAs, die ebenfalls im Projekt untersucht wird, ist die amperometrische Messung. Hier werden Basenpaare aus microRNA und Fängermolekül mithilfe eines Enzyms, das an ihnen haftet, zusätzlich funktionalisiert und markiert, erklärt Patel. Das entstandene Medium reagiert in Oxidations- und Reduktionsprozessen, wobei es zu einem erhöhten Stromfluss kommt. Partel: "Durch den geringen Elektrodenabstand erreichen wir hier eine Verstärkung des Stromflusses um das 160- bis 180-Fache." (Alois Pumhösel, 14.8.2020)