Der Sprachassistent als Erinnerungsstütze? Forschungsprojekte an der FH St. Pölten haben gezeigt, dass das möglich ist.

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Letztlich verdankt es Michael Macher seiner Oma, dass er es auf den ersten Platz der "Alexa for Wellbeing Online Challenge" geschafft hat. Der Wettbewerb wurde von der FH St. Pölten organisiert, um für die lernfreudige Sprachassistentin von Amazon neue Einsatzmöglichkeiten im Gesundheits- und Sozialbereich zu erkunden. Als Smart- Engineering-Student hat Michael Macher gemeinsam mit seinem Kollegen David Schwarz aus Alexa eine jederzeit einsatzbereite, unendlich geduldige Gedächtnistrainerin gemacht, die seiner an Demenz leidenden Oma beim Erinnern hilft. Sie fragt die alte Dame immer wieder nach den Namen ihrer Kinder und Enkelkinder, nach dem eigenen Geburtsdatum, ihrer Wohnadresse oder dem aktuellen Wochentag.

Dass Alexa den Job als Gedächtnistrainerin mit individualisierter Fragenliste ausüben kann, macht Amazon durch Skills möglich. Mit ihnen können Fremdanbieter zusätzliche Funktionen für das Gerät freischalten und es mit Sprachsoftware zu unterschiedlichsten Themen anreichern.

Wie Michael Macher und David Schwarz sollten alle 15 an der "Alexa-Challenge" teilnehmenden Teams einen funktionstüchtigen Prototyp herstellen und in einem Zwei-Minuten-Video präsentieren. "Die rund 40 Teilnehmer und Teilnehmerinnen kamen nicht nur aus der IT, sondern aus unterschiedlichen Bereichen", berichtet der Initiator der Online-Challenge, FH-Professor Andreas Jakl. "So hatten wir drei Teams von Physiotherapeutinnen, die in diesem Rahmen erstmals hinter die Kulissen des Sprachassistenten geschaut haben."

Mentoren standen bereit

Um das für die jeweiligen Vorhaben benötigte technische, soziale oder pflegerische Zusatzwissen in die Teams einzubringen, standen Mentoren bereit. "Einer kam etwa von der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs", erzählt Andreas Jakl. Dort setzt man schon lange Sprache als Interface ein. "Ein Sprachassistent ist für sehbehinderte Menschen eine großartige Möglichkeit, da man nur relativ wenige Apps mit Sprache bedienen kann." Auch vom Hilfswerk Niederösterreich, einem der größten Anbieter gesundheitlicher, sozialer und familiärer Dienste, wurde die Challenge unterstützt. Amazon Web Services gewährte den Teilnehmern Zugang zu seinen Cloud-Diensten.

Und welche neuen Jobmöglichkeiten für Alexa haben die Juroren neben der als Gedächtnistrainerin am stärksten überzeugt? "Den zweiten Platz eroberte das ‚Easy Groceries‘-Team", berichtet Jakob Doppler, Leiter des Studiengangs Digital Healthcare an der FH St. Pölten. "Diese Gruppe hat Alexa darauf trainiert, ihre User bei der Bestellung regionaler Produkte von Bauern und anderen Anbietern aus der Umgebung zu unterstützen." So können alte oder kranke Menschen praktisch vom Bett aus und ohne mühsames Hantieren mit dem Smartphone ihre Lebensmittel bestellen und ins Haus liefern lassen. Und weil sich Alexa die vorhergehenden Bestelllisten merkt und daraus individuelle Gewohnheiten erfasst, kann sie sogar von sich aus maßgeschneiderte Vorschläge machen.

Alexa als Schwangerschaftsbegleiterin

Auch das Projekt "Wunschkind" konnte sich unter den Top 3 positionieren. Hier übernimmt Alexa die Rolle einer kundigen Schwangerschaftsbegleiterin. Sie ermittelt den wahrscheinlichen Geburtstermin, gibt Ernährungs- und Bewegungstipps oder informiert über Gewicht und Größe des Fötus in der jeweiligen Schwangerschaftswoche. "Zu diesem Thema gibt es natürlich auch zahllose Apps", weiß Andreas Jakl. "Aber sie sind nicht so einfach und bequem zu bedienen wie ein smarter Sprachassistent." Ein Vorteil, der mit fortschreitender Schwangerschaft zweifellos an Bedeutung gewinnt.

Dass ein Sprachassistent gerade für Menschen mit körperlichen Einschränkungen ein Plus an Lebensqualität bringen kann, steht außer Frage. Aber ist die Datensicherheit gewährleistet? Immerhin muss man Alexa sehr persönliche Informationen anvertrauen, wenn man ihre Dienste nutzen will. Außerdem sind IT-Schwachstellen nie auszuschließen, wie ein Versuch deutscher Forscher belegt: Ihnen gelang es, bei Alexa heimlich mitzuhören.

Keine Gesundheitsdaten

"Man darf über Sprachassistenten keine Gesundheitsdaten verarbeiten", erklärt Andreas Jakl. "Allerdings geht es bei unseren Entwicklungen ohnehin nicht um Gesundheit im engen Sinn, sondern um Wellbeing – also um allgemeine Tipps und Hilfestellungen für ein gesünderes Leben." Aber selbst dabei ist Vorsicht geboten.

Als entsprechend zertifizierte Medizinprodukte werden Sprachassistenten bereits in etlichen Krankenhäusern eingesetzt. Beispielsweise bei komplizierten Operationen, wo sie mündlich die nächsten Operationsschritte anleiten. (Doris Griesser, 16.8.2020)