Die Kamera schwenkte über Wien, vom Oberen Reisenbergweg, einer jener kostbaren Wiener Orte – in der Stadt, aber fast auf dem Land. Sehr beruhigend. Das war der Regie der "Sommergespräche" aber nicht genug, es mussten auch noch drei oder vier Feuerschalen aufgestellt werden, sodass man jeden Moment erwartete, dass Göttervater Wotan auftaucht und singt: "Wer meines Speeres Spitze fürchtet, durchschreite das Feuer nie …" Das Feuer setzte auch in einer Schale einmal aus, es vergingen spannende Minuten, ehe die Waberlohe wieder funktionierte. Man hätte sich auch noch einen Schwenk auf die gegenüberliegenden Hänge gewünscht, wo Weinberge, Oligarchenvillen und Kleingärten einen schönen Mix ergeben. Ein feuchter Traum jedes Immobilienentwicklers, zum Glück durch weise Widmungen des Wiener Gemeinderats halbwegs geschützt.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) zu Gast beim ORF-"Sommergespräch".
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Dieses Idyll wurde durch die "Sommergespräche" mit ihren üblichen "Wie fühlen Sie sich?"-Fragen und originellen Quiz-Spielen ("Resetarits oder Netrebko?") nur unwesentlich gestört. Der Gast des Abends, Werner Kogler, wirkte etwas unterfordert und war daher schon unaufmerksam. Dadurch entfuhr ihm das Eingeständnis, dass es eigentlich noch kein Konzept dafür gibt, wie es jetzt mit den Corona-Maßnahmen im Herbst weitergehen soll.

Daran werde "gearbeitet", sagte Kogler, ohne dass die Nachfrage kam: "Aber in drei Wochen beginnt wieder die Schule und ein, zwei Monate später werden wir uns alle wieder in geschlossenen Räumen aufhalten müssen, und wie wird das mit den Kulturbetrieben, und wer wird wann und wo die Maske verpflichtend aufsetzen müssen, wie ist das jetzt mit den massenhaften Tests, und wie viele Klein-und Mittelbetriebe werden bis dahin Ihrer Meinung nach pleite sein, und gibt’s da schon irgendwelche Ideen?"

Kein Konzept

Diese Auskunft blieb uns mangels nachhaltiger Fragestellung verwehrt, und das wiederum verstärkte den Eindruck: Die Regierung hat kein Konzept für die Phase einer möglichen zweiten Welle im Herbst und Winter.

Zu viele Fragen sind offen. Eltern sind breitflächig verunsichert, wie das mit der Schule wird. Die vehemente Ablehnung von Masken für Schüler und Lehrer durch Unterrichtsminister Heinz Faßmann steht in einem gewissen Widerspruch zu der Meinung etlicher Virologen, die ein differenziertes Maskentragen auch in der Schule befürworten. Wenn man im Supermarkt Maske tragen muss, warum dann nicht auch in kleineren Läden? Muss man nicht den Ein-Meter-Abstand überdenken, da in den meisten anderen Ländern mindestens 1,5 Meter vorgeschrieben sind?

Die Nonchalance von Vizekanzler Kogler, was die gesetzwidrigen Verordnungen (über Aufenthaltsbeschränkungen usw.) betrifft, erregte aber das meiste Befremden in diesen Wohlfühl-"Sommergesprächen". Der Erfolg der Maßnahmen hängt von der Akzeptanz durch die Bevölkerung ab. Viel Vertrauen ist bereits verlorengegangen. Zuerst hieß es, Masken helfen nicht (eine bewusste Fehlinformation, weil man zu wenig hatte), dann richtigerweise, dass sie doch sinnvoll sind. Das schadet ebenso wie die rechtswidrigen Verordnungen.

Es wird Zeit, die Regierenden ernsthaft und nachdrücklich nach ihrem Corona-Konzept für den Herbst zu fragen. (Hans Rauscher, 12.8.2020)