Bei dem Gesetz will Alma Zadić (Grüne) Änderungen in der Strafverfolgung von rechtswidrigen Inhalten vorstellen, Karoline Edtstadler (ÖVP) will Plattformen zur Löschung verpflichten.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Die obligatorische Pressekonferenz der Regierung hätte bereits vor Tagen über die Bühne gehen sollen. Sie ist auch weiterhin nicht in Sicht, da sich ÖVP und Grüne beim Thema Hass im Netz nicht einigen können. Im August soll das entsprechende Gesetzespaket vorgestellt werden, heißt es am Dienstag dazu – bisher wurde mehrfach von der jeweiligen oder der jeweils kommenden Woche gesprochen.

Das grüne Justizministerium will Änderungen in der Verfolgung von Hasspostings vorstellen, das türkise Kanzleramt eine Löschpflicht rechtswidriger Inhalte für Onlineplattformen. Dabei erinnern die Pläne an eine österreichische Version des deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG), das Plattformen zu Meldeverfahren verpflichtet und Verstöße mit Geldstrafen ahndet.

Dem SPÖ-Mediensprecher Thomas Drozda dauert der Prozess zu lange. Er will endlich den fertigen Gesetzesentwurf sehen, schließlich sei das Paket "ja bereits oft genug angekündigt" worden, wie er dem STANDARD sagt. "Entwürfe, die derzeit kursieren, dürften eher für heimische Verlage zusätzliche Bürokratie bedeuten, als im Silicon Valley Angst und Schrecken auszulösen", so Drozda. Er sieht auch eine Boshaftigkeit gegenüber einigen österreichischen Medien, die eine große Foren-Community beherbergen. Ein auf Twitter veröffentlichter Entwurf aus dem Kanzleramt sieht vor, dass von dem Gesetz Plattformen betroffen sind, die über 100.000 Nutzer im vergangenen Quartal hatten und mehr Umsatz als 500.000 Euro generieren. Damit wären auch heimische Medien betroffen.

Kurzfristig löschen

Sie müssen rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden beziehungsweise einer Woche nach einer Beschwerde prüfen und löschen. Zusätzlich verlangt die Regierung fixe Ansprechpartner bei den Plattformen, die "unverzüglich" handeln müssen. Plattformen, darunter auch Verlage, sollen also Personen abstellen, die rund um die Uhr auf derartige Meldungen reagieren müssen – und juristisch sattelfest sind. Bei systematischen Verstößen drohen Strafen, kontrollieren soll das die Regulierungsbehörde Komm Austria.

Eine umstrittene Regelung, da organisierte Meldekampagnen schon jetzt etwa zum Repertoire von Rechtsextremisten zählen, die mittels hunderter Meldungen gegen unliebsame Personen und Organisationen in sozialen Netzwerken vorgehen. Dieses Aufkommen können Verlage nur mit enormem Personalaufwand begegnen. In Zeiten knapper Redaktionsbudgets wäre das schwierig zu stemmen. Für Douglas Hoyos-Trauttmansdorff von den Neos ist unverständlich, warum die Regierung nicht mit den betroffenen Medien zusammenarbeitet, um auf eine gemeinsame Lösung zu kommen. Damit könnten Sorgen vor Zensur ausgeräumt werden, so der Abgeordnete.

Auch die FPÖ sieht die Pläne kritisch. "Beim angeblichen Kampf gegen Fake News und gegen Hass im Netz geht es der Regierung in Wahrheit darum, Regierungskritik und politisch nicht korrekte Meinungsäußerungen möglichst zu unterbinden", findet die Nationalratsabgeordnete Susanne Fürst.

Plattformen "in den Ruin treiben"

Kritik gibt es auch aus der Zivilgesellschaft. Thomas Lohninger von der Grundrechts-NGO Epicenter Works findet es "erschreckend", wie "überstürzt" das Gesetz geschrieben worden sei. "Es gäbe durchaus mutige Ideen, die gut für User wären und Gerechtigkeit in den Moderationsprozess auf den Plattformen bringen würden" – aber erst müsse man sich einigen, welche Anbieter überhaupt betroffen sind.

Regeln, die für Plattformen wie Tiktok oder Facebook gelten, müssten hart sein, um ernst genommen zu werden, würden aber die meisten anderen Plattformen "in den Ruin treiben". "Wir argumentieren deshalb für eine globale Umsatzgrenze von 750 Millionen Euro, ab der Plattformen erst unter das Gesetz fallen sollten", sagt der Aktivist.

Auch bleibe mit dem österreichischen Entwurf die Problematik des Overblockings erhalten: Plattformen könnten aus Angst vor Strafen auch legale Inhalte entfernen. Einer ebenso kritischen Auffassung ist Wikimedia, die Trägerorganisation der Wikipedia. Grundsätzlich gehöre die Moderation bei den großen, global tätigen IT-Konzernen besser geregelt, sagt Geschäftsführer Raimund Liebert. "Man muss nur aufpassen, dass es nicht in erster Linie kleinere Seiten erwischt, die zu starre Anforderungen zum Beispiel bei den Löschfristen ganz praktisch nicht erfüllen können."

Frei und durchdacht

Gesetzliche Verschärfungen seien zwar begrüßenswert, allerdings nur "sehr zielgerichtet und durchdacht". Eine globale Umsatzgrenze sei ein sinnvoller Ansatz, stattdessen eine niedrige Schwelle und Ausnahmen für Wikipedia oder Online-Enzyklopädien erachtet der Österreich-Geschäftsführer des gemeinnützigen Projekts für nicht zielführend, unter anderem, da die Wikipedia von einem "möglichst vielfältigen Biotop des freien Wissens im Internet" abhängig sei. (Muzayen Al-Youssef, Markus Sulzbacher, Sebastian Fellner, 11.8.2020)