Das Restaurant der Porzellanmanufaktur im Augarten heißt jetzt Sperling und hat eine austrolevantinische Küchenrichtung.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Auf ersten Blick verblüfft es immer noch, warum ein Gastronomiebetrieb in dieser Lage und mit solchen Prachtterrassen nicht längst die begehrteste Location der Stadt ist – ob für rhythmisches Rumgehopse in lauer Sommernacht oder souverän tantenhafte Konditorkunst zum Kaffeekränzchen (oder beides!). Immerhin ist der Augarten mit seiner Mischkulanz aus imperialer Größe, rattenfreundlich verwilderten Barock-Labyrinthen und bröckelnden Nazibunkern – das Sängerknaben-Pensionat (einst Schuschnigg-Residenz!) nicht zu vergessen – einer der atmosphärisch wie historisch besonders verdichteten Orte der Stadt. Nominell ist die Lage im Park, nahe dem Zentrum und doch weitab von verbautem Gebiet, natürlich prädestiniert, die dunkel raunende Grandezza vergangener Jahrhunderte auf zeitgemäße, demokratische Weise zu feiern.

Aber leider ist nichts davon denkbar, im Gesindetrakt vor dem Schloss gibt es bis heute ein paar Wohnungen. Es wäre nicht Österreich, wenn die Schlossparkruhe der wenigen nicht auf alle Zeit den Hoffnungen der vielen – und erst recht der Jungen – überzuordnen wäre: War bei uns doch immer so. Ob und wie das hausbackene Spitzendackerl-Image der Augarten-Manufaktur als Verpächter einer international bemerkenswerten Nutzung auch sonst entgegenstünde, bleibt dahingestellt.

Pünktlich bezahlen

Jedenfalls müssen auch die neuen Betreiber des Restaurants damit leben, dass ihre Besucher, selbst wenn sie pünktlich zur Sperrstunde (22 Uhr!) um die Rechnung bitten, nur mit Glück noch durchs Gartentor zurück in die offene Stadt entwischen können. Umso bemerkenswerter, wie gut das neue "Sperling" auch (früh)abends besucht ist.

Ach ja: Wer verstehen will, wo der Spatz im Lokalnamen herkommt, darf sich auf artenkundliche Verrenkungen gefasst machen. Josef II. ließ anlässlich der Öffnung des Parks für die Allgemeinheit Nachtigallen aussetzen. Die sind (wie mehr als 5700 weiteren Arten) taxonomisch den Sperlingsvögeln zuzuordnen. Vollends schiefköpfig wird die "Idee", wenn im Restaurant eine "Ahnentafel" des namensgebenden Spätzchens (mit allerhand Postern von Raubvögeln und Fantasy-Dodos, aber ohne Sperlingsvögel?) ausgewalzt wird – als ob da jemand Angst vor der großen weißen Wand gehabt hätte.

Tantentauglich

Aber egal, im Gegenzug bemüht man sich beim Essen um einen zeitgemäßen Anstrich. Es gibt levantinisch angehauchte Speisen inklusive fleischloser Optionen, die sowohl als kleine Gerichte wie auch Beilagen interpretiert werden können. Manches, wie der an Taboulé gemahnende "lauwarme Einkornsalat" oder die roten Rüben aus dem Ofen mit Honig und Joghurt – gerät angenehm, wenn auch tantentauglich schüchtern gewürzt. Anderes, wie das mit Vanille geschmorte Weißkraut geht leider daneben – niemand will Kelch, der so gnadenlos nach Stiegenhaus miachtelt, auch nicht mit Vanilleparfum!

Löffelweich geschmorte Melanzani.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Dafür ist die löffelweich geschmorte Melanzani (siehe Bild) richtig köstlich, auch die sautierten Pilze machen Freude. Und die Hauptspeisen? Im Ganzen frittierte Forelle ist saftig und knusprig zugleich, der Schweinebauch (ein bisserl eine Sau muss in Wien, Levante hin oder her, offenbar sein) ebenso. Beef Tartare braucht hier keiner, der feuchtnasse Hack mit rohem Zwiebel-Gemüsepüree weckt keine animierenden Assoziationen, dafür ist der kalte Schweinsbraten ("Carpaccio") mit gegrillter Paprika, Senfsauce und Babyspinat ein durchaus erfreulicher Park-Imbiss. Mehlspeisen sind an einem Ort wie diesem natürlich wichtig, da sollte man sich an die ofenwarmen Buchteln (wobei: mit Vanillesauce ODER Marmelade?) halten. (Severin Corti, RONDO, 14.8.2020)

Google-Map: Aktuelle Restaurantkritiken in Wien

Lokale in Österreich: Severin Cortis Restaurantkritiken gesammelt