Nachdem eben erst das Außerfern mit seiner extravaganten Idee, laute Motorräder auf den Bergstraßen zu verbieten, für Aufsehen gesorgt hat, gibt es inzwischen eine weitere Eigenheit in der Verkehrspolitik im Bundesland Tirol. Diesmal steht der Autoverkehr über allem: In der Tourismusgemeinde Gerlos, in einem Seitental des Zillertals, wurden auf der Durchzugsstraße B165, der Gerloser Landesstraße, alle Zebrastreifen entfernt – auch jener vor der Volksschule. Grund dafür ist, dass eine Untersuchung durch eine private Firma ergeben hat, dass die Schutzwege nicht dem Stand der Technik entsprechen würden, worauf der Gemeinderat schon im Dezember 2019 einstimmig beschlossen hat, alle Schutzwege zu entfernen.

Auf der B165 durch Gerlos wurden alle Zebrastreifen entfernt, weil sie nicht sicher genug waren und zu wenige Autos vor ihnen anhielten. Nun kann der Verkehr ganz ungehindert fließen.
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"Vor und nach dem Schutzweg sollte ein Fünf-Meter-Streifen frei sein. Das lässt sich bei uns aufgrund der räumlichen Situation leider Gottes nicht umsetzen", sagt der Bürgermeister von Gerlos, Andreas Haas (Allgemeine Liste), im ORF Tirol, zeigt dabei auf Parkplätze, die vor und nach dem weggeschrämmten Fußweg eingerichtet sind, und meint: "So sind wir gezwungen gewesen, diesen Schutzweg aufzulassen." Die Parkplätze zu entfernen war wohl keine Option. Nicht einmal vor der Volksschule konnte der Schutzweg erhalten werden. Der Bürgermeister spricht sich stattdessen für eine andere Verkehrserziehung der Kinder aus.

"Es wird den Kindern zu Hause und in der Schule suggeriert, 'Kinder, gehts über den Schutzweg, da seids sicher'", sagt Haas. "Leider haben wir bei einer Überprüfung feststellen müssen, dass von drei Autos nur eines (vor dem Schutzweg, Anm.) stehen geblieben ist. Ich glaube, dass die sicherere Variante ist, Kindern in der Schule bei der Verkehrserziehung und auch zu Hause mitzugeben, am Straßenrand stehen zu bleiben, sich zu überzeugen, ob sie die Straße sicher überqueren können, und erst dann die Straße zu betreten."

Wenig verwunderlich sind viele Einwohner von Gerlos von dieser Lösung nicht begeistert und finden die Situation nun noch gefährlicher als vorher. Vor allem bei winterlichen Verhältnissen und bei schlechter Sicht fürchtet man, das sich die Situation dramatisch zuspitzen könnte. Eine rasche Lösung steht derzeit nicht im Raum, wenn man Haas zuhört: "Es gibt den Ansatz, dass man sagt, man macht Fußgängerampeln, was natürlich immer mit großen Verkehrsstaus bei uns verbunden ist." Es gebe eine zweite Variante, "die wahrscheinlich die beste Variante ist", wie sie der Bürgermeister nennt, die auf Verkehrsinseln basiert. Demnach solle man versuchen, erst in die Mitte der Fahrbahn zu kommen, um dann von dort, wenn auf der zweiten Fahrbahn eine Lücke frei ist, die restliche Straße überqueren zu können.

Bei dieser Maßnahme kann der Autoverkehr weiter ungehindert durch den Ort fließen. Nachteile für Fußgänger nimmt man in Kauf. Zumindest das Problem der unsicheren Schutzwege ist damit ja hinreichend gelöst. (glu, 12.8.2020)