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Adipöse COVID-19-Patienten landen deutlich häufiger im Krankenhaus. Woran das liegt, ist noch nicht eindeutig belegt.

Foto: AP/Mark Lennihan

Schon zu Beginn der Covid-19-Pandemie deutete sich an, dass übergewichtige und fettleibige Patienten im Schnitt mit schwereren Verläufen von Sars-CoV-2-Infektionen zu kämpfen haben. Wie stark dieser Zusammenhang ist und was die Ursachen für das Phänomen sein könnten, ließ sich zunächst aufgrund fehlender Daten kaum feststellen. Daher forderte eine Gruppe von Wissenschaftern vom Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD), dem Boston Children’s Hospital und der Harvard T. H. Chan School of Public Health im April in einem Comment der Fachzeitschrift "Nature Reviews Endocrinology" mehr Untersuchungen zu diesem Thema.

Mittlerweile hat sich die Studienlage etwas verbessert: Im Mai stellten Forscher des New Yorker NYU Langone Medical Center bei einer umfassenden Analyse im Fachjournal "The BMJ" fest, dass von 1.999 hospitalisierten Corona-Patienten annähernd 40 Prozent adipös waren. Weiters kamen die Wissenschafter zu dem Schluss, dass Fettleibigkeit die Patienten ungefähr so stark gefährdet wie eine Herzinsuffizienz, aber deutlich stärker als Lungen- oder Krebserkrankungen.

Zu ähnlichen Resultaten kam auch eine Untersuchung der Uniklinik RWTH Aachen: 83 Prozent jener Patienten, die unter akuter Atemnot litten oder künstlich beatmet werden mussten, waren demnach übergewichtig. Vergleichbare Daten lieferten auch Arbeiten aus Frankreich und China.

Über 300 Prozent höheres Risiko, im Spital zu landen

Eine der bislang größten Studien über den Zusammenhang zwischen Übergewicht und Krankheitsverlauf einer Covid-19-Infektion präsentierte nun ein Team um Mark Hamer vom University College London im Fachjournal "PNAS". Das wichtigste Ergebnis der Analyse von Gesundheitsdaten von 334.329 Erwachsenen in England lautet: Menschen mit schwerer Adipositas werden mehr als dreimal so häufig mit massiven Covid-19-Symptomen ins Krankenhaus eingeliefert wie diejenigen, die normalgewichtig sind.

Das Risiko einer Spitalseinweisung nach einer Sars-CoV-2-Infektion steigt bei stark adipösen Menschen damit um mehr als 338 Prozent, bei leicht adipösen Erwachsenen um 70 Prozent und bei übergewichtigen Personen um fast 39 Prozent. Insgesamt stieg die Wahrscheinlichkeit für einen Krankenhausaufenthalt mit jeder Erhöhung des Body-Mass-Index (BMI) um fünf Punkte um 20 bis 30 Prozent.

"Ein höheres Risiko war dadurch selbst bei jenen Studienteilnehmern erkennbar, die eine bescheidene Gewichtszunahme zeigten", sagt Hamer. Angesichts der Tatsache, dass bis zu zwei Drittel aller Erwachsenen in den Industriestaaten übergewichtig oder fettleibig sind, bestünde für einen großen Teil der Bevölkerung eine erhöhte Gefahr für schwere Verläufe während der Pandemie, so die Forscher.

Ursachen bleiben ungewiss

Die Ursachen dieses Zusammenhangs sind allerdings weiterhin unklar. Hamer und sein Team vermuten jedoch, dass die Unfähigkeit adipöser und stark übergewichtiger Menschen, Fette und Zucker im Blutkreislauf effizient zu verarbeiten, eine Rolle spielt. Dies könnte zu vermehrten Entzündungsreaktionen führen. Auch frühere Untersuchungen fanden bei fettleibigen Covid-19-Patienten Hinweise auf ein unkontrolliertes Überschießen des Immunsystems, das zu Kreislaufschock und multiplem Organversagen führen kann.

Außerdem berichteten Intensivmediziner, dass eine hohe Fettkonzentration im Bauchraum Zwerchfell und die Lungen zusammendrücken und damit eine mechanische Beatmung erschweren. (tberg, 13. 8. 2020)