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Die 26 Statuen des sogenannten königlichen Schatzes von Abomey, die 1892 bei der Eroberung des früheren Königreichs Dahomey von französischen Truppen erbeutet wurden, sollen zurück an ihren Herkunftsort.

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Die historischen Königspaläste von Abomey stehen seit 1985 unter Unesco-Welterbeschutz. Sie sollen touristisch wiederbelebt werden, für die restituierten Statuen baut man ein Museum.

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Das Musée des civilisations noires in Dakar, Senegal, wurde 2018 eröffnet. Es soll einen symbolisch wertvollen Säbel eines Widerstandskämpfers gegen das französische Kolonialregime erhalten.

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Die Debatte um die Rückgabe von Kulturgut aus kolonialen Kontexten wurde zwischenzeitlich vom Coronavirus in den Schatten gestellt. Mitte März aber war das Thema wieder da, auf ziemlich spektakuläre Art: Eine Gruppe von Black-Lives-Matter-Aktivisten spazierte am Rande der Antirassismusproteste in das Pariser Völkerkundemuseum Musée du Quai Branly – Jacques Chirac, um einen geschnitzten Holzstab aus dem Sudan des 19. Jahrhunderts, der bei Beerdigungszeremonien verwendet wurde, symbolisch zu stehlen und an seinen Ursprungsort zurückzubringen. Die Gruppe scheiterte am Sicherheitspersonal, im September muss sie sich wegen gemeinschaftlichen versuchten Diebstahls von Kulturerbe vor Gericht verantworten. Die Argumentation der Aktivisten ist dabei klar: Nicht sie seien die Diebe, sondern das Museum.

Seit den 1960er-Jahren kämpfen afrikanische Communitys darum, zumindest einige der Millionen im Kolonialismus nach Europa und Nordamerika verbrachten Kulturschätze des unterjochten Kontinents wieder zurückzuholen. Mit mäßigem Erfolg. Doch seitdem sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron als Eisbrecher im verschämten Umgang der Franzosen mit der Kolonialgeschichte stilisieren und das Thema Restitution vorantreiben will, kommt Bewegung hinein. In Trippelschritten zwar, aber doch.

Frankreich regelt Rückgaben gesetzlich

Drei Kulturminister waren seit Macrons Vorstoß in zwei Jahren im Einsatz, die Gelbwesten-Proteste, der Brand von Notre Dame und zuletzt die Corona-Krise banden Ressourcen. Aber jetzt sind sie da: neue Gesetze, auf Basis derer Kulturgüter im größeren Stil an afrikanische Staaten restituiert werden können.

In den Senegal zurückkehren soll ein bereits im November 2019 symbolisch übergebener Säbel aus dem Pariser Armeemuseum. Er gehörte Scheich Hadj Omar Saïdou Tall, der in den 1850er-Jahren einen Aufstand gegen die französische Kolonialmacht anführte. Das Objekt soll künftig im neu errichteten Museum der schwarzen Zivilisation in Dakar ausgestellt werden.

Die größere Rückgabe betrifft die Republik Benin: 26 Statuen des sogenannten königlichen Schatzes von Abomey, die 1892 bei der Eroberung des früheren Königreichs Dahomey von französischen Truppen geplündert wurden und heute im Pariser Musée du Quai Branly einen prominenten Platz einnehmen. Sie sollen wieder in den Königspalästen in Abomey Aufstellung finden. Die Anlage zählt seit 1985 zum Unesco-Weltkulturerbe und harrt ihrer touristischen Wiederbelebung. Für die Baukosten eines Museums, das die Statuen fachgerecht aufnehmen kann, hat Frankreich dem Senegal Kredite zugesagt.

Fortschritte in Berlin und Wien

Fortschritte gemacht hat die Debatte auch in Deutschland. Eine neu eingerichtete zentrale Anlaufstelle für Fragen zu Kulturgütern aus kolonialen Kontexten hat kürzlich ihre Arbeit aufgenommen. Sie soll zwischen Bund und Ländern sowie Antragstellern aus den afrikanischen Staaten vermitteln, Kontakte herstellen und eine Informationsbasis dafür schaffen, welche Bestände sich wo befinden.

Über eine Million Euro lässt sich Berlin die vorerst auf drei Jahre angelegte Stelle kosten. Besonders das entstehende völkerkundliche Humboldt-Forum könnte von Forderungen betroffen sein. Am Umgang mit der belasteten Sammlungsgeschichte gibt es seit Jahren Kritik, der geplante Eröffnungstermin wurde bereits mehrfach verschoben, zuletzt von September auf Dezember.

Mayer will initiativ werden

In den Wiener Museen lagern ebenfalls zehntausende Objekte aus kolonialer Zeit, wie viele davon tatsächlich problematisch sind, muss erst die Forschung zeigen. Kultur-Staatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) will noch heuer aktiv werden: "Die Erweiterung der Provenienzforschung um einen Bereich für kolonial belastetes Kulturgut ist Teil des Regierungsprogramms und steht daher selbstredend auf meiner Agenda", sagt sie dem STANDARD.

Noch heuer werde ein Sammelband zum Thema erscheinen, der die Erkenntnisse zweier Workshops zum Thema im Jahr 2019 zusammenfasst. In weiterer Folge seien "Diskussionen über die weitere Vorgehensweise in Bezug auf Veröffentlichung, Aufarbeitung, eventuelle Rückgaben bzw. Repatriierungen zu führen". Und auch Geld wird in die Hand genommen: 160.000 Euro für vier Forschungsprojekte im Technischen, Naturhistorischen und Weltmuseum sowie im Mak sind budgetiert. Die Projekte starten im Herbst und laufen ein Jahr. 2021 sei ein weiterer Ausbau geplant.

Im Weltmuseum, wo 13 Bronzen aus dem früheren Königreich Benin (heute Nigeria) für eine künftige Restitution infrage kämen, bräuchte man für die weitere Forschung an 36.000 Inventarnummern mehr Geld. Eine zentrale Anlaufstelle, wie sie Deutschland eingerichtet hat, fände man ebenfalls sinnvoll.

Aber auch auf inhaltlicher Ebene bleibt das Thema präsent: Im Oktober startet im Weltmuseum die Ausstellung Stories of Traumatic Pasts: Counter-Archives for Future Memories. Gezeigt werdenkünstlerische Auseinandersetzungen mit verdrängter Geschichte – Kriegsverbrechen in NS-Österreich und in den Jugoslawien-Kriegen und der grausame Völkermord während der belgischen Kolonialherrschaft im Kongo, dem bis zu zehn Millionen Menschen zum Opfer fielen. (Stefan Weiss, 13.8.2020)