Im Team von HC Strache tummeln sich Corona-Verschwörungstheoretiker.

Foto: APA/Fohringer

Heiß war bei der Präsentation der blauen Kandidaten für Wien nur das Wetter. "Die miaßn olle in da Sunn stehn", beklagte Klubobmann Toni Mahdalik mit Blick auf die aufgefädelten Kandidaten, die zuvor zwanzig Minuten lang von Parteichef Dominik Nepp vorgestellt worden waren. Der wetterte wie gewohnt gegen "Irrsinnigkeiten", "Skandale" und "Wahnsinn". Grund zur Aufregung findet Nepp fast überall: im Gesundheitswesen, im Verkehr, bei der türkis-grünen Bundesregierung und der rot-grünen Stadtregierung. Gegen all das will die FPÖ Wien ein "Schutzschild" sein. Dieser Schutzschild besteht aus Altbewährten. Unter den ersten 15 Kandidaten für die Wiener Landtagswahl im Oktober befinden sich nur bekannte Gesichter – und nur zwei Frauen.

Angeführt wird die Liste von Nepp und Maximilian Krauss. Vorbei sind die Zeiten, als Nepp und Krauss noch gemeinsam mit Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus auf Ibiza urlaubten. Das dort entstandene Video sorgte nach dessen Erscheinen im Mai 2019 für einen Riss durch die Wiener FPÖ, die ihre zwei dominanten Persönlichkeiten verlor. Was blieb: viel Ärger. "Blöder geht's doch echt nimmer", schrieb Nepp beispielsweise in einer internen Chatgruppe mit Krauss, gemeint waren offizielle Parteispenden von einem Strache-Freund. Und: "Interessant wären Zahlungen dahinter." Im Wahlkampf will man derartige Dinge aber beiseitelassen.

Das Kandidatenteam der FPÖ wurde am Mittwoch vorgestellt
DER STANDARD/APA

Rechts außen offen

Wofür die FPÖ Wien abseits vom Kampf gegen "Irrsinnigkeiten" steht, ist noch nicht klar. Ebensowenig wie ihre Beziehung zu rechts außen. Für Ursula Stenzel, die wieder für die Bezirksvorstehung in der Inneren Stadt kandidieren wird, sind beispielsweise nicht alle Mitglieder der Identitären Bewegung rechtsextrem. Anknüpfungspunkte an diese Gruppe hat auch Leo Kohlbauer, der laut Nepp "bei Journalisten für sein Engagement bekannt ist". Gemeint könnten damit etwa Kohlbauers Provokationen sein. So schmiss der Landtagsabgeordnete im Juni eine Regenbogenflagge in den Müll, teilte das online, löschte es dann aber wieder.

"Soros muss weg"

Überraschungen gab es dafür bei der Kandidatenliste des abtrünnigen Ex-Parteichefs Heinz-Christian Strache. Auf Platz 17 findet sich die Flugbegleiterin Christina Kohl, die sich auf sogenannten Corona-Demos engagiert. "Soros muss weg, Rothschild muss weg, Rockefeller muss weg", schrie Kohl dort in bester antisemitischer Manier. Nachdem eine andere Demoteilnehmerin psychiatrisiert wurde, drangen Kohl und ein weiterer Team-HC-Unterstützer in ihr Krankenzimmer ein, um ein Video mit ihr online zu stellen.

Kohls Arbeitgeber, die Austrian Airlines, zeigten sich über ihre Aussagen wenig erfreut und sprachen von "öffentlich antisemitische Äußerungen", die mit den Firmenwerten "in keinster Weise zu vereinbaren" seien. AUA-Sprecher Peter N. Thier sagte dem Kurier am Donnerstag, sie sei "keine Mitarbeiterin mehr".

"Motiviere einen Idioten, und du hast einen motivierten Idioten ... und wem hilft das?" – das sagte Salwa Maghsood in einem Interview. Sie wird Platz zehn auf Straches Liste einnehmen. Maghsood, deren Eltern aus dem Irak geflüchtet sind, vertreibt Produkte von Herbalife; dem US-Konzern wurde mehrfach vorgeworfen, ein Pyramidensystem zu betreiben. Eine Verurteilung in Belgien wurde 2013 allerdings aufgehoben. Gegen die "Impfmafia" wetterte der Polizeiarzt Serge Paukovics, der auf Listenplatz elf kandidiert – offenbar versucht Strache, mit Corona-Verschwörungstheoretikern Stimmen zu machen.

Ein Hauch von Jörg Haider

Erinnerungen an die Glanzzeit der FPÖ vor Strache werden mit der Listendritten Raphaela Goeschl-Marambio wach. Sie betreibt eine Firma mit ihrem Vater Harald Goeschl, den Politinsider noch als Mitglied von Jörg Haiders sogenannter Buberlpartie kennen. Dort übernahm Goeschl die Rolle als Mittelsmann zum libyischen Diktator Muammar Gaddafi, inklusive Problemen beim Export von Waren aus Österreich. Über ein Porträt von Kohl in der "Kronen Zeitung" mokierte sich Göschl am Dienstag auf Facebook: "Journalismus auf tiefster Ebene, echt traurig, und diese Zeitung behauptet in ihrer Werbung, objektiv und nicht gekauft zu sein." Das einzige Like dazu: vom Swingerclub "Paradies Sauna". Über Jörg Haider philosophieren kann Goeschl vermutlich mit dem Listensiebten, dem Studenten Alexander Lahnsteiner. Fotos auf dessen Facebook-Seite zeigen, wie er vergangene Woche die "Dr. Jörg Haider Gedenkstätte" in Lambichl besuchte, um eine Kerze anzuzünden.

Auf den Plätzen zwei, vier und fünf finden sich jene Gemeinderäte, die als Erste ins Team Strache gewechselt sind – damals noch als DAÖ betitelt. Nämlich Karl Baron, Dietrich Kops und Klaus Handler. Wie der Geschwisterkampf zwischen FPÖ und Team HC ausgehen wird, ist noch unklar. Beide Parteien pfeifen auf aktuelle Umfragen, sondern hoffen auf einen leidenschaftlichen Wahlkampf. Ob Strache wegen seiner Wohnsitzproblematik selbst antreten darf, wird erst Mitte August entschieden werden. Um gute Fotos für den Wahlkampf muss sich Straches Team immerhin keine Sorgen machen: Auf Platz 18 kandidiert der Fotograf Philipp Enders, der laut eigenen Angaben "nahezu alle Prominenten der österreichischen und Wiener Society" fotografieren konnte. (Fabian Schmid, 12.8.2020)