Prägnanter Bart: Demonstrierende fordern das Aus für Präsident Alexander Lukaschenko.

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Demonstrantinnen in Minsk.

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In vielen Städten von Belarus (Weißrussland) sind am Mittwoch Frauen auf die Straßen gegangen. In Weiß gekleidet hielten sie Blumen als Zeichen ihres friedlichen Protests gegen Polizeigewalt hoch. Die erste Aktion begann am Vormittag am Komarowski-Markt in Minsk, wo hunderte Teilnehmerinnen eine Menschenkette bildeten.

Viele Passantinnen reihten sich ein, vorbeifahrende Autofahrer hupten als Zeichen der Solidarität. Zwar löste die Polizei mit Drohungen nach einigen Stunden die Menschenkette auf, doch die Aktion fand schnell Nachahmerinnen im ganzen Land. So stellten sich auch in Grodno, Schodino, Lida und Baranowitschi Frauen mit Blumen auf den Bürgersteig.

"In voller Kampfausrüstung prügeln sie mit Knüppeln auf friedliche Demonstranten und teilweise sogar unbeteiligte Passanten ein. Das ist grausam", begründete Alina, eine weinende Demonstrantin am Minsker Puschkin-Platz, ihre Teilnahme. Sie sei das erste Mal bei den Protesten, aber sie sehe trotz ihrer Angst keinen anderen Ausweg, fügte sie hinzu.

Schüsse in Brest

Ob die Verweiblichung des Protests Erfolg hat, bleibt abzuwarten. Mit den männlichen Demonstranten hatten die Sicherheitskräfte in der Nacht zuvor kurzen Prozess gemacht. Nach stundenlangen Auseinandersetzungen in den Vortagen hatte die Polizei die Demonstranten diesmal schon in den Außenbezirken von Minsk abgefangen und Teilnehmer verprügelt und festgenommen.

Die Polizei verfolgt ein BBC-Team.

In Brest schoss die Polizei sogar auf ihre Gegner. Laut Innenministerium handelte es sich um Notwehr, da die Beamten von Männern mit Eisenstangen angegriffen worden seien. "Die Warnschüsse stoppten sie nicht. Um Leib und Leben zu schützen, schossen die Beamten gezielt. Einer der Angreifer wurde verletzt", heißt es in der Stellungnahme. Weitere Kommentare über die Auseinandersetzungen in Brest, darunter über Festnahmen und mögliche Todesopfer, gab die Behörde nicht ab.

In der Stadt Gomel starb ein Demonstrant, der am Sonntag festgenommen worden war, im Polizeigewahrsam. Die Todesursache nannten die Behörden nicht.

Lukaschenko meldet sich

Dafür hat sich nach tagelangem Schweigen auch Amtsinhaber Alexander Lukaschenko zu Wort gemeldet. Er rief am Mittwoch den Nationalen Sicherheitsrat zusammen. Zwar versuchte er, die Sitzung als planmäßig darzustellen, doch die Demonstrationen beherrschten die Agenda. Wichtigste Aufgabe sei es, den "verfassungsrechtlichen Aufbau" des Landes zu schützen, forderte Lukaschenko, der 1996 die Verfassung zu seinen Gunsten umschreiben ließ.

Für die Demonstranten hatte der Langzeitpräsident kein gutes Wort: "Die Basis aller dieser sogenannten Protestierenden sind Leute mit krimineller Vergangenheit und jetzige Arbeitslose", urteilte er. Die hätten nichts anderes zu tun, als auf die Straße zu gehen. (André Ballin, 12.8.2020)