So sieht die Galaxie SPT0418-47 aus, nachdem ihre Form aus Beobachtungsdaten rekonstruiert wurde.
Foto: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), Rizzo et al.

Zwölf Milliarden Jahre lang war das Licht von der Galaxie SPT0418-47 zu uns unterwegs und ermöglichte Astronomen nun die Feststellung, dass SPT0418-47 der Milchstraße überraschend ähnlich sieht (oder sah). Das Max-Planck-Institut für Astronomie spricht von einem fernen "Ebenbild". Die Galaxie scheint zwar keine Spiralarme zu haben, weist aber mindestens zwei für unsere Milchstraße typische Merkmale auf: eine rotierende Scheibe und einen Bulge, also eine große Ansammlung von Sternen, die dicht um das galaktische Zentrum gepackt sind. Noch nie wurde ein derart alter Bulge entdeckt.

Überraschend ist die Ähnlichkeit vor allem deshalb, weil wir SPT0418-47 so sehen, wie sie aussah, als das Universum erst etwa 1,4 Milliarden Jahre alt war. In dieser Frühphase, so die Annahme, sollte der Kosmos noch deutliche Spuren des anfänglichen Chaos aufweisen, die jungen Galaxien dementsprechend turbulent und instabil sein. Stattdessen weist SPT0418-47, die mit dem mit dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA) entdeckt wurde, klar erkennbare Strukturen auf.

"Dieses Ergebnis stellt einen Durchbruch auf dem Gebiet der Galaxienentstehung dar und zeigt, dass die Strukturen, die wir in nahen Spiralgalaxien und in unserer Milchstraße beobachten, bereits vor zwölf Milliarden Jahren vorhanden waren", sagt Studienleiterin Francesca Rizzo vom Max-Planck-Institut für Astrophysik.

Die tatsächlich beobachtete Form sieht der Milchstraße alles andere als ähnlich, aber das täuscht. Aufgrund des Gravitationslinseneffekts präsentiert sich die Galaxie als Feuerring. Aus diesem Zerrbild konnte ihre wahre Form aber abgeleitet werden.
Foto: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), Rizzo et al.

Bei Galaxien in derartiger Entfernung sind detaillierte Beobachtungen selbst mit den leistungsfähigsten Teleskopen kaum möglich. Aber da können Astronomen auf einen bewährten Trick zurückgreifen, nämlich darauf, eine nahe Galaxie als starkes Vergrößerungsglas zu nutzen – eine sogenannte Gravitationslinse. Bei diesem Effekt verzerrt und krümmt die Gravitationskraft der nahen Galaxie das Licht der fernen Galaxie und vergrößert diese damit so stark, dass sie beobachtbar wird.

Die solcherart sichtbar gemachte Galaxie erscheint als ein nahezu perfekter Lichtkranz um die nahe Galaxie – dieser optische Eindruck muss anschließend entzerrt werden, um ihr wahres Aussehen zu enthüllen. Die Forscher rekonstruierten ihre Form und die Bewegung des Gases im Inneren der Galaxie aus den ALMA-Daten mit Hilfe einer neuen computergestützten Modellierungstechnik.

Entstand die Ordnung aus dem Chaos schneller als gedacht?

"Was wir gefunden haben, war ziemlich rätselhaft; obwohl sich Sterne mit hoher Geschwindigkeit bilden und daher hochenergetische Prozesse ablaufen, ist SPT0418-47 die am stärksten geordnete Galaxienscheibe, die je im frühen Universum beobachtet wurde", sagt Rizzos Institutskollegin Simona Vegetti. Diese unerwartete Entdeckung deutet darauf hin, dass das frühe Universum vielleicht doch nicht ganz so chaotisch war, wie man einst glaubte.

Die Entdeckung wirft aber zugleich viele Fragen darüber auf, wie sich eine gut geordnete Galaxie so kurz nach dem Urknall gebildet haben konnte. Zukünftige Studien, auch mit dem Extremely Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO), sollen herauszufinden versuchen, wie typisch solche "Baby"-Scheibengalaxien wirklich sind.

Heute sieht die Galaxie schon ganz anders aus

Doch wie eingangs gesagt: Zwölf Milliarden Jahre sind eine lange Zeit, und SPT0418-47 hat sich von der heute für uns sichtbaren Form längst weiterentwickelt. Und zwar in eine andere Richtung als die Milchstraße. Die Astronomen gehen davon aus, dass sie den Weg zu einer elliptischen Galaxie eingeschlagen hat, einer selteneren Form von Galaxien.

Da könnte die Milchstraße aber auch noch nachziehen: Wenn in etwa vier Milliarden Jahren Milchstraße und Andromedagalaxie miteinander kollidieren, wird das letztendliche Produkt der Verschmelzung aller Wahrscheinlichkeit nach eine elliptische Galaxie sein. (red, 13. 8. 2020)