Das Ausmaß der Überwachung in Österreich ist unter anderem aufgrund von technologische Entwicklungen gestiegen.

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Von Kfz-Überwachung bis zur Fluggastdatenspeicherung gibt es in Österreich viele Überwachungsmaßnahmen, die aktiv vom Staat genutzt werden. Was sie für die Grundrechte bedeuten, sollte eigentlich nicht nur einzeln geprüft werden, sondern auch insgesamt. Das findet die Grundrechts-NGO Epicenter Works, die in einer Pressekonferenz am Donnerstag auf die Notwendigkeit einer Überwachungsgesamtrechnung der Regierung hinwies. Sie selbst veröffentlicht ein Handbuch zu dem Thema.

Damit will sie auch eine "Basis" bieten, anhand derer die Regierung eine Gesamtrechnung erstellen kann – eine Evaluierung ist auch im Regierungsprogramm vorgesehen. Geschäftsführer Thomas Lohninger sieht die Zuständigkeit bei Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP): "Wir rufen sie dazu auf, sich an diese Umsetzung zu machen." Auf 200 Seiten können Interessierte – angesprochen sind etwa Juristen, Politiker und Journalisten – einen Überblick über Österreichs Maßnahmen erhalten. Jedoch brauche es eine Prüfung durch eine von einem Ministerium beauftragte Institution: "Unsere Arbeit ist nicht die eines unabhängigen wissenschaftlichen Instituts, weil wir ja beispielsweise keine Akteneinsicht haben", so Lohninger.

Zahlreiche Fragen

Mit dem Handbuch gibt es eine erste Einschätzung zu Überwachungsmaßnahmen. Es setzt sich etwa mit der Frage auseinander, was überhaupt in einem Land erlaubt ist, was die technischen Möglichkeiten sind, ob diese mit der rechtlichen Lage übereinstimmen, wie oft Maßnahmen eingesetzt werden und wie effektiv sie sind. Eine Überwachungsgesamtrechnung evaluiere die Maßnahmen auf ihre Grundrechtstauglichkeit und Effektivität hin. Zudem sei die soziologische Perspektive wichtig, also die Frage, was diese aus einer Gesellschaft machen.

Im Großen und Ganzen sei die Debatte "sehr komplex", gleichzeitig betreffe sie aber alle, findet die Herausgeberin und Juristin Angelika Adensamer. "Ich denke, man muss gerade im Bereich des Staates und der Polizei genau hinschauen, weil man sich da am wenigsten wehren kann." Eine Frage, die auch behandelt werden müsse, sei die Verhältnismäßigkeit von Überwachungsmaßnahmen: Wenn eine neue Technologie zum Einsatz kommt und der Eingriff dadurch größer wird, ändere sich auch die Abwägung möglicherweise. Beispielsweise werde Gesichtserkennung von der Polizei im Rahmen der Befugnis einer normalen Videoüberwachung verwendet, obwohl die Technologie sehr viel mehr ermögliche. "Diese Befugnisse müsste man in dem Hinblick eigentlich neu evaluieren", sagt Adensamer.

Herausforderung

Selbst für Juristen stelle es eine Herausforderung dar, über alle staatlichen Befugnisse einen Überblick zu bekommen, räumt Adensamer ein. So würden Datenbanken mit sensiblen Informationen an verschiedenen Stellen liegen – und es sei auch unklar, welche Behörden Zugriff haben. Aufgrund der Aufteilung in verschiedenste Gesetzesmaterien sei das tatsächliche Ausmaß zudem undurchsichtig.

Als "Fixstarter" für Überwachungsmaßnahmen, die dringend evaluiert und rückgebaut werden sollten, nannte Lohninger unter anderem die Videoüberwachung, die mit dem von Türkis-Blau beschlossenen Überwachungspaket eingeführt wurde, die Verwendung von Gesichtserkennungssoftware, die ohne Rechtsgrundlage passiere, die SIM-Karten-Registrierung, die Verwendung von sogenannten IMSI-Catchern, die Smartphones eine Verbindung vorgaukeln, um den Standort zu ermitteln, die Aufweichung des Briefgeheimnisses sowie die Fluggastdatenrichtlinie der EU. Durch eine von der Politik verfolgte Überwachungsgesamtrechnung könnte man aber auf "viel mehr kommen", so die NGO. Aktuell müssten sich die Koalitionspartner zu diesem Thema einigen. (muz, APA, 13.8.2020)