Leopold W. soll am 23. Jänner seine Freundin erstickt oder erwürgt haben. Warum, ist unklar, er leugnet vehement, die Tat begangen zu haben – und beschuldigt einen 50-Jährigen.

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Wien – 28 Jahre wurde Birgit H. alt, ehe sie im Jänner in ihrer Wohnung in Wien-Floridsdorf getötet wurde. Ermordet vom zehn Jahre älteren Leopold W., wie der Staatsanwalt überzeugt ist, der den Unbescholtenen deshalb vor ein Geschworenengericht unter Vorsitz von Christina Salzborn gebracht hat. Von einem enttäuschten Liebhaber, vermutet dagegen das Verteidigerduo Wolfgang Blaschitz und Astrid Wagner, das für W. einen Freispruch erreichen will.

Denn: "Beweise gibt es hier gar keine. Nur Spekulationen", versucht Wagner in ihrem Eröffnungsvortrag die Laienrichter zu überzeugen. Und sie wirft der Kriminalpolizei vor, "ermittlungstaktische Fehler" begangen und sich in ihren Mandanten "verbissen" zu haben. Nun ist so etwas natürlich nicht grundsätzlich auszuschließen, die doch vorhandenen Beweise sehen für W. nur mäßig gut aus.

Zahlreiche belastende Indizien

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist die Sache recht schlüssig. Am Abend des 22. Jänner seien der Angeklagte und das Opfer in einer Shisha-Bar gewesen und hätten einiges an Alkohol konsumiert. Nach Mitternacht ging man in die Wohnung der Frau, wo W. sie irgendwann erwürgt oder erstickt hat. Um 4.30 Uhr hob er mit ihrer Bankomatkarte 220 Euro ab, wobei er gefilmt wurde. Nachdem am 28. Jänner die Leiche entdeckt worden war, fand die Polizei einen Tag später das Mobiltelefon und die Bankomatkarte des Opfers in der Wohnung, in der W. mit seiner Mutter und seiner Schwester lebt. An der Leiche wurden DNA-Spuren von ihm am Hals, an einem Handgelenk und an beiden Knöcheln sichergestellt.

Vor Gericht bleibt W. dennoch dabei. Die Anklage sei "nicht richtig". Ja, er sei mit H. in der Shisha-Bar gewesen, danach sei man in ihre Wohnung gegangen und habe Sex gehabt, daher die DNA-Spuren. Da er seine Jacke vergessen hatte, sei er nochmals in die Bar gegangen, habe danach noch ein paar Zigaretten geraucht und sei zurückgekommen. H. habe Hunger gehabt, deshalb sei man gemeinsam zur Tankstelle gegangen, um einzukaufen.

Geld angeblich für Opfer abgehoben

Anschließend wollte die Frau Geld abheben, da man am Wochenende ein Eishockeyspiel besuchen wollte. Da sie aber ihren Käsetoast aß und eine Zigarette wollte, sei er allein in das Bankfoyer gegangen, nachdem sie ihm ihren Code verraten habe. Anschließend sei er mit einem Fahrtendienst in seinen Heimatbezirk gefahren. Wie das Handy und die Bankomatkarte in seinen Kasten gekommen seien, fragt die Vorsitzende. Auch dafür hat W. eine Erklärung: Sie müssten dort vom wahren Täter platziert worden sein. Denn H. habe einen Schlüssel zu seiner Wohnung gehabt, wenn der Täter den hatte, könnte er unbemerkt eine falsche Spur gelegt haben.

W. nennt auch einen ganz konkreten Namen – Martin W., ein enger Freund des Opfers. An dieser Stelle muss die Vorgeschichte von Leopold W. und Birgit H. erzählt werden. Sie hatten sich 2016 via Facebook in einer Singlegruppe kennen gelernt, hatten nach der ersten Verabredung intimen Kontakt und verlobten sich laut Zeugenaussagen sogar. Im März 2017 beendete die Frau die Beziehung aber.

"Eine Art Beziehung"

Bis der Angeklagte sie Anfang November 2019 wieder kontaktierte. Leopold W. sagt nun, es sei mehr "eine Affäre und Spaß beim Fortgehen" gewesen. Beziehungsweise habe man "schon eine Art Beziehung, aber halt offener" gehabt. "Frau H. war ein Partygirl?", fragt Vorsitzende Salzborn. "Ja", antwortet der Angeklagte. Andererseits sagt er auch, er habe in der Wohnung von H. für sie gekocht, geputzt und ihre zahlreichen Kaninchen und Meerschweinchen betreut. "Haben Sie das für die Mama auch gemacht?", will Salzborn wissen. "Nein", gibt W. zu.

Der 50-jährige Martin W., der mit H. von Sommer 2014 bis Jänner 2015 eine über Facebook geschlossene Beziehung hatte, sei der Grund gewesen, dass der erste Versuch gescheitert sei, da dieser ihn "gehasst" und gegen ihn intrigiert habe. Beim zweiten Versuch sei es zunächst besser gelaufen, den Jahreswechsel verbrachte man sogar zu dritt in Tschechien. Sowohl zu Weihnachten als auch zu Silvester verschwand aber Geld der Frau, sie äußerte Freundinnen gegenüber den Verdacht, dass es nur einer der beiden W.s genommen haben könnte.

Widersprüchliche Aussagen der Freundinnen

Ein klares Bild des Opfers zu bekommen ist schwer. Sogar ihre beiden besten Freundinnen widersprechen sich beispielsweise bei der Frage, ob sie mehrere Beziehungen gleichzeitig hatte. "Monogam war schwer für sie. Sie wollte leben, einfach", sagt die eine Zeugin aus. "Sie war monogam", sagt die andere. Fest scheint auch zu stehen, dass zumindest die beiden W.s viel für H. taten – Martin W. soll sich sogar verschuldet haben, um ihr Geschenke machen zu können, auch der Angeklagte hat regelmäßig die Zeche übernommen. Das dürfte öfters vorgekommen sein, H. trank ziemlich viel – als sie starb, hatte sie 2,86 Promille Alkohol im Blut.

Wann sie genau starb, ist unklar. Gerichtsmediziner Wolfgang Klupp kann den Todeszeitpunkt nur schätzen: zwischen fünf und neun Tage vor der Auffindung der Leiche müsse der liegen. Das bedeutet: H. ist spätestens am 23. Jänner getötet worden. Allerdings: Auch danach wurden von ihrem Handy aus noch Nachrichten an Verwandte und Bekannte versandt. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft kein Wunder: Denn das Mobiltelefon sei nicht nur beim Angeklagten gefunden worden, ab 23. Jänner sei es auch ständig nahe seiner Wohnung eingeloggt gewesen. Die Vermutung des Angeklagten: Nebenbuhler Martin W. müsse absichtlich durch halb Wien gefahren sein, um ihn durch die Rufdatenerfassung zu belasten.

"Knofel" in der Dreiecksbeziehung

Verteidiger Blaschitz versucht bei seinen Fragen an Zeugen zu untermauern, dass W. als abservierter Liebhaber ein viel stärkeres Motiv für einen Mord gehabt habe. "In einer Dreiecksbeziehung ist einer immer der Knofel. Wer war es in dem Fall?", fragt er etwa eine von H.s Freundinnen. "Ich würde sagen, eher der Martin", antwortet diese. Allerdings gibt es auch eine Aussage, dass H. spätestens am 13. Jänner die Beziehung zum Angeklagten beendet habe.

Der Auftritt des sich nur sehr langsam bewegenden Martin W. bringt wenig Antworten, wer jetzt wann mit wem liiert gewesen ist. H. sei für ihn "eigentlich die Frau meines Lebens" gewesen. Dass sie 2016 mit Leopold W. zusammengekommen sei, habe ihm "nicht gut" gefallen. Aber er könne niemandem etwas vorschreiben. Sein Verhältnis zum Nebenbuhler sei "angespannt" gewesen, bei der Neuauflage habe ihm die junge Frau daher Treffen auch verschwiegen. Umgekehrt behauptet der Zeuge, er habe noch Mitte Jänner mit H. Geschlechtsverkehr gehabt, was sich wiederum ihre besten Freundinnen nicht vorstellen können. Martin W. beteuert aber, weder gewusst zu haben, wo der Angeklagte wohnt, noch, ob H. einen Schlüssel zu dessen Wohnung gehabt habe.

Für weitere Zeugen wird schließlich vertagt. (Michael Möseneder, 13.8.2020)