So durchwachsen war es um die Freiheitlichen aller Schattierungen vor der Gemeinderatswahl in Wien schon lange nicht bestellt. Anzunehmen, dass es Wählerinnen und Wähler gibt, die der Fantasie eines künftigen Gemeinderates Gernot Blümel eine Chance auf Realisierung zubilligen, aber viel größer als die eines Bürgermeisters Heinz-Christian Strache dürfte sie nicht sein. Als Trümmermann der lange von ihm geführten Partei wird Strache – ob er ihn eingesteht oder nicht – den von ihm angerichteten Schaden an der FPÖ, an einer beispielhaft harmonischen Koalition und an sich selbst privat wie politisch ausbaden müssen. In Wien wird er, so weit wie einst seine FPÖ hinter den Schwarzen, diesmal hinter den Türkisen verschwinden, und den Freiheitlichen könnte es nicht besser ergehen. Die Rolle der Persönlichkeit in der Geschichte wird öfter überschätzt.

Heinz-Christian Strache will glaubwürdig Nichtklosterneuburger sein.
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Prophetisch die "Krone bunt" vom Wochenende mit dem beliebten Saure-Gurken-Thema "Wenn die Politik Pause macht". Da dominierte der Bürgermeister mit Merkelraute vor dem Embonpoint, es wurden Rote, Grüne und Türkise sommerfrischelnd dargeboten, doch kein Einziger der identitären Patrioten. Eine derartige Story ohne einen Strache in Lederhose, eventuell vor Klosterneuburger Kulisse, hätte es früher niemals gegeben. Für die Freiheitlichen durfte nicht einmal Ursula Stenzel als Ablenkung von Dominik Nepp rettend einspringen, obwohl ihr der karinthische Arier Andreas Mölzer in "Österreich" bescheinigt, "aus einer jüdischen Familie" zu stammen. Als Edelslowenin wäre sie kaum verkäuflich.

Auffassungsdifferenz

In der Auseinandersetzung um Straches Wohnsitz hat sich zuletzt der bekannte Wahrheitssucher Peter Westenthaler als – wenn es darauf ankommt – eventueller Kronzeuge vor dem Verfassungsgerichtshof angedient. Wenn der einmal sagt, das Wahlrecht sei ein hohes Gut und die Gesetze gelten für alle, dann ist der Bezirkswahlbehörde Wien-Landstraße ein sicherer Rechtsweg gewiesen als der, den Westenthaler einst gelegentlich beschritten hat. Die Auffassungsdifferenz über Straches wahlrechtlich relevantes Domizil wird vielfach als eine Art gordischer Knoten dargestellt, dessen Durchschlagung unausweichlich zu einer Wahlanfechtung der einen oder anderen identitären Fraktion und in der Folge zu einer Wahlwiederholung führen müsse.

Dabei wird zu wenig beachtet, worum es im Kern wirklich geht, und das ist weit weniger dramatisch – Geld. Nicht einmal Strache selbst dürfte sich zutrauen, was er verkündet, nämlich in der Wiener Kommunalpolitik je eine Rolle zu spielen. In seinem Fall geht es allein um eine Unterhaltsfortzahlung als Politiker, nachdem er sich viele Jahre lang aus Steuermitteln und Zuwendungen seiner Partei bei bekannten Gegenleistungen aushalten ließ und diesen angenehmen Zustand prolongieren möchte.

Wenn die FPÖ mit einer Wahlanfechtung droht, sollte Straches Wiener Wohnsitz anerkannt werden, hat sie wohl die letzte Bundespräsidentenwahl im Auge. Die Voraussetzungen sind aber völlig anders, und populär würde man in Wien mit einer Wahlwiederholung kaum – wenn es überhaupt dazu käme. Umgekehrt, will Strache glaubwürdig Nichtklosterneuburger sein und klagt, müsste er den Lebensmittelpunkten Weib, Kind und Villa wohl entsagen. Ist da Geld wirklich alles? (Günter Traxler, 13.8.2020)