US-Außenminister Mike Pompeo auf Tour durch Mitteleuropa.

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Es war nur ein Detail, aber eines, das gut illustriert, wie es um die Einstellung des US-Präsidenten zu Europa und den Nachkriegsverbündeten bestellt ist. Beim G7-Gipfel 2018 in Kanada, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatten Trump gerade mühsam dazu überredet, das gemeinsame Kommuniqué nach dem Gipfel zu unterschreiben, schmiss Trump zwei Bonbons aus seiner Anzugtasche vor Merkel auf den Tisch und sagte: "Hey Angela. Sagen Sie nicht, ich hätte Ihnen nie etwas gegeben."

Es war nicht das erste Mal und sollte nicht das letzte Mal gewesen sein, dass Trump Deutschland brüskierte. Der jüngste Schlag: der Abzug von 12.000 US-Soldaten. Etwa 5.000 davon sollen in andere europäische Nato-Länder wie Italien, Belgien und Polen sowie in baltischen Staaten verlegt werden. Auch die Schwarzmeerregion ist im Gespräch. Trump sucht sich Verbündete auch danach aus, ob er den Eindruck hat, sie könnten Einfluss auf die EU-Entscheidungsprozesse in seinem Sinne nehmen.

Vor dieser Gemengelage besucht US-Außenminister Mike Pompeo diese Woche Europa. Auf dem Besuchsplan: vier kleine Staaten, die "großen Freunde Amerikas", wie Pompeo sie vor seiner Abreise bezeichnete. Damit sind die drei Nato-Staaten Tschechien, Slowenien und Polen gemeint. Am Freitag ist Pompeo in Wien, er trifft sich mit der Staatsspitze und österreichischen Unternehmern.

US-Warnung vor Huawei

Wichtige Themen neben der Verlegung der US-Soldaten nach Polen, die Pompeo mit den Erwählten bespricht: der aktuelle Konflikt um den Bau der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 und der wachsende Einfluss Chinas und Russlands bei Cybersicherheit und Energiepolitik. Alles gesamteuropäische Themen, zu denen innerhalb der EU abgestimmte Strategien bestehen. Die USA warnen derzeit intensiv vor einer Beteiligung chinesischer Hersteller wie Huawei am 5G-Ausbau als Einfallstor für chinesische Spionage oder Sabotage. Und sie sparen dabei auch nicht mit Sanktionsdrohungen gegen einzelne Länder und Firmen. Auf offene Ohren stoßen sie dabei in Slowenien (siehe unten). Österreich weigert sich bisher, die Tür für Huawei zuzuschlagen, und verweist auf die EU-Strategie für Cybersicherheit bei 5G.

So unbequem zeigt sich Wien den USA gegenüber nicht immer. Österreich gilt unter dem Trump-freundlichen Kanzler Sebastian Kurz als strategischer Partner im großteils Trump-kritischen Europa. Im März hätten Kurz und Außenminister Alexander Schallenberg bereits zum zweiten Mal ins Weiße Haus reisen sollen. Der Besuch wurde aufgrund der Corona-Pandemie verschoben.

Die Gründe für das neue Interesse Washingtons an Österreich – unter den bisherigen US-Präsidenten war das Verhältnis zwar insgesamt gut, aber neutral – sind vielfältig. Der Wiener Politikwissenschafter Helmut Kramer, langjähriger Beobachter von Österreichs Außenpolitik, sieht jedenfalls einen deutlichen Kurswechsel in den Beziehungen zu den USA in den Kurz-Regierungen. In der "Strategischen Partnerschaft mit den USA", die im Regierungsprogramm niedergeschrieben ist, aber nicht genauer erläutert wird, sieht Kramer einen für einen neutralen Staat problematischen "Anpassungskurs".

Tatsächlich weicht Österreichs Regierung bei einigen Themen von der EU-Linie ab, um den USA zu gefallen. Beispielsweise lehnte Wien nicht, wie andere europäische Regierungen, Trumps Nahost-Plan ab, sondern verhinderte vielmehr in Übereinstimmung mit Ungarn eine gemeinsame kritische Stellungnahme der EU-Außenminister.

Eine gemeinsame Position fanden die USA unter Trump und Österreich 2018 auch in der Ablehnung des UN-Migrationspakts. Eine Haltung, die Österreich innerhalb der EU gemeinsam mit Ungarn isolierte. Kurz äußerte auch entgegen der EU-Linie grundsätzlich Verständnis für die Liquidierung des iranischen Generals Ghassem Soleimani durch die USA im Jänner. Dass sich Wien in diesem Fall zugleich als Vermittler für Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran in Wien anbot, wurde damals von Experten als "PR-Gag" kritisiert.

Multilateral agieren

Hinter der "Strategischen Partnerschaft" sieht auch Kramer vor allem Marketingmotive. Das Wichtigste für Österreichs Regierung sei, als relevanter Gesprächspartner in der internationalen Politik wahrgenommen zu werden. Mit der Rolle des "neutralen Vermittlers", in der sich Österreich ebenfalls sieht, und der Position des "effektiven Multilateralismus" passe das definitiv nicht zusammen.

Aus der Sicht des Außenministeriums besteht zwischen den Zielen der strategischen Partnerschaft und dem Einsatz für einen effektiven Multilateralismus hingegen keinerlei Widerspruch. Sie beruhe auf gemeinsamen Werten wie Demokratie und Menschenrechten. Österreich nütze seinen Dialog mit dem Weißen Haus, um für eine aktivere Rolle der USA und eine Rückkehr zu einem konstruktiven Multilateralismus zu werben, heißt es auf STANDARD-Anfrage.

Standfest will man laut Außenministerium am Freitag jedenfalls in der Haltung zum Bau der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 bleiben. Washington will den Baustopp der Pipeline, die russisches Gas nach Deutschland bringen soll, und droht auch hier mit Sanktionen. Österreich hat andere Interessen, denn an der Finanzierung des Projekts ist auch die teilstaatliche OMV beteiligt.

Harmonie mit Polen

Mit Polen, das Pompeo am Samstag besucht, läuft es bei diesem Thema für die USA besser. Warschau möchte sich von russischen Gaslieferungen unabhängig machen und US-Flüssiggas beziehen. Der Nato-Musterstaat Polen investiert als eines von wenigen Ländern zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Verteidigung und wünscht sich auch seit langem mehr US-Truppen im Land zur Abschreckung Russlands. Am Samstag unterzeichnet Pompeo in Warschau einen Vertrag über die Entsendung von mindestens 1.000 zusätzlichen Soldaten nach Polen. Vorher allerdings wird die "strategische Partnerschaft" mit Wien vertieft. (Manuela Honsig-Erlenburg, 14.8.2020)