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Demonstration gegen Polizeigewalt in Minsk.

Foto: Reuters/Vasily Fedosenko

Der Sieg ist längst eine Niederlage: Am Sonntag ließ sich Alexander Lukaschenko zum Sieger der Präsidentenwahl in Belarus (Weißrussland) küren. Das sechste Mal in Folge, erneut mit offiziell 80 Prozent der Stimmen – und doch war alles anders. Die Menschen im Land glauben weder an das Ergebnis, noch sind sie bereit, dieses hinzunehmen. Seit Tagen wird nicht nur in Minsk, sondern vielerorts im Land demonstriert.

Mit extremer Härte gingen die Männer der Sondereinheit "Omon" gegen die Demonstranten vor, die Lukaschenko verächtlich "Ex-Kriminelle und Arbeitslose" nennt. Das Innenministerium spricht inzwischen von 6.700 Festnahmen. Hunderte liegen im Krankenhaus, viele gelten als vermisst.

Tausende freigelassen

Zahlreiche Verhaftete kamen am Donnerstag frei: "mehr als tausend Menschen" seien freigelassen worden, verkündete Parlamentschefin Natalya Kotschanowa im Fernsehen, weil sie versichert hätten, nicht mehr an "nicht genehmigten Demonstrationen teilnehmen" zu wollen.

Mindestens zwei Menschen sind tot. Sein Ziel erreicht hat der letzte Diktator Europas bisher nicht. Unruhen gab es auch schon nach früheren Wahlen. Doch den Demonstranten ging damals unter den Schlägen der Polizei schnell die Luft aus. Diesmal hat sich der Protest verändert, doch verschwunden ist er nicht.

Protest verändert sich

Die allabendlichen Protestmärsche, die in blutigen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitsorganen gipfelten, sind schwächer geworden. Dafür gibt es dezentrale Unmutskundgebungen. So muss sich auch die Polizei zerstreuen, an vielen Orten gleichzeitig sein. Zudem: Nach der Festnahme eines Plakatträgers steht bald ein neuer da. Zum neuen Symbol des friedlichen Widerstands werden Frauen.

In Weiß gekleidet und mit Blumen in der Hand bilden sie Menschenketten. Eine erste Aktion in Minsk fand bereits dutzende Nachahmer im ganzen Land. Die Diskrepanz zwischen diesen Bildern und schlagenden Polizisten macht Eindruck. Offenbar auch bei den Beamten selbst. Denn im Internet kursieren inzwischen zahlreiche Postings von ehemaligen und aktiven Beamten, die entweder ihren Dienst quittieren oder ihre Uniform in den Müll werfen. Viele kommentieren den Schritt damit, dass sie nicht gegen das eigene Volk kämpfen wollen.

Polizisten quittieren Dienst

Die Mehrheit der Sicherheitsorgane, die am Donnerstag die Minsker Büros des Internetriesen Yandex und des Taxidienstes Uber stürmten, steht noch hinter Lukaschenko. Doch die ersten Absatzbewegungen sind ersichtlich. Zumal auch die angekündigten landesweiten Streiks an Dynamik gewinnen. Am Donnerstag beteiligten sich Mitarbeiter mehrere Großbetriebe wie des Autobauers Belaz und des Baumaterialproduzenten Keramin daran. (André Ballin, 13.8.2020)