Die Produktion im ATB-Motorenwerk im steirischen Spielberg soll eingestellt, Teile davon nach Polen verlagert werden. Die Arbeiter hoffen nun auf "rettende" Käufer des Werkes.

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Sicher ist sicher. "Wir haben eine Gruppe von Leuten organisiert, die um das Gelände rotieren und aufpassen", sagt Michael Leitner. Der Arbeiterbetriebsratschef des Elektromotorenherstellers Austria Antriebstechnik Wolong-ATB im steirischen Spielberg traut der Sache ganz offensichtlich noch nicht.

Leitner hält es noch immer für nicht ausgeschlossen, dass die Maschinen doch abtransportiert werden und dann nur noch die Hülle des Werkes übrig bleiben könnte.

Nach der ATB-Insolvenz, in deren Folge 360 der etwa 400 Mitarbeiter gekündigt wurden, hat der Eigentümer aus China ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung beantragt. "Solange die Gläubiger nicht über dieses Angebot entscheiden, dürfen auch keine Maschinen abtransportiert werden", glaubt Leitner. "Aber wer weiß, wir sind wachsam", sagt er. Zu Wochenbeginn wurden 14 Tage Betriebsruhe angeordnet.

Warum musste ATB in die Insolvenz? Laut Kreditschutzverbänden und Unternehmensangaben hätten Mitbewerber von ATB ihre Produktion zunehmend in kostengünstigere Länder ausgelagert. Dazu seien die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie gekommen. Die Ertragslage habe nicht nachhaltig stabilisiert werden können. Ohne weitere Gesellschafterzuschüsse würde in den nächsten Jahren kein Turnaround zu schaffen ein. Daher der Gang in die Insolvenz.

"Warnungen ignoriert"

"Die Produktion soll ins Schwesterwerk in Polen verlagert werden, ein Teil der Fertigung nach Serbien", sagt Leitner, der noch immer nicht recht verstehen mag, warum es so weit kommen musste. "Ich habe nachweislich schon vor Jahren – auch schriftlich – den Vorstand, Aufsichtsrat und den Eigentümer auf Schwachstellen im Betrieb und auf die nicht rosige wirtschaftliche Situation hingewiesen, aber die Warnungen wurden komplett ignoriert. Ganz offensichtlich hatte man schon von Anfang an andere Pläne", vermutet Leitner. Der Betriebsratschef verweist dabei auf die deutsche Schwesterfirma ATB-Schorch in Mönchengladbach. Der Niedergang des dortigen Werks ist fast schablonenhaft gleich wie in Spielberg abgelaufen.

Gleiches lief in Deutschland ab

Das Werk wurde sukzessive runtergefahren, die Produktion schließlich verlegt. "Wenn ich mir anschaue, was gerade in Spielberg läuft: Es ist eine Katastrophe, das erinnert mich das frappant an unser Schicksal", sagt der dortige Betriebsratsvorsitzende Olaf Caplan im Gespräch mit dem STANDARD.

"Im Jahr der Übernahme durch Wolong hatte die Schorch GmbH 570 Mitarbeiter. 2015 wurden über ein Freiwilligenprogramm 120 Kollegen und im Jahr 2017 noch einmal 160 Kollegen abgebaut", erinnert sich Caplan. Die Insolvenz sei "völlig überraschend" hereingebrochen, "wir kamen dahinter, dass sie ein Jahr lang vorbereitet wurde". Heute werden am Standort Mönchengladbach nur noch spezielle, druckfeste Maschinen gebaut, "weil es dafür strenge Zertifizierungen braucht, die kann man nicht so einfach verlagern", sagt Caplan. Aber es sei nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Produktion abgezogen werde.

ATB in Mönchengladbach wickelte wie Spielberg ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung als. Wolong habe schließlich die Quote für die Gläubiger angehoben, um das Verfahren durchzuziehen, sagt Caplan. Ähnliches könne er sich auch für Spielberg vorstellen.

Eine Betriebsversammlung der ATB Austria Ende Juli.
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Hier in der Steiermark hat sich eine Handvoll Interessenten gemeldet, die das ATB-Motorenwerk kaufen und weiterführen möchten. Wolong hat aber stets signalisiert, nicht verkaufen zu wollen. Einer der Interessenten ist ein alter Bekannter: Mirko Kovats, der schon einmal Eigentümer war. "Ich werde alles tun, um das Werk weiterzuführen", sagt Kovats zum STANDARD. Er habe bereits ein Anbot gelegt. "Ich will dafür kämpfen, dass das Werk nicht nach China abgezogen wird."

Die letzte Chance, das Werk in Spielberg zu retten, liegt nach Meinung Leitners nun bei den Gläubigern. Er hofft, dass die Gläubiger auf eines der vorliegenden Kaufangebote einsteigen. "Sie müssen wissen, wenn sie darauf einsteigen, können sie auch in Zukunft weiterliefern", sagt Leitner. Sein deutscher Kollege Caplan sieht aber wenig Licht: "Ich habe wenig Hoffnung für die Spielberger. Wolong wird sich energisch durchsetzen."

Konzernspitze schweigt

Und was sagt die Unternehmensspitze von Wolong? Stimmen die Befürchtungen der Spielberger, dass Maschinen und Produktionen nach Polen verlagert werden sollen? Martin Neumann, Chef der europäischen ATB-Gruppe mit ihren zwölf Standorten und Geschäftsführer der ATB-Tochter Tamel in Polen, sagt im Gespräch mit dem STANDARD nur kurz und bündig: "Wir werden zu alldem keinen Kommentar abgeben." (Walter Müller, 14.8.2020)