Mehr genetische Varianz soll also für mehr Widerstandskraft sorgen – und natürlich in der Folge für fruchtvollere Führung.

imago images/Reichwein

Jahr um Jahr müssen sich Leadership-Berater etwas ausdenken, das ihre ja eigentlich immergleiche Leistung an den Mann und die Frau bringt, nämlich: Wie führe ich Unternehmen und Menschen so, dass sie möglichst viel und möglichst lange Ertrag abwerfen. Und: Wie versorge ich mich als Führungskraft selbst mit allem nötigen Wissen, Werkzeugen und jener Portion Inspiration, die mich in meinem Topjob halten.

Solche Verkaufspakete unerliegen Moden, Strömungen und Zyklen. Inkludiert ist das passende Wording, meistens entlehnt aus einem allgemein bekannten und leicht verständlichen Feld – nach der Devise "keep things simple". Die bevorstehende Corona-Ampel ist so ein Beispiel aus dem allgemeinen Alltagsleben und seiner Leadership, auch wenn diese Ampel verwirrender Weise vier Farbstufen hat. Jedenfalls soll sie für Orientierung und saubere Führung inklusive nachvollziehbar exekutierbarer Sortierung plus belegbarer Ergebnisse sorgen. Was nicht zusammen gehört, soll nicht vermischt werden.

Umgekehrt aber wiederum ähnlich ist es aktuell in der Führungsmode. Dort ist Vermischung angesagt. Es hat sich als ungut erwiesen, wenn jede Führungskraft, jede Branche, nur in ihrem eigenen Saft kocht und sich nicht von anderen, quasi Artfremden etwas abschaut, das der Weiterentwicklung und der Innovation dient. Business Cross Mentoring etwa ist recht populär – Nachwuchsführungskräfte werden unter Firmen als Mentees ausgetauscht. Seitenwechsel kommt auch noch vor, etwa dass ein CEO eines For-Profit-Unternehmens für gewisse Zeit in einem Non-Profit arbeitet, um sich dort Sinn und Engagement anzusehen.

"Pollinate"

Auf der allerhöchsten Ebene der Bosse schwappt jetzt das Grundprinzip der geschlechtlichen Vermehrung in die Leadership-Lehre. Es geht um Bestäubung, um Befruchtung. "Pollinate" ist das Wort dazu, geraten wird idealerweise zu "cross pollinate". Also Schluss mit Selbstbestäubung, auf das Gartentor und raus in die Wiese zu den anderen. Automanager etwa sollen von allem, bloß nicht weiter von Automanagern bestäubt werden. Etwas Neues soll sich durch Vermischung entwickeln. Mehr genetische Varianz soll also für mehr Widerstandskraft sorgen – und natürlich in der Folge für fruchtvollere Führung.

Klingt vernünftig. Da werden nicht viele Menschen grob widersprechen. Ob die Metapher mit dem Bestäuben gut ankommt, muss sich erst noch erweisen. (Karin Bauer, 16.8.2020)