Selbstgespräche können die Weichen zwischen Meistern oder Scheitern stellen.

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Der Mensch ist sein eigener wichtigster und häufigster Gesprächspartner. Mit niemandem reden wir ein Leben lang mehr als mit uns selbst. Eine schwerwiegende Konsequenz daraus heißt, Selbstgespräche können die Weichen zwischen Meistern oder Scheitern stellen. Das fortlaufende Kopfkino bestimmt maßgeblich mit darüber, ob der Schritt aus einer vertrauten in eine berufliche Stresssituation gelingt: Wie sich jemand mit der Disruption auseinandersetzt, sich im Vorstellungsgespräch präsentiert, im Assessment-Auftritt, in Mitarbeitergesprächen und Gehaltsverhandlungen. Selbstgespräche bereiten Erfolge wie Misserfolge mit vor. Auch wer mit schwierigeren Kunden zu tun hat, tut gut daran, das zu berücksichtigen.

Die fortlaufende Unterhaltung mit uns selbst legt offen, wie intensiv wir uns mit dem auseinandersetzen, was uns gerade beschäftigt und eben oft genug auch bedrückt. Die Vorstellungen, die sich daraus entwickeln, spuren vor, wie wir auf Neues oder überhaupt auf das zugehen und mit dem umgehen, was wir bewältigen müssen. Beherzt oder beklommen. Aus diesem Grund ist es auch gefährlich, Selbstgespräche sich selbst zu überlassen, sie als unzensiertes Gedankengemurmel einfach laufen zu lassen.

Sollen sie unterstützen, müssen sie ermutigen. Das tun sie aber nur, wenn sie kontrolliert und gesteuert werden. Wer das verabsäumt, riskiert, aus Selbstgesprächen mentale Zeitbomben zu machen, mit deren Sprengkraft Ängsten Tür und Tor geöffnet, jeglicher Mut erstickt wird. In beruflich schwierigen Situationen ist das besonders fatal.

Mit destruktiven Selbstgesprächen manövrieren sich mehr Menschen in Mut-, Hilf- und Aussichtslosigkeit als es die Situation an sich bei weniger innerer Erregung notwendig machen würde. Selbstgespräche können den Willen zur Behauptung aufbauen und stärken, aber eben auch komplett vernichten, weil sie die Richtung vorgeben, in die unsere Aufmerksamkeit geht: Öffnen wir mit ihrer Unterstützung das Tor zu entschlossener Tatkraft oder jagen wir uns mit unseren Gedankenspielen selbst ins Mauseloch? Packen wir beherzt Probleme an oder rennen wir vor dem, was sich problematisch vor uns aufbaut oder auch nur so anfühlt, lediglich verunsichert hin und her? "Du bist deine eigene Grenze, erhebe dich darüber!", sagte Hafis, der große persische Mystiker und Dichter aus dem 14. Jahrhundert.

Zuversicht auslösen

Mit wachsender beruflicher Beanspruchung gewinnt der innere Dialog an Intensität. Je mehr sich nun das destruktive Gedankenkarussell dreht, desto wichtiger wird es, den Strom der Gedanken so zu steuern, dass er zu Kraft gebenden inneren Bildern hinzieht. Selbstgespräche müssen Zuversicht auslösen. Und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Dann unterstützen sie und setzen ein wirksames mentales Programm in Gang, mit dem es möglich wird, eine Anforderung als Aufgabe aufzufassen, ein Problem als Möglichkeit zur Selbstentwicklung und -stärkung. Ja selbst einen Schicksalsschlag wie beispielsweise ein berufliches Scheitern als Chance für einen Neuanfang oder eine berufliche Neuorientierung anzusehen.

Unter diesem Gesichtspunkt hat der Schweizer Outplacement-Berater Riet Grass in einer Bilanz seiner langen beruflichen Erfahrungen auch vom Glück des Scheiterns gesprochen. Glück deshalb, weil mit einem Perspektivwechsel und der damit verbundenen Selbstbesinnung sogar ein zunächst schmerzlich empfundener beruflicher Bruch in eine glückliche neue berufliche Zukunft führen kann.

Kreist sie um "offensive" Überlegungen, wird die Unterhaltung mit sich selbst förderlich. Dann werden Selbstgespräche zu wirksamen "strategischen" und "taktischen" Hilfsmitteln: Was soll oder muss erreicht werden und wie kann es erreicht werden. Mit diesen Vorstellungen können mögliche Aktions- und Reaktionsweisen im Kopf durchgespielt werden. Wertvoller Nebeneffekt dessen: Auf diese Weise gelingt es auch, sich im Tagesgeschehen verblüffungsfester und reaktionsschneller zu machen. Das oft bestaunte "Geheimnis" unerschrocken zielstrebig handelnder Menschen gründet auch darin.

Auffallend zeigt sich das am Negativbeispiel derer, die als Minderperformer oder ganz und gar Versager gehalten werden. Offenbart sich doch bei näherem Befassen mit diesen oft leichthin Stigmatisierten nicht selten, weniger ein Mangel an Wissen und Können hat ihnen diesen Ruf eingebracht, sondern mehr ihr Unvermögen, sich aus dem Bann kontraproduktiver Selbstgespräche und Vorstellungen zu befreien.

Die Kinderstube unserer Vorstellungen

Selbstgespräche sind die Kinderstube unserer Vorstellungen. Vorstellungen beeinflussen das situative Erleben und Verhalten. Darüber steuern sie unsere Handlungen und unsere Außenwirkung. Selbst erzeugte mentale Befangenheit dringt unheimlich schnell auch nach außen durch. Der dadurch hervorgerufene Eindruck kann Türen verschließen und Möglichkeiten verbauen. Und als selbsterfüllende Prophezeiung wirken. In Selbstgesprächen geborene Vorstellungen können in die totale Kraftlosigkeit führen, aber auch ungeahnte Kräfte freisetzen. Sie können für zwischenmenschliche Distanz sorgen, genauso gut aber anziehend machen. Diese Wirkung auf die Ausstrahlung und die persönliche Selbstdarstellung zu unterschätzen ist ein gewaltiger Fehler.

Im Brennpunkt von Selbstgesprächen darf auf keinen Fall stehen, was in der Auseinandersetzung mit Anforderungen das Herz in die Hose rutschen und den Verstand stillstehen lässt. Ob es nun gilt, eine Aufgabe in den Griff zu bekommen, ein Problem zu lösen oder die berühmte Kuh vom Eis zu holen, Handlungsfähigkeit erwächst erst aus der Fokussierung auf das zu Bewältigende. Dieser Fokus ermöglicht, das einzusetzen, was wir können, was uns zur Verfügung steht, unbeschwert von dem Wissen, woran es uns womöglich mangelt.

Leistungsfähigkeit entwickelt sich aus der selbstsicheren Besinnung auf eigene Stärken trotz bewusster Schwächen und der Überzeugung von der Wirksamkeit des eigenen Handelns. In der Psychologie steht dafür das Konzept der Self Efficacy, der Selbstwirksamkeitserwartung. Es beschreibt, was der kanadische Psychologe Albert Bandura in den 1970er Jahren erkannte: Die Überzeugung, mit Schwierigkeiten umgehen und fertig werden zu können, verleiht die Kraft dazu. (Hartmut Volk, 17.8.2020)