Radikal ist der Akt der Isolation: Die Mitglieder der Theatergruppe kollekTief mit "Bitte nicht berühren"

kollekTief

Nicht weniger zwei Wochen lang waren sie in echter Quarantäne – die Mitglieder der Theatergruppe kollekTief haben sich beim Festival Hin & Weg in Litschau im Waldviertel also in Wohncontainern isoliert. Als passenden Titel der Aktion wurde denn auch Bitte nicht berühren gewählt.

Die Schauspielerin Alina Schaller, die Regisseurin und Musikerin Anna Marboe, die Schauspieler Anton Widauer und Felix Kammerer sowie der Musiker und Schauspieler Tilman Tuppy entwickeln seit 2012 gemeinsame Projekte. Abseits vom kollekTief steht Schaller zum Beispiel für die Vorstadtweiber vor der Kamera, oder es spielt Kammerer im Ensemble des Burgtheaters.

Legte man bei der bisherigen Theaterarbeiten vor allem Wert auf sehr unmittelbare Publikumsbegegnungen, setzen die jungen Künstler und Künstlerinnen in Litschau aufgrund der Corona-Vorsicht auf radikale Distanz. Wobei: Radikal wirkte dabei ausschließlich der Akt der Isolation. Ohne Privatsphäre und durch Glasfronten von der Außenwelt getrennt, bereiteten sich die Isolierten auf den Moment der Wiedervereinigung vor, also auf den Augenblick der virologisch unbedenklichen Berührung.

Rituale im Zentrum

Der inhaltliche und szenische Gehalt der an jedem Abend durchgeführten "Rituale" und schließlich der Abschlussperformance bleibt jedoch eher dürftig. In kurzen Gesangs-, Tanz- oder Lecture-Nummern zeigen sie quasi Dokumente der Tagesverfassung. Es geht um "Leichtigkeit", es geht auch um die vom Publikum per Posteinwurf erhaltenen Geschenke.

Ja, und es soll auch "der Fluss der Liebe" jetzt irgendwie in die Welt hinausdringen. Es bleibt somit festzuhalten: Über eine quasi narzisstische Selbsterfahrung kommt das Projekt Bitte nicht berühren leider nicht hinaus.

Ehemaliger Intendant

Insgesamt waren bei der diesjährigen dritten Ausgabe des Festivals Hin & Weg knapp mehr als 140 Veranstaltungen an zwei Wochenenden im August zu erleben. Zeno Stanek, Regisseur, Leiter des österreichischen Theaterverlags Kaiser und ehemaliger Intendant der Festspiele Stockerau, organisiert das Festival mit einem Schwerpunkt auf zeitgenössische Dramatik, die in unterschiedlichen Formaten einem gemischten Publikum von Jung bis Alt präsentiert wird.

Eine szenische Lesung aus Daniel Kehlmanns Buch Frucht und Elend des Virus, das 2021/22 im Theater in der Josefstadt uraufgeführt werden soll, kommt zum Zug – genauso aber auch Menschen im Wald von Autorin Natascha Gangl, das dann von Hans-Christian Hasselmann als Hörspaziergang zwischen Bäumen umgesetzt wurde.

Ehemaliger IntedantDer Autor Bernhard Studlar (von den Wiener Wortstätten) war ebenso zu Gast wie die junge Dramatikerin Alexandra Ava Koch, die nach einem Monat Schreibzeit in Litschau die Ergebnisse ihrer Arbeit präsentierte.

Abstand halten

Der Rahmen des Festivals war, zurzeit wohl nicht unwichtig, quasi Corona-praktisch: Das idyllische Festivalgelände rund um den Herrensee macht Abstände im Sinne des Babyelefanten leicht umsetzbar. Zwischen den Spielorten wie Verlies, Pawlatschenbühne oder Zetschenwiese lässt es sich denn auch gut und sicher flanieren.

Und nach der Lesung vom festivaleigenen Dramatik-Workshop geht es womöglich dann auch zum Gastspiel von Bus, einem Dialektstück mit Darsteller Tobias Fend und dem Vorarlberger Café Fuerte. Tatsächlich findet sich der interessierte Zuschauer in einem Autobus am Bahnhof ein, um sich dem Solo mit Musik zu widmen.

"Es geht um den Dialog", erläutert Zeno Stanek die Gleichwertigkeit von Gastspielen, szenischen Lesungen und Diskussionsveranstaltungen im Rahmen des Spielplans. Sein Interesse an der Förderung von dramatischem Schreiben wird übrigens deutlich expandieren: Für das angrenzende Hoteldorf Königsleitn, das Zeno Stanek kürzlich mit einem Investor erworben hat, ist ein ganzjähriger Spielbetrieb mit Proberäumen und Workshops geplant.

In der nördlichsten Stadt Österreichs, dem 2000-Einwohner-Luftkurort Litschau, entsteht also eine Art Theaterdorf. (Theresa Luise Gindlstrasser,17.8.2020)