Im November des Vorjahres war Belarus' Präsident Alexander Lukaschenko noch zu Gast in der Wiener Hofburg. Nun gab die EU grünes Licht für neue Sanktionen.

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Österreichische Unternehmer hätten ihm in Bezug auf Autoritarismus, Diktatur, Menschenrechte niemals Vorwürfe gemacht, sagte Alexander Lukaschenko im November 2019. Der belarussische Präsident war auf Einladung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen nach Wien gekommen, "Durchbruch im Westen" titelten die Medien. Es war der erste Staatsempfang Lukaschenkos in einem EU-Mitgliedsland nach Jahren der politischen Isolation und internationalen Sanktionen gegen Belarus.

Das ist erst neun Monate her. Nun hat die EU infolge der tagelangen Polizeigewalt nach der Präsidentschaftswahl neuerliche Sanktionen auf den Weg gebracht. "Die Wahlen waren eindeutig eine Farce, nicht frei und nicht fair", so Außenminister Alexander Schallenberg. Die Einladung nach Wien, zu der auch ein Wirtschaftsforum zählte, sei aus damaliger Sicht kein Fehler gewesen, "jetzt wurden eindeutig rote Linien überschritten".

Ungleich stabiler als die politische Beziehung ist die wirtschaftliche. Österreich ist laut Bundeskanzleramt mit rund 368 Millionen Euro an ausländischen Direktinvestitionen der zweitgrößte Investor in Belarus. Die Summe entspricht mehr als acht Prozent aller dort getätigten Auslandsinvestitionen. Für Österreich fällt dieser Betrag hingegen kaum ins Gewicht – nur 0,18 Prozent aller heimischen Auslandsinvestitionen gehen nach Belarus.

Vielfach höhere Direktinvestitionen Österreichs weist die belarussische Nationalbank auf ihrer Website aus, nämlich 1,6 Mrd US-Dollar (1,4 Milliarden Euro) zum 1. Jänner 2020. Wie sich die Diskrepanz zwischen den österreichischen und belarussischen Angaben ergibt, konnte bis Redaktionsschluss nicht eruiert werden.

Russland als wichtiger Player

Der wichtigste Player im Land bleibt jedenfalls Russland, das knapp die Hälfte des Handelsvolumens verantwortet. "Belarus ist von Russland ungefähr so abhängig wie Österreich von Deutschland", sagt Julia Grübler vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). Wichtigste Exportgüter sind Holz, unedle Metalle und vor allem Kraftstoffe: Russland liefert Belarus vergünstigtes Rohöl, das in zwei Raffinerien veredelt und weiterverkauft wird.

Aber eben auch die 368 Millionen Euro aus Österreich sind ein bedeutsamer Wirtschaftsfaktor für die Ex-Sowjetrepublik, in der die meisten Unternehmen in staatlicher Hand sind. "Die Entscheidung über Sanktionen ist natürlich Sache der Politik. Wir halten es für wichtig, Gesprächskanäle auch in schwierigen Zeiten und mit schwierigen Handelspartnern offenzuhalten", sagt Rudolf Lukavsky, Delegierter der Wirtschaftskammer (WKO) in Moskau und als solcher für Belarus zuständig.

Ähnlich kommentieren die dort aktiven heimischen Unternehmen die Lage, wie Anfragen des STANDARD verdeutlichen. Die Telekom Austria, deren 100-Prozent-Tochter A1 Belarus knapp fünf Millionen Kunden hat, geriet wegen der tagelangen Internetsperren im Zuge der Wahl in die Schlagzeilen. Damit habe die Telekom Austria laut Sprecher definitiv nichts zu tun.

Keine große Relevanz

Zu den größten Investoren zählt laut WKO die Vienna Insurance Group, die in Belarus "nur" ein Promille ihres internationalen Prämienvolumens erzielt. Die dortige Niederlassung mit 80 Mitarbeitern und 1,6 Prozent des Marktanteils im Versicherungsbereich sei profitabel, habe aber "keine großartige Relevanz", heißt es bei der VIG. Man werde die politische Lage genau beobachten. Ähnlich argumentiert die Raiffeisen Bank International (RBI), deren 2003 übernommene Priorbank nur 1,37 Prozent der RBI-Bilanzsumme ausmacht. "Ein Rückzug aus dem belarussischen Markt wäre für Raiffeisen wohl kaum schmerzhaft, für Belarus aber sehr wohl." Dieser sei jedenfalls nicht geplant, man habe "Verpflichtungen" 800.000 Kunden gegenüber.

Auch der Telematikkonzern Kapsch ist seit 2012 in Belarus tätig, wo er mit knapp 200 Mitarbeitern ein einheitliches Mautsystem für Pkws und Lkws betreibt. Zu etwaigen Wirtschaftssanktionen wolle man sich nicht äußern, derzeit sehe man "keine Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit".

Die EU-Außenminister haben sich am Freitag über Sanktionen verständigt, die sofort erarbeitet werden sollen. Den wichtigsten Hebel sieht WIIW-Expertin Grübler in der Handelspolitik, da die Kommission hier autonom und rasch handeln kann. Aber: "Eigentlich zählt aus Sicht der belarussischen Wirtschaft fast nur, was Russland macht." (Florian Bayer, 17.8.2020)