Die Prototypen der Kooperationsvereine im direkten Duell: die Juniors OÖ gegen den FC Liefering.
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Der österreichische Fußball trägt zur Sprachentwicklung bei. Nein, damit sind nicht die kultigen Fallfehler in Herbert Prohaskas Analysen gemeint. Vielmehr erlauben sich die Klubs der Bundesliga, einem gewöhnlichen Verb eine neue Bedeutung zu verleihen.

"Der Flügelspieler wird zu Zweitligist FC Juniors OÖ kooperiert", hieß es etwa beim LASK, als dieser im vergangenen Jänner den 18-jährigen Ibrahima Dramé verpflichtete und ihn sofort wieder abgab. Mit dem Konstrukt sogenannter Kooperationsverträge werden junge Spieler von Erstligisten unkompliziert zu Partnerklubs in der 2. Liga verfrachtet. Neben den Juniors OÖ gibt es fünf weitere sogenannte Farmteams: FC Liefering, Young Violets, Rapid II, Dornbirn und Kapfenberg. Was macht das mit dem österreichischen Fußball?

Hohe Budgets, schöne Stadien

"Ich sehe die Zweitmannschaften zwiegespalten", sagt Jürgen Tröscher dem STANDARD. Er ist Sportchef bei Vorwärts Steyr, der Siebten der vergangenen Meisterschaftssaison. Der oberösterreichische Traditionsklub hat keinen Partner im Oberhaus der Bundesliga und ist der kooperierenden Konkurrenz finanziell unterlegen. Ein Neuzugang bei Liefering kann das Doppelte des gesamten Vorwärts-Jahresbudgets kosten, rechnet Tröscher vor. In Liefering gibt es eine enge Zusammenarbeit mit Serienmeister Red Bull Salzburg.

Die Finanzkraft bringe aber auch Vorteile: "Matches gegen Kooperationsklubs sind sportlich attraktiv, die Teams sind gespickt mit gut ausgebildeten Spielern", sagt Tröscher. Die Entwicklung von Talenten ist ein deklariertes Ziel der 2. Liga. Und Steyr spiele dadurch immerhin "in schönen Stadien", zum Teil in den Arenen der jeweiligen Erstligisten.

Keine Emotion, wenig Zuschauer

Das Problem: Leider interessieren diese Matches nur kaum jemanden. In der Zuschauertabelle der Saison 2019/20 belegten Liefering, Juniors OÖ und Young Violets die drei letzten Plätze. Im Schnitt saßen dort weniger als 500 Menschen im Stadion. "Ich kann verstehen, dass Fans solche Spiele nicht sehen wollen", sagt Tröscher. Matches gegen Kultklubs mit ausgeprägter Fankultur wie Vienna, Austria Salzburg oder Wiener Sportclub wären laut Tröscher attraktiver. Mit einem stimmungsvollen Stadion steigen nämlich die Chancen auf TV-Präsenz. Die wiederum vereinfache die Sponsorensuche.

Tröscher ist mit seinen Bedenken nicht allein. "Fehlt die Emotion, dann sinkt auch das Interesse", sagt Klubmanager Matthias Dielacher vom GAK. In Matches gegen Kooperationsvereine komme keine gute Stimmung auf. Gleichzeitig stellt Dielacher fest: "Der Kreis der klassischen Mitgliedervereine schrumpft."

Drei Arten der Kooperation

Die sechs Farmteams der 2. Liga lassen sich in drei Gruppen einteilen. Young Violets (Austria) und Rapid II sind zwei offizielle Amateurteams. Diese sind im Profiverein integriert, ihre Spieler dürfen jederzeit für die Kampfmannschaft der Erstligisten auflaufen. Bis zu vier Profis älter als 23 Jahre können bei den Amateuren kicken, etwa beim Comeback nach einer Verletzung. Immer vorausgesetzt, sie werden pro Spieltag nur für ein Team eingesetzt.

Liefering und Juniors OÖ sind zwar offiziell eigenständige Vereine, ähneln in ihrem Auftreten aber stark ihren großen Brüdern. Sie entwickeln systematisch junge Spieler für Salzburg und den LASK. Beide Erstligisten haben keine eigenen Amateure, dafür zahlen sie jährlich eine Strafe in Höhe von 7500 Euro an ihren Landesverband. Kooperationsspieler dürfen nicht älter als 22 Jahre sein. Im Gegensatz zu Leihverträgen mit Drittklubs können sie zu jedem Zeitpunkt der Saison zum Stammverein zurückkehren.

Zwei weitere Kooperationen wurden erst vor kurzem fixiert. Sturm startete im Juli eine Zusammenarbeit mit der Kapfenberger SV. Der SCR Altach stellte im Frühsommer den Betrieb der sogenannten Altach Juniors ein. Stattdessen kooperieren die Vorarlberger nun mit ihren Landsleuten vom FC Dornbirn. Wie eng diese beiden Kooperationen in der Praxis aussehen, wird die kommende Saison zeigen.

ÖFB-Regel für die Fische

Die 2. Liga hat aktuell 16 Teilnehmer. Bei der Erweiterung von einer Zwölfer-Liga im Sommer 2018 beschränkte der ÖFB die Anzahl an zugelassenen Amateurmannschaften auf drei. Sollte sich eine weitere sportlich für einen Aufstieg in die 2. Liga qualifizieren, würde es zu einem Playoff mit Hin- und Rückspiel gegen das schlechteste Amateurteam aus der 2. Liga geben.

Durch Kooperationsvereine wird diese Regel ausgehebelt "Das Problem war vorprogrammiert und wurde jetzt schnell sichtbar", sagt Dielacher. "Jeder Verein schaut nur auf sich und versucht, Lücken im Reglement zu nützen." Aus den Regionalligen kommen kaum aufstiegswillige Teams nach. Das zeigt sich jedes Jahr bei der Antragstellung für die Spiellizenz der 2. Liga. Tröscher findet, dass es Kooperationsklubs daher sogar brauche, um ein solides Niveau in einer Meisterschaft mit 16 Teams sicherzustellen.

Finanziell überlegen

Für Konstantin Wawra, Sportdirektor bei Blau-Weiß Linz, ist das aktuelle Ligaformat mit 16 Teams nicht nachhaltig. Vereine im Profibetrieb seien gezwungen, innerhalb von drei Jahren alles auf den Aufstieg zu setzen. Danach müsse man aus wirtschaftlichen Gründen auf einen semiprofessionellen Betrieb wechseln.

"Mir kommt es so vor, als sei die 2. Liga ist ein Stiefkind der Bundesliga", sagt Wawra. Er wünscht sich höhere Solidarzahlungen aus den TV-Geldern, die die Erstligisten vom Rechteinhaber Sky bekommen. Es gäbe ein Ungleichgewicht, da Rapid oder Austria diese Mittel für ihre Amateurteams verwenden könnten. "Wir sind komplett eigenständig und müssen uns durchkämpfen", sagt Wawra.

Warum kooperieren?

Liefering wurde einst erschaffen, um einem Regulativ zu entgehen: Die Bundesliga ließ ab der Saison 2010/11 keine Zweitmannschaft mehr zu. Salzburg wollte weiterhin ein Team in der 2. Liga stellen und ging mit seinen Red Bull Juniors eine Spielgemeinschaft mit USK Anif ein. Der Verein benannte sich 2012/13 in FC Liefering um. Im ersten Vereinsjahr gewannen die Salzburger die Regionalliga West und stiegen über das Playoff in die 2. Liga auf.

Die Juniors OÖ gingen aus den LASK Juniors hervor. Die Oberösterreicher fürchteten Interesse an der 2. Liga von weiteren Bundesliga-Amateuren und wollten möglichen Play-off-Spielen mit dem FC Juniors OÖ aus dem Weg gehen.

Die Beweggründe in Altach sind simpler: Der Spielbetrieb der Amateure kostete Geld. Die Corona-Krise beendete den Spielbetrieb im österreichischen Unterhaus und gleichzeitig die Ambitionen der Vorarlberger, mit den Amateuren mittelfristig in die 2. Liga aufzusteigen. Die Kooperation mit Dornbirn ist schlicht die billigere Variante.

Sturm erhofft sich durch die Kooperation mit der KSV eine effektivere Einbindung junger Spieler in die Kampfmannschaft. Der Sprung von der Amateurmannschaft (Regionalliga) in die Bundesliga war bislang zu groß. Sturm II bleibt als Drittliga-Mannschaft bestehen.

Kooperationsklubs dürfen im Übrigen im ÖFB-Cup antreten, Amateurteams nicht. Der Interessenskonflikt scheint allerdings sogar den entsprechenden Mannschaften selbst zu unangenehm geworden zu sein: Liefering verzichtet schon seit längerem auf eine Teilnahme, die Juniors OÖ sind in diesem Jahr erstmals nicht dabei.

Schlechte Kommunikation

Tröscher fürchtet durch die Kooperationen andere Schäden. "Man muss bei der Integrität aufpassen." Ein vom Abstieg bedrohter Kooperationsklub könnte durch Spieler aus der Bundesliga unterstützt werden. "Vielleicht sind es eines Tages acht oder neun kooperierende Teams. Der Rest schnapst sich dann nur noch die Abstiegsplätze untereinander aus."

Dielacher ärgert sich darüber, vom Aufstieg von Rapid II aus dem Medien erfahren zu haben. "Eine ligainterne Diskussionsmöglichkeit wäre wünschenswert gewesen", sagt er und beklagt ein Grundproblem. Zweitliga-Klubs haben bei Abstimmungen in der Bundesliga-Hauptversammlung zu wenig Gewicht. Die Stimmen der Erstligisten zählen mehr, es sei "de facto unmöglich", eine Änderung im Sinne der 2. Liga herbeizuführen. "Wir werden uns Gedanken machen, wie wir unseren Fans auch abseits der Liga attraktive Fußballerlebnisse bieten können."

Bundesliga verteidigt Regel

Für Zweitliga-Vizemeister Austria Klagenfurt gehe durch Kooperationen keine Gefahr für die Integrität aus. "Wir nehmen die Gegner, wie sie kommen, und vertrauen darauf, dass ÖFB und Liga darauf achten, dass ihre Statuten eingehalten werden", sagt Sportchef Mathias Imhof.

Die Bundesliga wies bei einer STANDARD-Anfrage darauf hin, dass in der vergangenen Saison insgesamt sieben Teams – darunter auch der GAK und Vorwärts Steyr – von der Regel der Kooperationsverträge Gebrauch gemacht haben. Sie wurde bereits in den 90er-Jahren implementiert und trage dazu bei, dass die 2. Liga ein gutes Sprungbrett für junge Talente darstellt.

Diese können sich dann im besten Fall hinaufkooperieren. (Lukas Zahrer, 8.9.2020)