In Großbritannien blieben die Klassenräume aufgrund der Corona-Pandemie leer, anstatt einer Matura basieren die Noten auf den bisherigen Leistungen.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Fast 40 Prozent der Ergebnisse der A-Levels, dem höchsten Schulabschluss in England – vergleichbar mit der Zentralmatura –, wurden nachträglich herabgestuft. Der Grund: ein Algorithmus, der von der britische Prüfungsregulierungsbehörde Ofqual eingesetzt wird, da schriftliche Prüfungen aufgrund der Corona-Pandemie gestrichen worden waren. Stattdessen wurden die bisherigen Leistungen während des Schuljahrs evaluiert. In Irland und Schottland kommt der Algorithmus nicht zum Einsatz.

Lehrerprognose verschlechtert

Dabei reichten Lehrer eine eigene Prognose ein, die dann von dem System geprüft und angepasst wurde. In 39,1 Prozent der insgesamt rund 700.000 Einschätzungen von Ausbildnern wurden die Ergebnisse um mindestens eine Note verschlechtert, in nur 2,2 Prozent der Fälle wurden sie verbessert.

Gerade die Funktionsweise des Algorithmus ist nun in die Kritik geraten, denn dieser setzt auf historische Ergebnisse. Eine Schule, die in der Vergangenheit also Schüler mit guten Ergebnissen zutage gebracht hat, wird bevorzugt, während Schüler aus einer Bildungsanstalt mit bisher eher schlechteren Noten entsprechend auch negativer bewertet werden.

Benachteiligte Schüler würden weiter diskriminiert

Schüler, Eltern und Lehrer werfen der britischen Regierung vor, mit einem solchen System vor allem sowieso benachteiligte Schüler zu diskriminieren – besonders Lehrer staatlicher Schulen in ärmeren Bezirken berichten, dass über 50 Prozent ihrer Ergebnisse verschlechtert wurden, vor allem bei den vergebenen sehr guten Noten. Schülervertreter erwägen nun, rechtlich gegen die Maßnahmen vorzugehen.

Bevorzugt würden dagegen kleine Privatschulen mit bisher relativ guten Noten: Deren Ergebnisse haben sich im Vergleich zum Vorjahr sogar verbessert. Dennoch: Trotz des umstrittenen Algorithmus hat es noch nie so viele Schüler mit so guten Noten gegeben.

Universitäten wollen nachsichtig sein

Bildungsminister Gavin Williamson verspricht, dass es drei Möglichkeiten gebe, gegen die Ergebnisse vorzugehen: einerseits durch einen Einspruch, durch das Beharren auf Noten, die zuvor in Probeprüfungen erreicht wurden, oder durch die Teilnahme an einer regulären Prüfung im November. Die Richtlinien für Letzteres würden noch geprüft, hieß es von der Behörde Ofqual. Universitäten kündigten bereits an, heuer nicht so genau auf die Note zu schauen. An der Universität Oxford etwa würden bestehende Studienangebote weiter gelten, ohne dass die neuen Noten eine Rolle spielen.

Schottland kündigte hingegen an, gänzlich auf die Anpassung durch den Algorithmus zu verzichten und die Einschätzungen der Lehrer als endgültige Note zu nutzen. Insgesamt haben englische Schüler heuer im Vergleich zu den Vorjahren bessere Chancen, einen Studienplatz zu bekommen – denn 4.000 Studenten weniger als sonst haben sich aus der EU angemeldet. (red, 17.8.2020)