Thomas Schranz, die beiden Lamas Heidi und Peter sowie die Schafherde, die sie nachts beschützen.

Foto: Florian Lechner

Peter das Lama leistet seinem Hirten und Besitzer gute Dienste.

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Die beiden als Herdenschutzhunde ausgebildeten Kangals kann Hirte Thomas Schranz mangels gesetzlicher Rahmenbedingungen noch nicht auf der Alm einsetzen. Sie "üben" derweil im Tal mit einer Herde Schafe und Ziegen.

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Tösens – Die Pfundser Tschey ist selbst für Tiroler Verhältnisse kitschig. Das Hochtal im Oberland, berühmt für saftig grüne Wiesen, übersät von unzähligen kleinen Hütten, wirkt wie die etwas zu perfekte Heimatfilmkulisse. Doch am westseitigen Hang, gleich neben der Hütte von Schafbauer Thomas Schranz, grasen zwei Tiere, die so gar nicht ins Tiroler Almidyll passen: Heidi und Peter.

Die beiden ausgewachsenen Lamas überragen die Schafherde, inmitten derer sie weiden deutlich. Schranz setzt sie zum Schutz gegen umherstreifende Wölfe ein, die hier immer wieder Almschafe reißen: "Lamas hassen Hunde und attackieren sie." Diese Eigenschaft macht er sich zunutze. Heidi und Peter behüten die Herde nachts. Schranz hat dazu ein Gatter in der Pfundser Tschey aufgestellt. Ein 1,05 Meter hoher, stromführender Weidezaun mit Durchschlupfschutz – Wölfe springen nicht über Zäune, sondern kriechen lieber unten durch – ist quasi der erste Schutzwall. Dahinter warten die Lamas. "Kommt ein Wolf, stellen sie ihn. Mit 1,90 Meter Größe sind das beeindruckende Tiere für so einen Wolf", sagt er.

Mit dieser Idee macht sich Schranz unter Landwirten nicht beliebt. Denn die meisten Almbauern sehen die Flinte als einzig praktikable Lösung gegen die Rückkehr des großen Beutegreifers. Jegliche Schutzmaßnahmen lehnen sie als zu teuer und nicht praktikabel ab. "Ich werde als Nestbeschmutzer beschimpft", erzählt Schranz. Sein Nachbar hat direkt an der Grundstücksgrenze ein drastisches Plakat affichiert. Darauf zu sehen sind zerrissene Schafkadaver und die Forderung, dass der Wolf zurück in die Wälder gehöre, nicht auf die Almen.

Augenauswischerei der Politik

Dabei ist auch Schranz "kein Freund" des Wolfes, wie er klarstellt: "Ich brauch die Viecher nicht." Aber er ist Realist genug, um zu wissen, dass die Forderung nach Abschuss der Wölfe keine Lösung ist. Er macht die Politik mitverantwortlich für die hitzigen Diskussionen rund um das Thema: "Den Bauern ständig vorzugaukeln, man werde für Abschussgenehmigungen sorgen, ist Augenauswischerei."

Wölfe gehören zu den streng geschützten Arten in der EU. Österreich hat sich diesem Schutz verpflichtet, und die zuständige EU-Kommission hat mehrfach sehr deutlich klargemacht, dass an diesem Status nicht gerüttelt wird. WWF-Wolfsexperte Christian Pichler hält die Abschussforderungen ebenfalls für "Populismus". Der EU-weite Schutz sei gut abgesichert: "Zudem werden immer wieder Wölfe aus Nachbarländern durch Österreich streifen. Wir sind umgeben von Wolfspopulationen und werden bald auch in Tirol ein erstes fixes Rudel haben."

Herdenschutz als einzige Lösung

Daher sei Herdenschutz der einzig gangbare Weg, sind sich Schafbauer Schranz und WWF-Experte Pichler einig. Auch wenn ihre Motive ganz andere sind. Schranz will seine Tiere schützen, Pichler den Wolf. Auch das Land Tirol hat sich dem Herdenschutz verschrieben, wie der dafür zuständige Klaus Wallnöfer erklärt: "Doch das erfordert auch eine Umstellung der bisherigen Kultur der Almwirtschaft. Das wird dauern, denn es muss erst einmal in die Köpfe hinein, und es müssen die Rahmenbedingungen hierfür erst geschaffen werden."

Die Diskussion wirkt insgesamt aufgebauscht und zu emotional geführt, wenn man die Zahlen betrachtet: In Tirol wurden 2019 68.000 Schafe auf Almen getrieben. Der jährliche Verlust durch Krankheit, Absturz, Blitzschlag und andere Gefahren liegt nach vorsichtigen Schätzungen bei rund 5.000 Stück Vieh. Nur 15 Schafe wurden in Tirols Bergen im Vorjahr nachweislich von Wölfen gerissen.

Das Land hat in einem ersten Schritt dennoch eine halbe Million Euro an Fördergeldern für Herdenschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt. Wer Beratung in Anspruch nimmt, kann bis zu 60 Prozent der Kosten für Schutzzäune erstattet bekommen. Auch moderne GPS-Tracker für Schafe werden unterstützt.

Aufholbedarf bei Schutzmaßnahmen

Innovative Ideen, wie die von Schranz, der mit Lamas und ausgebildeten Herdenschutzhunden arbeitet, sind noch Zukunftsmusik. Seine beiden türkischen Kangals, beeindruckende Hunde, die zum Schutz von Schafherden gezüchtet werden, hat er auf eigene Faust ausgebildet. Sie bewachen derzeit die Herde im Tal. Auf der Alm kann er sie noch nicht einsetzen, es fehlen gesetzliche Rahmenbedingungen.

In der Schweiz, wo man in Sachen Wolfsmanagement 20 Jahre Vorsprung hat, sind bereits mehr als 200 solcher Herdenschutzhunde auf Almen im Einsatz. Es gelten strenge Kriterien, was Rasse und Ausbildung angeht. Denn ihr Einsatz ist nicht unproblematisch. Es kommt immer wieder zu Zwischenfällen, gerade mit Wanderern, die selbst Hunde mitführen, und Mountainbikern, deren Geschwindigkeit die wachsamen Tiere oft überrascht.

Im Jahr 2009 wurde erstmals seit seiner Ausrottung wieder ein Wolf in Tirol gesichtet. Seit 2017 streifen vereinzelte Tiere aus Nachbarländern kommend immer öfter durch, und bald wird es erste Rudel geben, sind sich Experten sicher. Die Rudel werden die Lage entspannen, da sie durchstreifende Einzeltiere vergrämen und "erziehbar" sind, wie Schranz erklärt: "Die merken sich, dass Zaun und Mensch für sie eine Gefahr bedeuten." Herdenschutz ist daher alternativlos, erklärt der Landwirt. Denn Abschussgenehmigungen für "Problemwölfe" werden nur dann erteilt, wenn sämtliche Herdenschutzmaßnahmen bereits erfolglos versucht wurden. (Steffen Arora, 17.8.2020)