Schon im 77A Richtung Stadion ist die Aufregung rund um die Wiener Corona-Teststraße groß. "Des is gratis?", beginnen da die Insassinnen und Insassen mit Blick auf die Warteschlange zu murmeln – und: "Kommen die alle aus Kroatien?" Zumindest die Antwort auf die erste Frage lautet: Ja. Weil eine Frau nicht wie gewohnt am Pierre-de-Coubertin-Platz aussteigen kann, entbrennen gleich zwei Konflikte: einer zwischen ihr und dem Chauffeur, in dem sie ihn dazu bringt, doch neben der Autokolonne zu halten, und einer zwischen dem Chauffeur und einem Sicherheitsmitarbeiter, in dem der Security-Mann versichert, man könne das nun einmal nicht anders aufbauen.

Zentrum des Trubels ist am Sonntag wie am Montag ein mobiles Corona-Testcenter vor dem Wiener Ernst-Happel-Stadion. Eingerichtet wurde es, um Kroatien-Urlauberinnen und -Urlauber auf das Virus zu testen, wenn diese schon vor Inkrafttreten der Reisewarnung – also vor der Nacht auf Montag – nach Hause kamen. Denn diese waren gesetzlich noch nicht zu einem Test verpflichtet. Jeder, der nun einreist, ist das und muss auch selbst dafür zahlen.

Gurgeln, spucken, Daten angeben

700 Personen wurden hier allein am Sonntag untersucht. Im Laufe des Tages baute man die Spuren aus, bis nach Mitternacht waren Sanitäter im Dienst. Auch am Montag ist der Andrang groß: Auf der einen Seite stauen sich die Autos bis runter zur Prater-Hauptallee, in die andere Richtung stehen die Fußgänger bis zum Stadion. In der Mitte, gleich neben einem Würstelstand, laufen die Spuren zusammen. Da wird gegurgelt und gespuckt, da werden E-Cards gezückt und Daten verarbeitet.

Den Menschen in der Walk-in-Schlange sieht man den Urlaub noch an. Viele sind braungebrannt, bunte Strandkleider sieht man genauso wie das bezeichnende Bauchtascherl unter dem Herrenbauch. Fragt man die Leute, ob sie frisch aus Kroatien kommen, ist die Antwort bei den meisten: Ja, aber eher zufällig gerade jetzt. Den Urlaub haben nur manche wegen der Reisewarnung um ein, zwei Tage verkürzt, die meisten Angesprochenen wären ohnehin dieser Tage heimgekehrt, sagen sie.

"So entspannt wie selten"

Samstagnacht sei sie abgereist, erzählt eine junge Frau, die die Zeit nutzt, um ihre Mails abzuarbeiten. Etwas früher als geplant, "weil man ja nicht wusste, was einen erwartet", sagt sie. Unter den Reisenden in Rovinj habe sich Unsicherheit breitgemacht, aber die große Abreise blieb aus. Auch weil ohnehin nicht so viel los gewesen sei wie üblich in der Urlaubssaison. Selbst Staus habe es nicht gegeben, "wir sind entspannt wie selten zurückgekommen", meint die Frau. Den Test macht sie aber nicht, weil sie Angst hat, krank zu sein, betont sie, sondern vielmehr, um die Kolleginnen und Kollegen zu beruhigen. Deswegen wird sie bis zum Testergebnis auch im Homeoffice bleiben. Wer Krankheitssymptome hat, solle ohnehin nicht herkommen, sondern 1450 rufen, betonte die Gesundheitsbehörde schon vorab.

Ein paar Meter weiter vorn, zwischen Containern der Feuerwehr und einem provisorischen mobilen Bretterverschlag, hinter dem ein Sanitäter seinen Laptop auf zwei Schachteln mit der Aufschrift "Virus Sampling Kit" balanciert, hat ein junges Geschwisterpaar den Test schon hinter sich. Der unangenehme Rachenabstrich, wie er bei Corona-Tests üblich ist, muss hier nicht durchgemacht werden, hier wird gegurgelt. Geschmeckt habe das wie Meerwasser, sagt die junge Frau: "Eigentlich ganz okay." Auch die beiden sind einen Tag früher abgereist, um nicht von den Einreisebeschränkungen betroffen zu sein, die ganze Nacht sind sie durchgefahren.

Anschober gegen Gratistests an der Grenze, Hacker für Ausweitung

Bis zum kommenden Freitag bleibt das Testcenter vorerst geöffnet, jeder, der zwischen 7. und 17. August aus Kroatien heimkehrte und den Hauptwohnsitz in Wien hat, kann das Angebot bis dahin noch nutzen. Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) zog in einer Pressekonferenz am Montag allerdings in Erwägung, das Angebot länger beizubehalten. Man müsse auch die Diskussion darüber führen, warum sie nur für Kroatien-Rückkehrer gelten solle und nicht auch für andere, sagte Hacker, und sprach sich dafür aus, diese Ungleichbehandlung zu beenden und auch Urlauber aus anderen Destinationen zu testen.

Ob die Personen, die heute vor dem Stadion stehen oder im Auto sitzen, tatsächlich in Kroatien waren, wird allerdings nicht überprüft, niemand muss Beweise vorlegen. "Wir versuchen ohnehin, so viel wie möglich zu testen", sagt Corina Had, Sprecherin des Wiener Krisenstabs. Doch der Andrang zeigt: Ganz ohne Einschränkungen wären Gratistests schlicht nicht bewältigbar.

Der Aufwand, so argumentiert Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), wäre auch für Teststraßen an der Grenze zu groß. Außerdem mache es keinen Unterschied, ob man bei 1450 anrufe und sich eine Gratistestung organisiere oder wie in Wien zu einem Drive-in-Test fahre. Er appellierte stattdessen an die Landesbehörde, genug Personal für Grenzkontrollen zur Verfügung zu stellen, damit die in Befragungen herausfinden können, ob jemand in Kroatien war. Bei diesen Befragungen könne in Einzelfällen "auch verlangt werden, dass man sehr präzisiert".

Weiterer Ausbau möglich

Auch am Montag mussten die Spuren vor dem Stadion in Wien ausgeweitet werden, insgesamt sechs Teststraßen standen am Nachmittag zur Verfügung. Allein am Vormittag, so Had, habe man 700 Tests durchgeführt. Bis nach Mitternacht wolle man am Montag aber nicht offen halten, um 21 Uhr soll Schluss sein – laut Plan.

Die Straße runter Richtung Prater reiht sich Auto an Auto, nur schleppend rollen sie voran. Junge Leute sitzen da genauso drin wie Paare und Familien. Ein Vater steht neben seinem Auto, um ihn herum spielen drei Kinder, ein weiteres sitzt am Beifahrersitz, noch eines wirft einen Schlapfen aus dem offenen Autofenster. Wie lange er hier schon steht? Zwei Stunden, sagt er und seufzt. (Gabriele Scherndl, 17.8.2020)