Eine von ihm selbst ausgestoßene Materiewolke verdunkelt teilweise den Roten Überriesen Beteigeuze.
Illustr.: ESO, ESA/Hubble, M. Kornmesser

Der stellare Gigant Beteigeuze, gut eine Milliarde Mal größer als die Sonne und über 700 Lichtjahre entfernt, hat mit seinem seltsamen Benehmen vor etwa einem halben Jahr unter Astrophysikern für Aufsehen und Rätselraten gleichermaßen gesorgt: Innerhalb weniger Wochen hatte der Rote Überriese mehr als die Hälfte seiner Leuchtkraft eingebüßt – etwas, das sich mit seinem herkömmlichen Pulsieren mit Perioden von Monaten bis Jahren nicht erklären lässt. Manche sahen das Phänomen, das bis April 2020 anhielt, als Anzeichen dafür, dass der Stern am Ende seines Lebens demnächst in einer Supernova explodiert, doch die meisten Experten halten das eher für unwahrscheinlich.

Vielmehr entdeckten Forscher als Ursache für die Verdunkelung der Sternoberfläche vor einiger Zeit Hinweise auf riesige Sternflecken, die zwischen 50 und 70 Prozent der sichtbaren Oberfläche von Beteigeuze bedecken sollen. Das zumindest schloss ein Team um Thavisha Dharmawardena vom Max-Planck-Institut für Astronomie aus Beobachtungsdaten des Atacama-Pathfinder-Experiments (Apex) und des James-Clerk-Maxwell-Teleskops (JCMT).

Die erste direkte Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops von einem fremden Stern: Das Bild von Beteigeuze zeigt eine im UV-Licht strahlende Atmosphäre mit einem mysteriösen Hotspot auf der Oberfläche des Riesensterns, einer Region, die mindestens 2.000 Kelvin heißer als die restliche Oberfläche ist.
Foto: Andrea Dupree (Harvard-Smithsonian CfA), Ronald Gilliland (STScI), NASA and ESA

Staub wird wieder zum Hauptverdächtigen

Lichtabsorbierender "Staub", der üblicherweise bei Pulsationsprozessen von roten Riesensternen in der finalen Phase ihres Daseins freigesetzt wird, war von Dharmawardena und anderen Astrophysikern ebenfalls als Grund für die starke Verdunkelung erwogen worden. Die Untersuchung von Strahlung aus dem Spektralbereich der Submillimeterwellen (Terahertz-Strahlung) sprach allerdings gegen eine solche Erklärung. Neuere Beobachtungen mit dem Hubble-Weltraumteleskop rücken nun aber doch wieder Staubansammlungen in den Mittelpunkt der Ursachensuche.

Die Hubble-Beobachtungen sind Teil einer dreijährigen Studie der Schwankungen in der äußeren Atmosphäre von Beteigeuze. Die seither entstandene Zeitreihe liefert wichtige neue Hinweise auf den möglichen Mechanismus hinter der Verdunklung. Hubble beobachtete die Schichten über der Oberfläche des Sterns, die so heiß sind, dass sie hauptsächlich im ultravioletten Bereich des Spektrums leuchten.

So stellen sich die Forscher den Ablauf der Verdunkelung vor: Der Stern stößt superheißes Plasma aus, das durch die heiße Atmosphäre zu den kälteren äußeren Schichten des Sterns gelangt. Dort kühlte es ab, und die so entstandene riesige Staubwolke blockierte ab Ende 2019 das Licht von etwa einem Viertel der Sternoberfläche. Im April 2020 hatte Beteigeuze seine normale Helligkeit wieder erreicht.
Illustr.: NASA, ESA, and E. Wheatley (STScI)

Dunkle Wolke aus dichter, heißer Region

In den Herbstmonaten 2019 spürte Hubble dichtes, heißes Material in der Atmosphäre des Riesensterns auf. "Mit Hubble sahen wir, wie das Material die sichtbare Oberfläche des Sterns verlässt und sich durch die Atmosphäre bewegt, bevor sich der Staub bildet, der den Stern zu verdunkeln scheint", sagt die leitende Forscherin Andrea Dupree vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. "Wir konnten den Effekt einer dichten, heißen Region im südöstlichen Teil des Sterns sehen, die sich nach außen bewegt. Dieses Material war zwei- bis viermal heller als die normale Helligkeit des Sterns. Und dann, etwa einen Monat später, verdunkelte sich die Südhalbkugel von Beteigeuze auffallend, als der Stern schwächer wurde. Wir halten es für möglich, dass eine dunkle Wolke aus dem von Hubble entdeckten Ausstoß resultierte."

Von besonderer Bedeutung während der Zeit der großen Verdunkelung waren Geschwindigkeitsmessungen der äußeren Schichten von Beteigeuze mit dem Stella-Teleskop des AIP auf Teneriffa, dessen Beobachtungen die von Hubble ergänzen. "Stella wurde zur Beobachtung einzelner Objekte über einen sehr langen Zeitraum – insbesondere magnetisch aktiver Sterne – konstruiert. Es eignet sich perfekt für die Beobachtung heller Sterne wie Beteigeuze. Stella beobachtete den Stern bereits seit 2006 praktisch in jeder klaren Nacht", erklärt Klaus Strassmeier, Koautor der im "Astrophysical Journal" erschienenen Studie vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP).

Spektralanalysen auf Basis von Hubble-Beobachtungen zwischen März 2019 und Februar 2020 zeigen einen überraschenden Ausbruch in der Atmosphäre von Beteigeuze. Um die Bewegung in der pulsierenden Atmosphäre des Sterns zu verfolgen, wurden Emissionsmessungen von Magnesium II verwendet.
Grafik: NASA, ESA, A. Dupree (CfA), and E. Wheatley (STScI)

Zusammenhang mit Pulsation wahrscheinlich

Obwohl die Ursache des Ausbruchs nicht bekannt ist, hält es das Forschungsteam für wahrscheinlich, dass er mit dem Pulsationszyklus des Sterns zusammenhängt und dadurch begünstigt wurde. Dieser setzte sich während des gesamten Ereignisses normal fort. Die Wissenschafter setzten Stella ein, um Veränderungen in der Geschwindigkeit des Plasmas auf der Sternoberfläche zu messen, während es im Laufe des Pulsationszyklus auf- und abstieg. Als das heiße Material aufstieg, dehnte sich der Stern in seinem Zyklus zur gleichen Zeit aus. Die Pulsation, die sich von Beteigeuze nach außen hin ausbreitete, hat möglicherweise dazu beigetragen, das ausströmende Plasma durch die Atmosphäre zu treiben.

"Hätte ein großer und sehr kühler Sternfleck die Verdunklung verursacht, wären die Geschwindigkeiten des Plasmas nicht der Pulsation, sondern der Rotation des Sterns gefolgt. Diese ist übrigens sehr langsam und beträgt viele Jahre. Sie hätte daher nicht zeigen können, was Stella beobachtete, und schon gar nicht eine Umkehrung der Geschwindigkeit des Plasmas, als der Stern am schwächsten war", schließt Strassmeier. (tberg, red, 18.8.2020)