In der Wachau ist alles eine Frage der Lichtverhältnisse: Maximilian Suppantschitsch, "Beim ehemaligen Weißenkirchnertor in Dürnstein" (1890).

Landesgalerie NÖ

Anton Hlavacek: "Panorama des Donautals mit der Burgruine Dürnstein" (um 1905).

Landesgalerie NÖ

Wilhelm Bernatzik, "Fronleichnamsprozession bei Dürnstein" (1881).

Hätte sich Caspar David Friedrich je gen Süden in die Wachau vorgewagt, wäre er vielleicht geblieben. Der deutsche Romantikstar hätte zwar anstelle der kühlen Nordsee mit dem im 19. Jahrhundert immerhin noch unregulierten Donaustrom vorliebnehmen müssen, ansonsten aber wäre alles da gewesen, was ihn und die Seinen damals im Herzen rührte: dramatische Felsformationen, wild wuchernde Auen und Wälder, Burgruinen, Schlösser, Kapellen und Bauernhäuser; die Antike noch greifbar ebenso wie das finstere Mittelalter; der Verfall, festzumachen am Wettstreit der Natur mit der Zivilisation – wobei Erstere immer ein wenig die Nase vorn hat.

Und das wohl wichtigste Element, um dem Attribut "malerisch" gerecht zu werden – die Lichtverhältnisse: das Morgen- und Abendrot oder der blaue Himmel, der den an sich recht unansehnlichen Fluss trügerisch gespiegelt einfärbt.

Seit 20 Jahren Useco-Welterbe

Vor 20 Jahren wurde die Kulturlandschaft Wachau in das Unesco-Welterbe aufgenommen. Das zum Anlass nehmend, stellt der im Mai letzten Jahres eröffnete Museumsneubau Landesgalerie Niederösterreich in Krems nun jene Künstler aus, die am Anfang der "Entdeckung" des Donautals zwischen Melk und Krems stehen.

Rund 800 Werke von 80 Wachaumalern vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts sollen in rotierenden Tranchen gezeigt werden. Größtenteils sind es mittelformatige Ölbilder, technisch im konservativ-realistischen Eck zu verorten und vom impressionistischen Rausch früherer Romantiker wie William Turner ziemlich unbeeindruckt.

Kein Wunder: Als sich die "Entdeckung" der lange recht unzugänglichen Wachau zutrug, war der Zug der Romantiker eigentlich schon abgefahren. Vor 1850 nahmen die beschwerliche Reise über Stock und Stein oder gar per Schiff einzig verschrobene Abenteurer wie Joseph Kyselak – Hofkammerbeamter und vermutlich erster Graffiti-Tagger des Landes – auf sich. Die Schau in Krems bettet die Reiseliteratur jener frühen Individualtouristen geschickt in die Ausstellung mit ein.

Zwischen Kitsch und kaltem Schauer

In der heimischen Landschaftsmalerei dominierte zu dieser Zeit als Motiv der alpine Raum, erst nach und nach erkannte man die Reize der flacheren Gefilde. Zur tatsächlichen "Invasion" der Wachau durch Landschafts- und Genremaler kam es klar datierbar ab 1888. Eduard Peithner von Lichtenfels, Professor an der Wiener Kunstakademie, entführte seine Schüler auf eine Sommerexkursion in das damals noch mehrere Stunden entfernte Tal.

Von den Einheimischen erst argwöhnisch beäugt, bald aber im Zeichen der Reblaus gewinnbringend umsorgt, ließen sich die aus Wien, Süddeutschland und den Kronländern stammenden Künstler sogar häuslich in den Wachaudörfern nieder. Maximilian Suppantschitsch, Heinrich Tomec, Wilhelm Bernatzik oder Johann Nepomuk Geller gehörten dazu. Die wenigen kanonisierten Malerinnen sind mit Tina Blau und Marie Egner vertreten.

Der antikebegeisterten Symbolsprache der zeitgleich stattfindenden Wiener Secession blieben die Wachaumaler fern. Nur selten lösen sich ihre Bildmotive von den ausgelutschten Postkartenansichten, die heute in aller Welt durch die von den Malern mitangestoßene Tourismusindustrie bekannt sind.

Interessanterweise ist es Pionier Peithner von Lichtenfels selbst, dem es am ehesten gelingt, durch seinen kühlen Realismus auch die wolkenverhangene, graue Wachau zu zeigen und sie von der Kitsch- in die Schauerromantik zu kippen.

Vereinnahmung im völkischen Nationalismus

Zum Schaudern wiederum ist die Kehrseite dieser ursprünglich aufklärerisch motivierten Erschließung "heimischer" Landschaftsjuwele: Früh wurde die Wachau in den Strudel des völkischen Nationalismus hineingezogen. Siegfried Stoitzner etwa, ein Star der Wachaumalerei, war illegales NSDAP-Mitglied, in einer Vitrine versammelt die Ausstellung Exponate, die die Vereinnahmung einer "treu-deutschen Heimat" belegen: vom Wachauroman Deutsches Sehnen und Kämpfen von 1913 bis zu einer Postkarte von 1938, auf der ein Hakenkreuz als Sonne über Krems aufgeht.

Schade ist, dass es der Schau an einem chronologisch schlüssigen Leitkonzept mangelt, das sich ohne Führung erschließen ließe. Die wenigen, nicht sattsam bekannten expressionistischen bis abstrakten Beispiele einer Wachaumalerei muss man zudem eher dem begleitenden Buch entnehmen. Dabei wären anlässlich einer "Neuentdeckung" gerade sie stärker in den Fokus zu rücken gewesen. (Stefan Weiss, 18.8.2020)