Von Split im Süden bis Crikvenica im Norden der Adria (hier im Bild): Die Urlauber fühlen sich trotz der steigenden Infektionszahlen an Kroatiens Küsten wohl.

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Niki findet, dass das alles ein unlogisches Theater sei. "Wieso darf man nach Mitternacht nicht mehr drinnen sitzen und vor Mitternacht schon? Steckt man sich nach Mitternacht vielleicht leichter an?", hinterfragt sie die Schließung von Cafés nach null Uhr, die die kroatische Regierung verfügt hat. "Und weshalb werden Hochzeiten mit über hundert Leuten, die indoor stattfinden, nicht auch verboten?" Die Kanadierin mit kroatischen Wurzeln war gerade mit ihrer Freundin und ihrer Mutter ein paar Tage auf der Insel Hvar.

Nun sitzt sie am Kai der Hafenstadt Split, hinter ihr glitzert die Adria, die man hier Jadran nennt, und in der Ferne ist der weiße Kirchturm in der wunderschönen Altstadt zu sehen. Niki ist gegen jegliche Art von Pandemieeinschränkungen. "Alles soll geöffnet sein. Es ist eine persönliche Entscheidung, was man macht oder nicht", findet die 37-Jährige.

Starkes Misstrauen

Zur Reisewarnung der österreichischen Bundesregierung befragt, schüttelt sie nur den Kopf: "Ich denke, dass man sich an einem österreichischen See genauso anstecken kann wie hier. Die wollen in Wien doch nur, dass das Geld in Österreich bleibt, damit sie selbst besser durch die Krise kommen", meint sie. Die Rückholaktion der Regierung hat offenbar geklappt. In Split hat nur ein einziges Auto mit österreichischer Nummerntafel am Hafen geparkt. Rundherum hört man vor allem Polnisch, Tschechisch und Kroatisch. "Die Österreicher sind weg", erzählen auch die Reiseführer.

Der 29-jährige Vedran M. aus Zagreb, ein Musiker, dem das Virus "alle meine Gigs zerstört hat", findet es "lächerlich", dass Österreich eine Reisewarnung ausgegeben hat. "Die Leute sterben hier an Alkohol und Krebs", meint er. "Für mich ist das nur eine Art Grippe", sagt er. Überhaupt sei das Leben langweilig mit diesem Virus, weil man weniger Partys machen kann.

Mehr Sorge um Rauch

Unter den Urlaubern findet man erstaunlich viele Leute, die sich keine Sorgen machen und die sogar viele Maßnahmen als zu streng erachten. Die beiden Franzosen, zwei Männer um die 40, fanden es zwar "komisch, dass niemand außer dem Kellner auf der Insel Hvar eine Maske trug", aber unsicher fühlten sie sich trotzdem nicht. "Viel schlimmer ist doch, dass die Leute mir ihren Rauch entgegenblasen", meint Marcel, einer der beiden. "Nikotin tötet viel mehr Leute als Covid-19."

Von Sonntag auf Montag wurden in Kroatien 85 Personen positiv auf das Covid-19-Virus getestet. Dies bedeutet einen Rückgang im Vergleich zu den vorhergehenden Tagen – allerdings wurden nur 990 Test durchgeführt. 126 Personen liegen mit der Lungenerkrankung in Spitälern, elf Personen müssen beamtet werden. Insgesamt sind in ganz Kroatien laut den Gesundheitsbehörden derzeit 1.236 Personen mit dem Virus infiziert – so viele wie noch nie in dem kleinen mitteleuropäischen Land mit vier Millionen Einwohnern.

Keine Beunruhigung

Neben Zagreb (337 Fälle) ist vor allem die Gespanschaft Split mit 289 Fällen ein Hotspot. Von Panik oder stärkerer Beunruhigung ist hier jedoch nichts zu merken. Die meisten Leute tun so, als gäbe es keine Pandemie. Obwohl heuer keine Kreuzschiffpassagiere kommen, ist es in der Altstadt, in den engen Gassen des römischen Diokletian-Palastes oft nicht möglich, eineinhalb Meter Abstand zu wahren. Kaum einer trägt hier Maske.

Auch am Kai ist zwischen den Bars und der Straße oft nicht ausreichend Platz, um Begegnungen zu vermeiden. Zumindest im Supermarkt tragen die allermeisten einen Mund-Nasen-Schutz, auch wenn er oft nur die Lippen bedeckt.

Die Gespanschaft Split gilt seit Monaten als besonders anfällig. Insbesondere auf der Insel Brač kämpfte man bereits im April und Mai mit immer neuen Clustern. Istrien oder die Gespanschaft Lika-Senj sind weit weniger betroffen.

Die meisten neuen Infektionsfälle sind auf Besuche in Nachtlokalen zurückzuführen. Die Diskotheken in Makarska, Vodice, Novalja und Vir waren gut besucht von jungen Leuten, die sich im Gedränge infizierten. Offiziell wird zwar angeraten, Menschenansammlungen zu vermeiden, doch auch die Polizei ist nicht in der Lage, alle Strandpartys aufzulösen.

Cluster durch Familientreffen

Laut den kroatischen Gesundheitsbehörden zählen neben vollen Gaststätten auch Familienzusammenkünfte zu den Ursachen der Neuinfektionen. Einige neue Cluster entstanden bei Hochzeiten. Die Behörden versuchen, alle Personen, die mit Infizierten in Kontakt waren, nachzuverfolgen und zu informieren. In Kroatien gibt es wie in Österreich eine Handy-App, die helfen soll, sich selbst und andere zu schützen. Insgesamt gibt es 22 Teststationen, wo man einen Abstrich machen lassen kann. Doch im Vergleich zu Österreich wird wenig getestet.

Italiener mit Erfahrung

Aber auch das besorgt die meisten Touristen nicht. Nur das italienische Pärchen, das aus Mailand hierhergereist ist, verhält sich anders als die anderen Europäer. Die beiden sind die Einzigen, die auch hier am Kai eine Maske tragen.

"Die Kroaten wissen offenbar noch nicht, wie gefährlich das Virus ist", meint der 63-Jährige Giancarlo M.: "Ich arbeite für eine Firma, die seit einigen Monaten Sauerstoff an Krankenhäuser liefert. Ich weiß, wie tödlich diese Krankheit ist", meint er. "Aber was macht es für einen Sinn, wenn nur wir hier vorsichtig sind und die anderen nicht?" Er uns seine Frau müssen sich testen lassen, wenn sie zurück in ihre Heimat reisen. Denn Italien hat die Reisewarnung vor Österreich ausgegeben. Und Giancarlo und seine Frau Elisabeth finden das gut so. (Adelheid Wölfl aus Split, 18.8.2020)