Am Persischen Golf gibt es neue Spannungen: In Teheran wurde am Wochenende gegen die Normalisierung der Beziehungen zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Israel demonstriert, mit den üblichen Fahnenverbrennungen.

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Wenn ein Entwurf für eine Resolution im Uno-Sicherheitsrat keine Chancen hat, angenommen zu werden, wird sie oft zurückgezogen: Und wenn nicht – das heißt, wenn der Staat, der den Entwurf eingebracht hat, sich sozusagen seine Niederlage amtlich bestätigen lässt –, hat das meist konkrete politische Gründe.

Am Freitag haben die USA einen Text für eine Verlängerung des Uno-Waffenembargos gegen den Iran, das im Oktober fallen würde, vorgelegt. Nur sie selbst und die Dominikanische Republik, die derzeit als nichtständiges Mitglied im Rat sitzt, stimmten der Resolution zu. Es gab elf Enthaltungen, darunter von Großbritannien, Frankreich und dem nichtständigen Mitglied Deutschland. Russland und China legten ein Veto ein – was theoretisch gar nicht notwendig gewesen wäre, denn auch ohne Veto braucht eine Uno¬-Sicherheitsratsresolution neun Ja-Stimmen, um angenommen zu werden.

Warum also das Theater, warum tat sich die Trump-Regierung das an, dass die halbe Welt "Die USA sind so isoliert wie nie zuvor" schreien konnte? Das wenig überraschende Resolutionsdebakel am Freitag war der Auftakt für einen Schritt, den US-Präsident Donald Trump am Samstag bereits für diese Woche ankündigte: Die USA werden den "Snapback"-Mechanismus auslösen. Ungesagter Nachsatz: Das habt ihr jetzt davon.Mit dem Snapback – die Erklärung, wie dieser funktioniert, folgt gleich – können die USA erreichen, dass nicht nur das Waffen-embargo gegen den Iran aufrecht bleibt, sondern alle Iran-Sanktionen der Uno, die durch den Atomdeal von 2015 (JCPOA: Joint Comprehensive Plan of Action) gefallen sind, wieder zurückkommen. Zumindest theoretisch geht das. Aber ein Teil des Sicherheitsrats ist der Meinung, dass die USA das rechtlich nicht können. Denn sie haben ja im Mai 2018 den JCPOA verlassen.

Schnapp, die Sanktionen sind zurück

Dennoch will sich die Trump-Regierung jetzt eines Mechanismus, eben des Snapback, bedienen, der im JCPOA beziehungsweise in jener Uno-Sicherheitsratsresolution (2231 vom Juli 2015), die den JCPOA zu internationalem Recht machte, festgeschrieben ist, wenngleich ohne diese Bezeichnung: Ein "Teilnehmer"-Staat kann sozusagen erzwingen, dass eine neue Resolution die Fortführung der Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran bestätigen muss. Genau das wollen die USA tun, indem sie den Uno-Sicherheitsrat darüber informieren, dass der Iran den JCPOA gebrochen hat. Wenn diese Resolution dann nach 30 Tagen eingebracht wird, legen sie ein Veto ein: Schnapp, die Sanktionen sind zurück. Und der JCPOA endgültig kaputt.

Nun sind Zitate des damaligen Sicherheitsberaters Trumps, John Bolton, belegt, der 2018, als die USA den JCPOA verließen, sagte: "Wir sind raus." "Drin" will die US-Regierung jedoch zumindest in der Uno-Sicherheitsratsresolution 2231 sein, bei ihr seien sie noch immer "Teilnehmer", so die Argumentation.Die verbleibenden Partner des Iran-Deals sind der Meinung, dass das nicht gilt: Die USA hätten sich "einseitig aus dem JCPOA zurückgezogen und danach in keinerlei Strukturen und Aktivitäten des JCPOA teilgenommen", könnten also nicht mehr als "Teilnehmer" angesehen werden, sagt EU-Außenpolitikchef Josep Borrell.

Im allerschlimmsten Fall droht Chaos im Uno-Sicherheitsrat: dass die USA ein Prozedere einleiten, das die anderen einfach nicht anerkennen.Interessanterweise argumentiert gerade Bolton – der Trump zu sehr Hardliner und Kriegstreiber war – im Wall Street Journal dagegen, dass die USA diesen Schritt tun: Sie würden dabei dieser "Bastard-Kreatur" JCPOA nur unnötig Legitimität verleihen. Aber noch wichtiger ist dem Multilateralismus-Hasser Bolton, dass damit das mächtige Instrument des Vetos im Uno-Sicherheitsrat nachhaltig beschädigt werden könnte.

"Diplomatischer Zombie" Atomdeal

Auch Bolton führt in seinem Kommentar einen der Gründe an, warum Trump vielleicht gerade jetzt zu dieser Keule greifen will: um zu verhindern, dass ein Präsident Joe Biden den JCPOA – einen "diplomatischen Zombie, der noch in den Hirnen seiner Schöpfer lauert" – wiederbeleben kann.

Das auf dem Tisch liegende Argument ist aber das Uno-Waffenembargo, das im Oktober laut JCPOA-Fahrplan auslaufen würde: US-Außenminister Mike Pompeo bezeichnete vorigen Freitag bei seinem Wien-Besuch als "unentschuldbar", dass der Uno-Sicherheitsrat erlaube, dass das "theokratische Terrorregime" ab Oktober wieder konventionelle Waffen kaufen könnte. Moskau und Peking – Letzteres verhandelt mit Teheran soeben eine 25-jährige strategische Partnerschaft – stehen in den Startlöchern: soweit sich der Iran, dessen Armee im Vergleich zu seinem Raketenprogramm immer eher vernachlässigt wurde, große Einkäufe leisten kann. Etwa Raketenabwehrsysteme, was jenen Staaten, die die militärische Option gegen den Iran aufrechterhalten möchten, gar nicht gefallen würde. Jetzt, da Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate mit ihrer Normalisierung Trump einen großen politischen Gefallen getan haben, ist er ihnen umso mehr verpflichtet, eine Aufrüstung des Iran zu verhindern.

In der EU gilt auf alle Fälle ein Iran-Waffenembargo bis 2023: Das heißt auch, die E3 genannte Staatengruppe Großbritannien, Frankreich und Deutschland hatte ja durchaus Verständnis für den US-Wunsch gezeigt. Sie stimmte dem Resolutionsentwurf am Freitag aber schon deshalb nicht zu, weil in ihm keine zeitliche Frist erwähnt wurde.

Andeutung von Gesprächsbereitschaft

In einem AP-Interview signalisierte die US-Botschafterin bei der Uno in New York, Kelly Craft, allerdings Gesprächsbereitschaft der USA bei diesem Punkt. Auch der russische Präsident Wladimir Putin brachte sich ein und rief zu einem Treffen auf, an dem alle Vetomächte im Sicherheitsrat plus Deutschland und Iran teilnehmen sollten.In der Region selbst gibt es neue Spannungen: Der Iran hat aggressiv auf die Bekanntgabe der Normalisierung zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten reagiert. In ungewöhnlicher Einigkeit antwortete der zerstrittene arabische Golfkooperationsrat (GCC). Auf Saudi-Arabien flogen am Sonntag wieder einmal Raketen der Huthis im Jemen, die vom Iran unterstützt werden. (Gudrun Harrer, 18.8.2020)